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Nr. 74/1912 PAPIER-ZEITUNG 2683 Briefkasten Der Frage muß 10-Pf.-Marke beiliegen. Anonyme Anfragen bleiben unberücksichtigt. Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur, wenn Abdruck ohne Namen gestattet Konkurrenzverbot des Handlungsgehilfen 12211. Frage: Ich habe in der Filiale einer Maschinenfabrik eine Stellung als Reisender und kaufmännischer Beamter ange nommen und mit ihr einliegenden Vertrag abgeschlossen. Hat der vorgedruckte Passus in § 2 seine Gültigkeit ? „Für den Fall der Zuwiderhandlung ist Herr zur Einstellung der vertragswidrigen Tätigkeit und zum Schadenersatz verpflichtet. Biese Bestimmung gilt für dann auch, wenn infolge der Beendigung des Vertrages durch Kündigung der Firma Herr .... austritt.“ Kann die Maschinenfabrik, wenn ich bei den im Vertrag an geführten Firmen eine Stellung annehme, mich regreßpflichtig machen, oder darf ich ruhig einer richterlichen Entscheidung ent gegensehen, da es meiner Ansicht nach gegen die gute Sitte des Kaufmannstandes verstößt, wenn ein derartiger Passus aufgeführt wird ? Antwort: Nach § 74 HGB ist eine Vereinbarung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Handlungsgehilfen, durch welche dieser nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Tätigkeit beschränkt wird, für den Handlungsgehilfen nur soweit ver-' bindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand das Fortkommen des Handlungsgehilfen nicht unbillig erschwert. Nach dem uns vorgelegten Vertrag darf der Handlungsgehilfe während drei Jahren nach dem Austritt in keiner deutschen Firma tätig sein, welche Maschinen der gleichen Art baut oder ver treibt. Diese Bestimmung kann als unbillige Erschwerung des Fortkommens angesehen werden, weil sie dem Fragesteller un möglich macht, seine Kenntnisse in Deutschland anderweitig zu verwerten. § 75 HGB bestimmt, daß das Konkurrenzverbot ungiltig ist, falls der Geschäftsherr dem Handlungsgehilfen ohne wichtigen Gund kündigt, und erklärt Vereinbarungen, welche dieser Vorschrift zuwiderlaufen, für nichtig. Demnach erscheint der in der Frage abgedruckte Satz aus § 2 des Vertrages nichtig. Der gesamte Vertrag ist aber hierdurch nicht hinfällig, vielmehr wird der Richter im Streitfall die übertriebenen Bedingungen auf billiges Maß herabsetzen. Entlassung des Reisenden 12212. Frage: Seit Anfang August bin ich in einem hiesigen Hause als Reisender tätig. Am Sonntag Mittag bekam ich ein Tele gramm, daß ich sofort zu meiner kranken Mutter fahren soll. Bis zu ihrem Wohnorte habe ich. 12 Stunden Schnellzugsfahrt, und ich sprach dieserhalb mehrere Male bei meinem Chef vor, um mir die Erlaubnis zur Wegfahrt für 2 Tage (Montag und Dienstag) zu erbitten, traf ihn jedoch nicht an. Trotzdem fuhr ich und hinter ließ mündlichen und schriftlichen Bescheid. Am folgenden Tage (Montag) kündigte ich telegraphisch meine Stellung und kehrte Dienstag abend ins Geschäft zurück. Ist mein Geschäftsherr in folge meines zweitägigen Fernbleibens vom Geschäft zur sofortigen Entlassung berechtigt, und was müßte er im bejahenden Falle für Gehalt und Provision zahlen? Am Mittwoch war ich wieder im Geschäft tätig. Antwort: Nach § 72 HGB gilt als ein wichtiger Grund, der den Geschäftsherrn zu sofortiger Entlassung des Handlungsgehilfen berechtigt, wenn dieser seinen Dienst während einer den Um ständen nach erheblichen Zeit unbefugt verläßt. Nur auf dies Bestimmung könnte sich der Geschäftsherr in diesem Falle stützen, aber unseres Erachtens zu Unrecht, falls obige Dar stellung erschöpfend ist, denn die schwere Erkrankung der Mutter konnte die Reise des Handlungsgehilfen unbedingt nötig machen, und dieser hat versucht, Urlaub zu erlangen. Bedenklich er scheint jedoch der Umstand, daß Fragesteller von unterwegs seine Stellung kündigte, denn dies in Zusammenhang damit, daß die Reise knapp vor der gesetzlichen Kündigungsfrist Mitte August erfolgte, läßt dem Verdacht Raum, daß die Reise zur Vor stellung in einem anderen Geschäft erfolgte. Würde sich dieser Verdacht als begründet erweisen, so wäre die sofortige Entlassung auf Grund des § 72 HGB berechtigt. Der Geschäftsherr brauchte dem Gehilfen nur bis zum Entlassungstag Gehalt und Provision nur für die bis dahin abgeschlossenen Aufträge zu bezahlen. Junge Deutsche in London 12213. Frage: Ist es gewagt, wenn ein Handlungsgehilfe (Verkäufer des Papier- und Schreibwarenfaches), welcher gute Fachkenntnisse besitzt, gute Vorkenntnisse in der englischen Sprache hat und 3 — 4 Monate ohne Verdienst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, nach London reist, um sich dort Stellung zu suchen ? Antwort: Wir verweisen auf die eingehenden Ausführungen unseres Londoner Berichterstatters über „Junge Deutsche in England” in Nr. 30 von 1906. Diese Nummer ist freilich schon vergriffen. Ueberschreitung der Lieferfrist 