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DAPIER-VERARBEITU NG • BUCHGEWERBE [N." Berliner Typographische Gesellschaft' Die Sitzung vom 9. Juli, die letzte vor den Sommerferien, war von 68 Mitgliedern und 2 Gästen besucht; sie war in der Haupt sache der Berichterstattung über die Studienreise von Mitgliedern der Gesellschaft nach Wien und Budapest gewidmet. Vor dem Ein tritt in die Tagesordnung teilte der Vorsitzende Herr Könitzer mit, daß er von dem Direktor der internationalen graphischen Aus stellung in Leipzig 1914 eingeladen sei, in den Gesamtausschuß für die Ausstellung einzutreten, und daß er im Interesse der Gesell schaft in zustimmendem Sinne geantwortet habe. Ausgestellt waren im Versammlungsraum: 46 Tafeln Diplome und Adressen, die der Deutsche Buchgewerbe-Verein in Leipzig für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte, ferner Fachschul arbeiten aus Leipzig, Hannover und Zittau, sowie von der Studien reise mitgebrachte Drucksachen aus Wien und Budapest und ferner die unserem Mitglied Herrn Georg Wagner von dem Verein der Faktoren in Budapest aus Anlaß der Ernennung zum Ehrenmitglied gestiftete Mappe mit dem bezüglichen kunstvoll ausgestatteten Diplom. An Eingängen waren zu verzeichnen: von der Schriftgießerei Julius Klinkhardt in Leipzig Probenhefte der Stigma-Ornamente, der Neudeutschen Ornamente, der Akzidenz- und Werkschrift ,.Austria", der „Delitzsch-Antiqua" und Heft 5 des zweiten Bandes der Mitteilungen und Neuheiten für das graphische Gewerbe unter dem Titel „Der Schriftgießer"; Prospekte zu dem von Rudolf von Larisch herausgegebenen Werke „Unterricht in ornamentaler Schrift" ; Nummer III der Mitteilungen des Verbandes der Deutschen Typo graphischen Gesellschaften, in der neue unmotivierte Angriffe gegen die Berliner Typographische Gesellschaft und gegen deren Vor sitzende gerichtet werden; von der Neuen Photographischen Gesell schaft Heft 3 der Zeitschrift „Das Bild“; vom Verlag des Guck kasten Heft 20 dieser illustrierten Zeitschrift. Der Vorsitzende macht auf das Preisausschreiben zum 50. Stiftungsfest des Vereins Berliner Buchdrucker und Schriftgießer aufmerksam und fordert die dem Verbände angehörenden Mitglieder zu reger Beteiligung daran auf. Weiter weist er darauf hin, daß am 17. Juli in einer Versammlung des Gauvereins des Verbandes der Vorsitzende des Verbandes der D. T. G., Herr Dressler aus Leipzig, einen Vortrag über diesen Verband halten werde, damit die Berliner Gehilfen schaft von Leipzig aus darüber aufgeklärt werde, was die in Berlin ansässigen Gründer dieses Verbandes vor 8 Jahren damit bezweckt haben. Zur Mitgliedschaft angemeldet wurden die Herren Richard Lüders im Hause Emst Morgenstern, W 57, Dennewitzstr. 19, und Richard Ney, Besitzer einer Walzenguß-Anstalt und Vertreter der Farben fabrik Carl Schünemann, in Eberswalde, Friedrichstr. 5; als neues Mitglied bekanntgegeben wurde Herr Rudolf Paech (Abteilungs leiter .bei Dr. Selle & Co.) in Neukölln, Emser Str. 122-123. Hierauf berichtete Herr Könitzer über diel " Studienreise nach Wien und Budapest wobei er sich auf die der Technik gewidmeten Besichtigungen be schränkte. In Wien fand zunächst ein Besuch der k. k. Hof- und Staats druckerei statt. Die Reisenden wurden von dem Direktor dieses durch seine hervorragenden graphischen Leistungen bekannten Instituts, Herrn Hofrat Ganglbauer, persönlich begrüßt in dem im alten Gebäude belegenen Empfangsraum, in dem u. a. eine An zahl Druckmaschinenmodelle die Entwicklung der Drucktechnik veranschaulichen. Dann wurden von dem Oberingenieur Herrn Ritter von Schrott die Herren vorgestellt, die die Führung in einzelnen Gruppen übernahmen. Zunächst ging der Weg durch die praktischen und hygienischen Anforderungen entsprechenden Garderoben- und Baderäume und führte in die Druckersäle für Rotations- und Flach druck. Für den Druck großer Auflagen von Formularen werden vorzugsweise variable Rotationsmaschinen benutzt, im übrigen aber die Handarbeit noch bevorzugt, indem in den besuchten Räumen weder Bogenschieber noch automatische Anlegeapparate zu sehen waren; der Widerdruck wird deshalb noch vielfach punktiert. Ab weichend von unseren Gepflogenheiten werden hier die Achtungs signale durch Hupenzeichen gegeben. Die Setzer arbeiten in großen, gut beleuchteten Sälen; das Schriftsystem ist eigenes; nur ver einzelte Neuheiten sind auf Normalsystem gegossen. Hier konnten wir die Bekanntschaft des Herm Heilmeiers,Verfasser des bekannten Werkes über die Satztechnik und des aus Stuttgart hierher über gesiedelten Herrn Gründig machen bzw. erneuern. Einen ungeheuren Umfang zeigten das Plattenlager und die Vorratsmagazine, weil man alles, was eine weitere Verwendung erwarten läßt, aufbewahrt. Der benachbarte Neubau dient den Zwecken der Reproduktions technik, dem Stein-, Licht- und Kupferdruck; hier werden — viel- uGausässeet fach durch Anwendung mehrerer Verfahren — hervorragende Leistungen erzielt; auch