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)APIER=VERARBEITUNG BUCHGEWERBE .6" Berliner Typographische Gesellschaft Am 11. August wurde das Sommerfest wieder in der Gestalt gefeiert, die nach alter Erfahrung immer noch die meisten Teil nehmer findet: durch gemeinsame Kaffeetafel in einem Garten lokal der Umgegend. Die Erwachsenen und die älteren Kinder hatten zuvor einen Spaziergang in Gruppen durch den Botanischen Garten in Dahlem gemacht und sich an der jetzt voll entwickelten Pracht der Freikulturen ebenso erfreut wie dem belehrenden Teil in den Schauhäusern reges Interesse entgegengebracht. Zwischen 4 und 6 Uhr traf jung und alt im „Lindenpark“ in Lichterfelde zusammen, wo nach der Kaffeetafel Kinder und Erwachsene durch Preisspiele auf Kegelbahn und Schießstand sich unterhielten. Wie hergebracht, wurde bald nach Eintritt der Dunkelheit der vom stimmungsvollen Licht der Papierlaternen erhellte Heimweg an getreten. Das von etwa 120 Personen besuchte, auf den Ton eines einfachen geselligen Beisammenseins gestimmte Fest verlief zur allseitigen Zufriedenheit der Teilnehmer. Vom Schriftenmarkt Von F. Frhr. v. Biedermann Daß die Schrift neben ihrer praktischen Bedeutung als Fixiermittel der Sprache auch eine große volkserzieherische Aufgabe hat, ist ein Gedanke, der erst neuerdings langsam in das allgemeine Bewußtsein Eingang findet. Ein Beweis dafür ist die Veranstaltung einer Ausstellung, welche den heutigen Stand des Schreibunterrichts darstellen soll. Dieses Unternehmen wird sehr interessant werden, namentlich wenn dadurch der Einfluß des modernen Schriftwesens auf die Volksschule er kennbar wird, für die es, was lange verkannt worden ist, große Wichtigkeit hat. Mancherlei Literatur an praktischen Ergeb nissen und theoretischen Erörterungen hat in den letzten Zeiten für die Verbreitung dieser Ansicht gewirkt, wovon wir an dieser Stelle schon mehrfach Notiz genommen haben. Hierzu gehört auch ein lehrreiches, im Verlage von Heintze & Blanckertz er schienenes Schriftchen von Heinrich Grothmann, welches über „Nonnalduktus, natürliche Handschrift und dekorative Schrift” handelt, um damit Anregungen für den Schreibunterricht zu geben. Der Verfasser hat in kürzerer Form seine Gedanken in dem Verein deutscher Zeichenlehrer zum Vortrag gebracht und hoffentlich dort guten Boden gefunden. Die Befreiung des Schreibunterrichts von den Fesseln des Philistertums, aus den Händen von Lehrern, denen entweder überhaupt jede be sondere Schulung, oder jedes künstlerische Verständnis ab geht, ist dringliche Notwendigkeit. Für die vielen, denen andere • Wege verschlossen sind, ist ein künstlerisch geleiteter Schreib unterricht die erste Mög ichkeit künstlerischer Bildung über haupt, da die Kunst einer der mächtigsten Kulturfaktoren ist, den man leider seit bald hundert Jahren durch die Ueber- schätzung der Technik arg vernachlässigt hat. Für diejenigen, welchen die betreffenden Bestrebungen nicht geläufig sind, sind Grothmanns Ausführungen sehr lehrreich und werden hoffent lich von guter Wirkung sein. Praktische Anwendung dieser neuen Grundsätze bietet Ed. Lautenbach in einem Heft, das auf dem hübsch ornamentierten Umschlag den Titel trägt: „Die Schreibkunst, zeitgemäße An regungen zur Pflege der Kunstschrift”. (Kunstschriftverlag von Ed. Lautenbach in Mariendorf bei Berlin, Preis 3 M.) Auf einzelnen Blättern werden verschiedene Schriftarten vorgeführt und dabei zugleich kurze Anweisungen für deren Ausführungen gegeben. Es kommen dabei verschiedene Schreib instrumente in Frage, die von der Firma Heintze & Blanckertz geliefert werden, als: Quell-Lyd, Ato-Feder, Kelenifeder. Steife und kursive Lateinschriften, fette und leichte gotischen Stiles sind in musterhaften Ausführungen vorgeführt und geben einen guten Begriff von den Zielen der neuen Schreibkunst, die auf natürlichen werkmäßigen Grundlagen vorwärts schreitet und glücklicherweise die Verirrungen überwunden hat, die vor einem Jahrzehnt als das Evangelium einer neuen Zeit gepriesen wurde. Der Lernende wird Lauterbachs Tafeln mit Vorteil benutzen und auch ohne Lehrer sich die Hauptsache aneignen können. Die um das Schriftwesen so verdiente Firma