12214. Frage: Im August 1911 schloß ich mit einer Firma die Lieferung von etwa 6000 kg Schrenzpapier. Als Lieferfrist wurden 2 bis 3 Wochen bestimmt. Meine Fabrik konnte infolge Wasser mangels nicht rechtzeitig liefern, und ich mußte den Liefertermin um 3 Wochen überschreiten. Meine Auftraggeberin zieht mir am Rechnungsbetrag für verspätete Lieferung 50 M. ab und gibt an, durch meine Verspätete Lieferung einen weit größeren Schaden gehabt zu haben, als dieser Betrag ausmacht. Es ist bekannt, daß im Jahr 1911 infolge der großen Trockenheit mehrere Papier fabriken, die mit Wasserkraft arbeiten, stillgelegen haben, und dies ist auf Eingriff höherer Gewalt zurückzuführen. Ist unter diesen Umständen meine Auftraggeberin berechtigt, Schadenersatz zu verlangen oder kann ich Zahlung des gekürzten Betrages an sprechen ? Antwort: Als Fragesteller nach 2—3 Wochen nicht lieferte, hätte sein Kunde ihm nach dem Gesetz eine angemessene Nach frist für die Lieferung einräumen und beim Ueberschreiten dieser Frist durch den Fragesteller vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz fordern können. Da der Kunde dies nicht getan hat, so muß er den Vertrag auch bei verspäteter Lieferung zu den vereinbarten Bedingungen erfüllen. Pfändung im Konkurs 12215. Frage: Ein hiesiger Buchdrucker schuldet mir mehrere Tausend Mark. Diese Schuld wird nicht bestritten. Ende Januar erwirkte ich einen vorläufigen Arrest auf einige größere Kunden forderungen des Druckers und reichte die Klage auf Zahlung ein. Mitte Februar an dem Tage, an welchem der Termin über meine Klage angeordnet wurde, meldete der Beklagte Konkurs an; der Termin fiel demzufolge aus. Der Konkursverwalter hat den Arrest befehl angefochten, wurde jedoch vom Landgericht nach 2 Termin verhandlungen abgewiesen und der Arrest bestätigt. Meine Forderung meldete ich zur Konkursmasse an. Der Konkursverwalter hat aber meine Forderung ohne Angabe von Gründen nicht anerkannt, wes halb ich den Konkursverwalter auf Anerkennung verklagte. Nach durchgeführten Beweisverfahren verurteilte das Landgericht den Konkursverwalter mit dem Beschlusse, meine eingeklagte Forderung bestehe zu Recht. Ich beantragte nun auf Grund des letzterwähnten rechtskräftigen Urteils um Ueberweisungsbeschluß, damit ich in den Besitz der schon vor 8 Monaten gepfändeten Außenstände des Kridars gelange. Das Gericht beschloß aber meinem Anträge Solange nicht stattzugeben, als der Konkurs nicht auf Grund des § 14 der Konkursordnung aufgehoben wird. Es ist nicht abzusehen, wie lange noch der Konkurs dauern wird, dadurch werden aber viele der gepfändeten Außenstände faul und später uneinbringlich, und mir erwächst großer Schaden. Aus dem Konkurs erhalten nicht einmal die vorrechtlichen Gläubiger irgend eine Quote. Was kann ich veranlassen ? Mein Rechtsanwalt ist der Ansicht, daß sich hier nichts machen lasse. Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters : Die Ablehnung des Ueberweisungsbeschlusses erscheint nicht gerechtfertigt. Zwar bestimmt § 14 KO., daß während der Dauer des Konkurs verfahrens Arreste und Zwangsvollstreckungen zugunsten ein zelner Konkursgläubiger nicht stattfinden dürfen. Diese Be stimmung ist aber auf Arreste, welche bereits vor der Konkurs eröffnung erwirkt sind, nicht anwendbar. Es wird daher die Ueberweisung der durch einen solchen Arrest gepfändeten Forde rungen nicht gehindert. (S. „Wilmowski, Konkursordnung”, 6. Aufl. 1906 S. 81 Anm. 5 zu § 14.) Derjenige Arrestgläubiger, welcher (wie vorliegend der Fragesteller) bereits vor Konkurs eröffnung durch Pfändung ein Pfandrecht an Forderungen des Gemeinschuldners erlangt hat, ist insoweit nicht Konkurs gläubiger, sondern Absonderungsberechtigter und kann nach § 4 Abs. 2 KO. seine Befriedigung unabhängig vom Konkurs verfahren suchen. Der hierzu noch erforderliche Beschluß, durch welchen die gepfändeten Forderungen zur Einziehung über wiesen werden, hat allerdings die Erwirkung eines vollstreck baren Schuldtitels zur Voraussetzung. Als solcher Schuldtitel ist aber die Feststellung der Forderung in die Konkurstabelle geeignet. Diese Feststellung kann Fragesteller auf Grund des gegen den Konkursverwalter erlangten Urteils auf Anerkennung seiner Forderung erwirken. Mittels des mit Vollstreckungs klausel versehenen, die Feststellung seiner Forderung enthaltenden Auszuges aus der Konkurstabelle, welcher ihm auf seinen Antrag vom Konkursgerichte zu erteilen ist, kann Fragesteller auch während des schwebenden Konkurses die Ueberweisung der ihm gepfändeten Forderungen zur Einziehung verlangen. (S. Recht sprechung der Oberlandesgerichte Bd. 18 S. 412, Neumann, Jahrbuch des Deutschen Rechts 1910 Bd. 8 S. 1168 Anm. 2; Neumann, Jahrbuch des Deutschen Rechts 1912 Bd. 10 S. 1012 Anm. 1 zu § 14.) Fragesteller mag in vorstehendem Sinne gegen die Ablehnung des Ueberweisungsbeschlusses Beschwerde ein legen.