der farbige Kupferdruck wird hier mit besonderer Sorgfalt gepflegt. Am Nachmittag wurde die k. k. photochemigraphische Hof- kunstanstalt C. Angerer & Göschl besichtigt, die nahezu 300 An gestellte beschäftigt und als das größte derartige Institut der Welt anzusehen ist. Die Herren Kaiserlicher Rat Angerer und Direktor Dietz übernahmen hier die Führung durch die sich über einen großen Komplex nur wenig in die Höhe ragender Baulichkeiten erstrecken den Ateliers und Arbeitsräume. Es sind allein 7 für die verschiedenen Spezialzwecke besonders eingerichtete photographische Ateliers vorhanden. Eine besondere Spezialität ist die in großem Umfange betriebene Herstellung von Fettumdrucken für Steindruckereien, die damit ganz vorzügliche, viel Arbeit ersparende Konturplatten erhalten. Eine bisher noch nicht erreichte Riesenleistung ist das (im Versammlungsraum ausgestellt gewesene) Landschaftsbild im Umfange von 12 000 qcm, die größte bisher mögliche Autotypie, die dadurch erreicht wurde, daß die Gelatinehäutchen an hierzu geeigneten Stellen so geschickt zusammengesetzt wurden, daß man unter Zuhilfenahme einiger Retusche von dieser Teilarbeit auf dem Bilde nichts wahrnimmt. Einige der technisch vollkommensten Glanzleistungen der Firma konnten in dem Empfangsraum bewundert werden. Ein weiterer Besuch galt der k. k. Hof-Schriftgießerei Poppelbaum, die für die Herstellung der Schriften wie auch der Messinglinien modern eingerichtet ist. Als ein Musterinstitut in bezug auf technische wie auch hy gienische Einrichtungen kann die Buchdruckerei der Wiener Ar beiterzeitung „Vorwärts" bezeichnet werden, die vor einigen Jahren neu errichtet wurde. Die Rotationsmaschinenräume haben eine Höhe von nahezu 8 m, die sämtlichen Wände sind mit Emaille anstrich versehen; alle modernen technischen Hilfsmittel sind vor handen, die Umbrechtische für die Zeitung sind mit Marmorplatten belegt, die unfallsichere Falkepresse mit einer Stundenleistung von 3500 Druck ist in einigen Exemplaren vertreten. Hier wurden den Besuchern, die den Betrieb unter Führung des Direktors besichtigten, mit einer Frontansicht des Geschäftshauses künstlerisch gezeichnete Ansichtskarten überreicht. Am folgenden Tage wurde zunächst die im Jahre 1888 als Versuchsanstalt für Reproduktionstechnik und Photographie begründete, unter der Leitung des Herrn Hofrat Dr. Eder stehende k. k. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt besucht. Dieses umfangreiche, auf der Höhe der Technik stehende Institut besteht aus drei Abteilungen: die Lehranstalt für Photo graphie und Reproduktionstechnik, die Lehranstalt für Buch- und Illustrationsgewerbe und die Versuchsanstalt für Photochemie und graphische Druckverfahren. Die Führung und Erläuterung dieser eigenartigen Bildungsstätte, die in Deutschland ihres gleichen leider nicht besitzt, übernahmen die Herren Professoren Albert, Keßler und Unger, der bekannte Verfasser des schönen Werkes über die Drucktechnik. Neben diesen drei Herren sind noch 34 hervorragende Fachmänner an der Anstalt als Lehrer tätig; zu ihnen gehört auch der auf dem Gebiete des modernen Schriftwesens reformierend wirkende Regierungsrat Herr v. Larisch. Ein weiterer Besuch galt der Wiener gewerblichen Zentralfortbildungsschule, deren äußere Einrichtung, innere Organisation und Vielgestaltigkeit überwältigend auf die Besucher wirkte. In diesem Riesenbau sind die sämtlichen Fort bildungsschulen aller Gewerbe, die städtischen sowohl wie die von Korporationen (z. B. die unter Leitung des Herrn Regierungsrat Fritz stehende Buchdruckerfachschule des Gremiums der Prinzipale) unterhaltenen Fortbildungsschulen untergebracht, und es stehen ihnen geräumige, mit allen Hilfsmitteln der Technik ausgestattete Uebungswerkstätten zur Verfügung. Die Herren Holczabek, der Direktor der Buchdruckerschule, einige Lehrer und Herr Ober direktor Schiffer bemühten sich in dankenswerter Weise, die Ein richtungen der Schule eingehend zu erläutern. Die Schulverwaltung erfaßt die Schüler zugleich als Menschen, deren leibliches Wohl ihr ebenso am Herzen liegt wie die fachliche Ausbildung. Den Schluß der Besichtigungen in Wien bildete der Besuch der „Wiener Werk stätte", eines künstlerisch geleiteten gewerblichen Unternehmens, das Aufträge für alle Gewerbe ausführt, und zwar in Handarbeit und mit einer persönlichen Note, gleichviel ob es sich um Bauaus führungen, Innendekoration, Edelmetallbearbeitung, Stoffe, Porzellan waren, graphische Erzeugnisse usw. handelt. — In Budapest wurde zuerst die „Athenaeum"-Druckerei A.-G. besucht, wo die Besucher von Herm Generaldirektor Schwarz, dem Präsidenten des Gremiums der Prinzipale, empfangen und geführt wurden. Die Druckerei pflegt alle graphischen Verfahren mit Ausschluß der Reproduktions technik. Es werden — in Rücksicht auf lokale Verhältnisse neben Rotationsmaschinen für Buch- und Steindruck Flachdruckmaschinen in Riesenformaten bevorzugt, die für den Druck der großen Auf-