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2622 PAPIER-ZEITUNG Nr. 73/1912 Kartonnagen-Fabrikation Von C. Drautz und Mitarbeitern. Fortsetzung zu Nr. 50 S. 1829 VI. Tiegeldruckpressen in der Kartonnagenfabrikation Tiegeldruckpressen, die von Hand, Fuß oder Kraft betrieben werden und ebensolche Prägepressen finden bei der Kartonnagen fabrikation vielseitigste Verwendung nicht nur zum Prägen, sondern auch zum Bedrucken der Kartonnagen. Die leichteste Art dieser Maschinen ist die Bostonpresse, Bild 116. Anihr bildet der Fuß Bild 116. Bostonpresse von A. Hogenforst in Leipzig und das senkrecht feststehende Fundament einen Teil, während die Schaukel mit dem auf Schrauben ruhenden Tiegel durch die Wagbalken- welle mit dem Grundgestell der Maschine verbunden sind. Oberhalb des feststehenden Fundaments ist rückseitig die Antriebswelle der Ma schine gelagert. Sie läuft nach der linken Seite in eine Verlängerung aus, auf wel cher der Handhebel an geordnet ist. Die Bewegung des Tiegels erfolgt durch einen sich streckenden Knie hebel, der rückseitig in das Grundgestell der Maschine reicht. Ein Schenkel des Kniehebels ist an der An triebswelle angebracht, während der andere an der Schaukel, welche zwischen dem Fuß der Maschine nach hinten durch reicht, befestigt ist. Wird der Handhebel nach unten bewegt, so er fährt die mit ihm verbundene Welle eine Vierteldrehung, der mit der Welle und der Schaukel verbundene Knie ¬ hebel streckt sich und drückt die Schaukel mit dem Tiegel gegen das Fundament. Die Regelung des jeweils erforderlichen Druckes erfolgt durch die Schrauben, auf denen der Tiegel ruht. Die Druckform steht senkrecht in der Maschine und der Schließ rahmen wird durch einen Hebel, der auf die Rahmenkante greift, festgehalten. Die Form wird durch ein mehr oder weniger aus gebildetes Tellerfarbwerk eingefärbt. Während bei kleinen Bostonpressen die Druckfarbe mit der Handwalze auf den Teller übertragen wird, der über dem Fundament drehbar angeordnet ist, besitzen größere Pressen einen in bekannter Weise ausge- .statteten Farbkasten, dessen Messer oder Boden in der Regel durch Schrauben verstellt werden kann. Der Duktor, bzw. die Farbkastenwalze wird durch Hebelübertragung fortgeschaltet, bei welcher Gelegenheit eine Leckwalze Farbe entnimmt. Als Leckwalze dient entweder die oberste der Auftragwalzen oder es ist eine besondere Leckwalze vorgesehen, welche sich nicht über den Rand des Farbtellers herunter bewegt. Von diesem Farb- teller aus wird die Form durch zwei bis drei Auftragwalzen ein gefärbt. Die Auftragwalzen mit ihren Rollen finden in federnd angeordneten Hackenlagern, die ihrerseits wieder in einer ein fachen Bewegungsvorrichtung untergebracht sind, genügend sicheren Halt. Diese Bewegungsvorrichtung steht mit der An triebswelle in Verbindung, welche veranlaßt, daß die Walzen bei geöffnetem Tiegel unterhalb der Form liegen. Sobald der Tiegel gegen die Form schwingt, rollen sie auf rechts und links von der Form sich befindenden Laufschienen nach oben und geben so, wie bei ihrer Abwärtsbewegung die Farbe an die Form ab. Bei der Bewegung des Walzenstuhls erfährt der Farbteller jedesmal eine kleine Drehung, wodurch die Farbe gleichmäßig abgenommen wird. Die Laufschienen für die Auftragwalzen sind in neuerer Zeit verstellbar eingerichtet worden. Jede Form muß, sofern es irgend möglich ist, in die Mitte des Schließrahmens geschlossen werden, damit der Druck auch auf die Mitte des Tiegels erfolgt und die einzelnen Teile der Maschinen nicht einseitig angestrengt werden. Der Aufzug auf dem Druck tiegel besteht aus einem Blatt Karton und etwa drei Bogen weichen Druckpapiers. Letztere Bogen werden glatt über den Tiegel gespannt, was mit Hilfe der oberhalb und unterhalb des Tiegels gelagerten Halbrahmen leicht ist. Dieser Aufzug dürfte für alle vorkommenden Arbeiten genügen. Ist der Satz jedoch ziemlich kompreß und erfordert er zum genügenden Ausdrucken größere Kraft, so lege man unter den obersten Bogen noch ein schwaches Gummituch. Mit Hilfe desselben ist es möglich, selbst schwerere Formen auszudrucken, ohne daß man die Maschine übermäßig anzustrengen braucht. Das Einstellen des Tiegels, d. h. die Regelung der Druck stärke muß sorgfältig