Heintze & Blanckertz hat ferner einen Auf satz verbreitet, der den „Werde gang unserer Schrift und die m oderne Schriftfrage” behandelt und den Direktor des Leipziger Buchgewerbemuseums, Herrn Dr. Joh. Schinnerer, zum Verfasser hat. Die Beispiele weisen noch mancherlei Lücken auf, wie z. B. der Einfluß der Franzosen auf die Fraktur und auf die neuere Antiqua ganz übergegangen ist, wie überhaupt von den Schriften der Neuzeit, die doch den Gipfel der „Entwicklung” bilden, gar nicht die Rede ist. Es fehlen daher die Grundlagen für das Schlußwort, mit dem der Verfasser eine Lanze für die Frakturschrift bricht. Die Urteile, welche Schinnerer über die Antiqua fällt und die Ansicht über deren Entwicklungsfähigkeit, fallen daher sehr einseitig aus und ermangeln der wissenschaftlichen Sachlichkeit. Um den Anschein zu vermeiden, als ob eine bestellte Arbeit, d. h. bestellt in bezug auf ihr Ergebnis geliefert sei, hätte der Verfasser etwas gründlicher verfahren sollen. Ich habe an anderer Stelle auch in diesen Blättern mich über diese Frage geäußert und muß darauf verzichten, hier die Anschauungen des Verfassers zu widerlegen, die zu den landläufigen Behauptungen der Fraktur freunde nichts Neues hinzufügen. Recht ansprechend hat die Entwicklung unserer Schrift E. Wetzig in einem Lehrbuche der Buchdruckerlehranstalt in Leipzig behandelt. Das Oktavbändchen trägt den Titel: Aus gewählte Druckschriften in Alphabeten. Nebst einer Einführung über die geschichtliche Entwicklung der Schrift”. Der historische Teil ist knapp und sachlich gehalten und mit einer glücklich getroffenen Auswahl von Nachbildungen ausgestattet. Den ausgewählten modernen Schriften ist je eine Seite gewidmet, wobei die Alphabete in zwei Graden ausgeführt werden. Es sind im ganzen 126 Schriften ausgewählt, davon entfallen 43 auf die verschiedenen Arten der Bruchschriften (gotische, Schwabacher, Kanzlei, Fraktur), 12 auf die vermittelnden neudeutschen Schriften und 71 auf die Antiqua. Ich habe nicht bemerkt, daß der Verfasser in irgendeiner Weise beabsichtigt, die Antiqua vorzuziehen, vielmehr hat sich dieses Ueberwiegen ihres Einflusses von selbst ergeben. Die Herren, welche der Antiqua die Fähigkeit mannigfaltiger Ausdrucksmöglichkeiten absprechen, wie der Verfasser des obengenannten Aufsatzes, werden sich an Hand dieser Beispielsammlung wohl eines Bessern belehren können. Für den Lehrzweck des Buches wäre es nützlich, wenn den einzelnen Beispielen kurze Anmerkungen über Entstehungs zeit und ähnliches zur Aufklärung Dienendes hinzugefügt würde. Es finden sich z. B. unter den Bruchschriften mehrere, deren Ursprung nicht auf die Gießereien, die am Kopfe genannt sind, zurückgeht, die überhaupt nicht in Deutschland entstanden sind. So ist die „holländische Gotisch” ein Produkt von Ensched & Söhne in Haarlem und dort vor ungefähr 200 Jahren nach älterem Vorbild geschnitten worden. Die „Angelsächsisch” ist ein englisches Erzeugnis und wird, wie auch die vorgenannte Schrift von verschiedenen deutschen Gießereien geführt. Es ist meines Erachtens sehr wichtig, diese und ähnliche Zusammen hänge den jungen Leuten, für deren Studium das Büchelchen bestimmt ist, von vornherein klar zu "machen, damit sie nicht mit falschen Begriffen wirtschaften. Das mit viel Sachkenntnis zusammengestellte Bändchen ist auch mit viel Geschmack und ohne Tadel hergestellt und verdient somit nach jeder Richtung vollste Anerkennung. Die Veröffentlichung des Vereins Leipziger Buchdruckereibesitzer werden sich wohl auch andere Vereine zugunsten ihrer Lehrlinge zunutze machen. Kommen wir nun zu den neuen Erzeugnissen der Gießereien, so bieten die seit meinem letzten Bericht eingegangenen Muster wieder reiche Gelegenheit zu Beurteilung einer nimmer rastenden Tätigkeit. Zunächst sei einiger Sammelhefte gedacht, die neben neuen Erzeugnissen einige ältere wieder in Erinnerung bringen. Eine neue Gesamtprobe gibt die Firma Benjamin Krebs Nach/, in Frankfurt a. M., die nach der schönen Quartprobe von 1907 verhältnismäßig bald gefolgt ist, da manche Gießereien mehr als Jahrzehnte vergehen lassen, ehe sie sich zur Heraus gabe eines solchen Musterbuches entschließen, dessen Herstellung