Volltext Seite (XML)
Verband Deutscher Papier- und Schreibwaren händler Verbandstag in Rendsburg am 12. August 1912 Eigenbericht Die in der alten Landesfestung der Provinz Schleswig-Holstein tagende Versammlung wurde von dem Vorsitzenden van den Bergh, Düsseldorf, eröffnet. Eine reich beschickte Ausstellung war vor bereitet. Die Hauptversammlung stimmte dem Anträge des Vor standes auf Errichtung einer Zentrale zur Schaffung votf Marken artikeln, eines Einigungsamtes und einer Schutzstelle gegen Preis unterbietungen zu. In der Beseitigung von Mißständen im Schul buchhandel will der Vorstand Schritte unternehmen. Befürwortet wurde die Errichtung einer Kleinhandels-Berufsgenossenschaft, denn seit durch die Reichsversicherungsordnung der gesetzliche Boden zur Errichtung einer derartigen Genossenschaft geschaffen worden ist, steht ihrer Gründung nichts entgegen, lieber die Konsumvereine wurde folgendes beschlossen: „Die Generalversammlung spricht ihre Ueberzeugung aus, daß infolge der bevorrechtigten Stellung, welche die Konsumvereine in steuerlicher Beziehung noch im Ver gleich zu den Gewerbetreibenden genießen, die fortwährende Ver mehrung und Ausbreitung der Konsumvereine eine schwere Gefahr für die Existenz des Klein- und Mittelhandels bildet. Unter An- erkennung des in der Gesetzgebung gewährleisteten Rechts der Bildung von Genossenschaften aller Art, in Würdigung der Schwierig keiten, mit welcher die steuerliche Erfassung des Gewinns der Konsumvereine verbunden ist, verlangt die Versammlung, daß der Umschlag derselben zur Grundlage der Besteuerung gemacht werde, und daß dem Verkehr mit Personen, die nicht Mitglieder sind, mit aller Strenge entgegengetreten werde." Auf Antrag Düsseldorf beschloß die Versammlung, bei dem Minister für Handel und Gewerbe dahin vorstellig zu werden, daß die schweren Schädigungen der Kleinhändler durch das Hausier gewerbe beseitigt werden. Im besonderen soll der Hausierhandel -dort eingeschränkt ’ werden, wo dem Verkauf der entsprechenden Waren der ansässige Kleinhandel genügt. Ein weiterer Antrag Düsseldorf wurde angenommen, wonach der Verbandstag bei der Reichspostverwaltung dahin vorstellig werde, daß im Inlande das Strafporto bei ungenügender Frankierung aufgehoben wird, die zulässige Gewichtsgrenze für Briefe von 250 auf 500 g erhöht wird, statt der Bezeichnung „Muster ohne Wert" die allgemeine Auf schrift „Warensendung" mit einer Gewichtsgrenze bis zu 500 g eingeführt wird, die Versendung von Klischees als Warensendung gestattet wird, bei den Postämtern Postkarten mit unfrankierten Antwortkarten verkauft werden und zur Erleichterung des Verkehrs das Ein-Kilo-Paket mit 20 Pf. Porto ohne weiteren Paketadressen- zwang sowie ohne Zustellungsgebühr eingeführt wird. Auf Antrag der Gruppe Barmen beschloß der Verbandstag, den Reichstag zu bitten, daß bei der zu erwartenden Verkürzung der Verkaufszeit im Handelsgewerbe mehr Rücksicht auf den Laden handel genommen werde. Zustimmung fanden die Anträge der Gruppe Würzburg auf Verbot des Postkartenverkaufs in Wirt- •schäften nach Ladenschluß, auf Reglung des Zugabeunwesens, auf Gründung einer Einkaufsgenossenschaft für Papier und Schreib waren und auf Stärkung der Organisation. Die Gruppe Darmstadt beantragte Stellungnahme des Verbandes gegen das Ueberhand- nehmen der Wohlfahrtspostkarten und empfahl an maßgebender Stelle dahin zu wirken, daß neu einzuführende Lehrmittel aller Art frühzeitig vor Beginn des Schuljahres bekannt zu geben sind, da mit die Geschäfte der Nachfrage bei Schulanfang gerecht werden können. Auf Antrag der Ortsgruppe Hamburg-Altona wird be schlossen, reichsgesetzliche Einschränkung des Straßen- und Hausier handels zu fordern. Auf Antrag der Gruppe Stuttgart wird der Verbandsvorstand beauftragt, die Syndikate des Papierfaches zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, daß die Syndikate dem Händler angemessenen Nutzen gewährleisten. Auf Antrag der Ortsgruppe Straßburg beschloß der Verbandstag, beim Reichstag dahin zu wirken, daß § 56 Ziffer II Abs. 12 der Reichsgewerbeordnung, der lautet: Ausgeschlossen vom Feilbieten im Umherziehen sind ferner: 12. Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie an sittlicher oder religiöser Beziehung Aergemis zu geben geeignet sind usw., dahin abgeändert werde, daß er lautet: 12. Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke. In der Warenhausfrage wurde nach eingehender Beratung das Einigungsamt und die Schutzstelle gegen Preisunterbietungen beauftragt, mit den zuständigen Stellen Verhandlungen anzu- knüpfen, wobei die Erwartung ausgesprochen wurde, daß Ver ständigung auf mittlerer Linie zu erreichen sein werde. Die Tagung schloß mit einer Dampferfahrt durch den Kaiser- Wilhelm-Kanal nach dem Kieler Hafen und der Besichtigung eines Kriegsschiffes sowie einer Fahrt nach Hamburg zur Besichtigung .des Hafens, einer Werft, des Riesenschiffes „Imperator", der Papier- ' Warenfabrik Lehmann & Hildebrandt, des Elbtunnels und des Hagenbeckschen Tierparkes. Leipziger Herbstmesse 1912 Rechtzeitig für alle an den Leipziger Messen Beteiligten, ins besondere für die Einkäufer, ist das vom Meß-Ausschuß der Handels kammer Leipzig zur bevorstehenden Michaelis-Messe (Beginn Sonn tag, 25. August) in der 33. Auflage neubearbeitete „Offizielle Leipziger Meß-Adreßbuch" erschienen. Der stattliche Band mit besonders für die Messe bearbeitetem Stadtplan, Plänen von den städtischen Meßgebäuden „Handelshof" und „Kaufhaus", umfangreichem An- zeigen-Anhang, Nachtrag usw. in dem bekannten braunen Kleide hat in diesen Tagen wieder die gewohnte Reise zu den Meß-Ein käufern im In- und Auslande angetreten, die auf Grund seiner An gaben nunmehr ihren Arbeitsplan für die kommenden Meßtage euwerfen. Auf der Messe dient das Buch als zuverlässiger Führer durch die Musterlager der 3753 Firmen, die es diesmal aufzählt. Unter diesen Firmen, die das weite Gebiet der keramischen, Glas-, Metall-, Holz-, Papier-, Leder-, Gummi-, Korb-, Kurz-, Galanterie-, Spielwarengeschäfte und verwandter Geschäftszweige umfassen, finden sich beinahe 500, die ihre Muster zum ersten Male auf der <Messe zur Schau stellen. Von der Gesamtzahl entfallen 3462 Firmen auf das Deutsche Reich, 200 auf Oesterreich-Ungarn und 91 auf das übrige Ausland (Frankreich 33, Schweiz 14, Großbritannien 13, Belgien 8, Italien 7, Niederlande 4, Dänemark 2, Rußland 2, Schweden 1, Norwegen 1, Nord-Amerika 5, Asien 1). Das Buch wird vom Meß-Ausschuß der Handelskammer Leipzig vor und während der Messe in bedeutender Anzahl an die Meß-Einkäufer unentgeltlich verbreitet. Auf der Leipziger Messe abgeschlossene Kaufverträge Nachdruck verboten Die an einem Platze bestehenden Handelsbräuche sind, wie das Reichsgericht wiederholt anerkannt hat, für den Abschluß von Geschäften daselbst in erster Linie maßgebend. Jetzt liegt ein neues Gutachten darüber vor, ob mit der Annahme eines nicht unterschriebenen Bestellscheines ein rechtsgültiger Kaufvertrag zustande gekommen ist oder nicht. Das Gutachten der Leipziger Handelskammer, die über diese Frage Erhebungen in ganz Deutsch land und auch im Auslande vorgenommen hat, geht dahin, daß ein gültiger Kauf dann noch nicht vorliege, denn es bestehe ein Handels brauch dahin, daß die Gültigkeit eines auf der Leipziger Messe ab geschlossenen Kaufvertrages stillschweigend abhängig gemacht ‘werde von dem Ausfall der Auskünfte, die über den Besteller erst nachträglich eingezogen werden können. „Der Kauf aufder Leipziger Messe“, so erklärt das Gutachten, „bedarf ebensowenig einer be sonderen Form wie sonst der Kauf im kaufmännischen Leben. Daher ist auch auf der Messe mit der Annahme eines nicht unter schriebenen Bestellscheines oder einer Kopie der Kauf als abge schlossen anzusehen, falls im übrigen die erforderliche Einigung zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Daraus, daß der Angestellte des Beklagten den Bestellschein nicht unterschrieb, können irgendwelche Schlüsse auf einen Vorbehalt nicht herge leitet werden, da, wie die Erörterungen ergeben haben, die frag lichen Bestellscheine auf der Leipziger Messe in der Regel nicht unterschrieben werden. Dagegen ist es bei Geschäften auf der Leipziger Messe Handelsbrauch, Auskünfte über die Kredit würdigkeit oder Zahlungsfähigkeit der Käufer erst nachträglich einzuholen, da dem Verkäufer in Leipzig während der kurzen Zeit der Messe, die sich in der Hauptsache in fünf Tagen abwickelt, so viele Personen aus verschiedenen Ländern gegenübertreten, daß es ihm unmöglich ist, vor Abschluß des Geschäfts Auskünfte ein zuholen. Stillschweigend wird daher der endgültige Geschäfts abschluß von dem Ausfall der Auskünfte abhängig gemacht.“