und mit Verständnis geschehen und wenn die Stellung einmal erfolgt ist, so sei man bestrebt, die gleich mäßige Tiegelstellung beizubehalten. Um den Tiegel gleichmäßig einzustellen, schließe man sich einen Rahmen aus feinen Linien und in ziemlicher Größe der verfügbaren Druckfläche in die Ma schine und mache einen Abdruck. Derselbe wird die ungleiche Tiegelstellung sofort erkennen lassen. Muß der Tiegel gestellt werden, so ist vor jeder Veränderung die auf der Mitte des Tiegels sitzende Zentralschraube zu lockern, die erforderliche Ver stärkung oder Milderung des Druckes auszuführen und hierauf die Zentralschraube stets wieder festzuziehen. Wird dies nicht beachtet, so entsteht Schmitz, wenn der Druck gemildert wird, entgegengesetzt kann beim Verstärken des Druckes der Tiegel verzogen, ja derselbe sogar zum Platzen gebracht werden, wenn die Mittelschraube nicht gelockert wird. Sollte sich Verstärkung des Druckes notwendig machen, so schiebe man noch ein Blatt Karton unter den Aufzug und gleiche vorhandene Unterschiede durch entsprechende Zurichtung aus. Beim Druck einzeln stehender Zeilen oder auch beim Liniendruck ist es zweckmäßig, mit ziemlichem Abstand rechts und links vom Satz einen schrift hohen Holzsteg von 4 Cicero Breite mit in die Form zu schließen, um zu starkes Aufdrücken der Walzen zu vermeiden, wenn die Laufschienen für den Walzenstuhl unverstellbar sein sollten, andererseits auch um die Walzen vor dem Zerschneiden durch die Linien zu bewahren und um den Druck zu mildern. Die Zurichtung auf dem Tiegel, die mit Affichen- und Seiden papier bewerkstelligt wird, beschränke man soviel als möglich und es ist für sauberen Druck zweckmäßiger, zu schwach druckende Teile der Form von unten zu unterlegen. Die Greifer, welche den Bogen während des Druckes halten, dürfen nicht verbogen sein und müssen beide gleichmäßig auf den Tiegel auftreffen. Sie werden, sofern es das Papierformat zuläßt, rechts und links vom Abdruck auf dem Tiegel eingestellt. Em pfehlenswert ist es auch, die Greifer zu beiden Seiten möglichst weit nach außen zu rücken und von einem Greifer zu dem anderen einen Gummicouponring zu spannen. Derselbe paßt sich der Greiferentfernung ganz von selbst an, hebt den Bogen von der Form ab und beschädigt kein Material, falls ein solcher Faden einmal auf die Form auftreffen sollte. Für die gute Arbeit der Bostonpresse ist erforderlich, daß die Presse auf einer genügend starken Unterlage mittels Schrauben gut befestigt ist, sodaß sie beim Druck nicht wackelt. Der Druck würde dann nicht genügend wirksam sein. Steht die Presse längere Zeit still, so achte man darauf, daß, sofern die Form in der Maschine bleibt, die Auftragwalzen nicht dauernd auf dem Schriftsatz stehen, weil sonst die Walzen Ein drücke erhalten und beschädigt werden. Die Bostonpresse ist zur Herstellung einfacher Drucksachen gut zu verwenden, ihr Nutzen wird noch vielfach unterschätzt, und sie hat bei entsprechender Behandlung auch eine lange Lebensdauer. Infolge der ziemlich einfachen Herstellung dieser Pressen gibt es aber auch Fabrikate von zweifelhaftem Wert. Am zweckmäßigsten sind unter den Bostonpressen die kleineren - Formate, da die größeren Pressen den Arbeiter schnell ermüden. Ist die Bostonpresse zur Herstellung kleinerer Drucksachen in kleiner Auflage eine recht nützliche Maschine, so wird es andrer seits auch wiederum manche Betriebe geben, die eine größere Druckkraft der Maschine brauchen. Von den größeren Tiegeldruckpressen unterscheidet man drei verschiedene Systeme, die in ihrer Leistungsfähigkeit we sentliche Unterschiede aufweisen. Man kann sie als Liberty-, Gordon- und Gallypressensysteme bezeichnen. An Maschinen, die nach dem Liberty-System gebaut sind, liegen sowohl Druck tiegel als auch Fundament, auf dem die Druckform befestigt ist, wagerecht, wie die beiden Hälften eines geöffneten Buches ein ander gegenüber. Bei der Druckabgabe schwingen diese beiden durch Schrauben miteinander verbundenen Teile in derselben Weise zusammen, als wenn man ein Buch zusammenklappt, wodurch der Abdruck erfolgt. Der Drucktiegel ist genau wie an der Bostonpresse verstellbar, weshalb es für die Schonung des Schriftmaterials durchaus erforderlich ist, den Drucktiegel so