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Nr. 56/1912 PAPIER-ZEITUNG 2023 Lobrede auf Nicolas-Louis Robert, den Erfinder der Papiermaschine gehalten von Herrn Putois am 9. Juni bei der Enthüllung des dem Erfinder in Vernouillet errichteten Denkmals „Mein Freund Henri Chauvin, Vorsitzender des Vereins französischer Papierfabrikanten, hat mich damit betraut, die Lobrede auf Robert, den Erfinder der Papiermaschine, an läßlich der Enthüllung des Denkmals zu halten, welches wir der Anregung der Gemeindebehörde der Stadt Vernouillet ver danken. Ich fühlte mich durchaus nicht berufen, bei dieser Ge legenheit zu sprechen. Die Gründe, die unsern Vorsitzenden veranlaßt haben, mir diese schwierige Aufgabe anzuvertrauen, sind mehr rückblickender Art. Er erwähnte, ich habe bei ver schiedenen Anlässen das Gedächtnis Roberts wachgerufen und unsere Fachgenossen zur Unterstützung seiner Hinterbliebenen angeregt, auch dafür gewirkt, daß die Fachverbände zur Er richtung des heute enthüllten Denkmals beitrugen. Ich möchte nicht, daß meine Zuhörer glauben, wir hätten bis zum heutigen Tage gewartet, um Robert zu verherrlichen. In Anbetracht der Dienste, die er unserm Gewerbe geleistet hat, haben wir uns vielmehr an allen Sammlungen beteiligt, welche zur Unterstützung seiner Nachkommen veranstaltet wurden. So sammelte im Jahre 1857 auf Anregung von Gabriel Planche, Direktor der Papierfabrik von Didot in Saint-Roch, die von Louis Piette geleitete Zeitschrift der Papierfabrikanten Geld, um der Tochter Roberts, Fräulein Marie-Eugnie, die ihr Leben dem Unterricht der Kinder Ihres Ortes gewidmet hat, einen ruhigen und stillen Lebensabend zu sichern. Die gesammelte Summe wurde zu einer Leibrente für sie verwendet, die ihr von Herrn Alfred Firmin-Didot bis zu ihrem Ableben gezahlt wurde. Im Jahre 1897 erfuhren wir, daß eine Enkelin Roberts in tiefster Not lebte. Mit Hilfe des damaligen Handelsministers Herrn Boucher und unserer Fach verbände sammelten wir in kurzer Zeit die nötige Summe, um dieser armen Frau eine Leibrente bis an ihr Lebensende zu sichern. In Jahre 1900 ehrte die Klasse 88 der damaligen Pariser Weltausstellung das Andenken Roberts, indem sie unter Mithilfe der Maschinenfabrik von Allimand seine erste Papiermaschine wieder herstellte. Diese war ein Haupt stück der Rückschauenden Ausstellung. Sie zeigte die Grund lage der Erfindung, die Anwendung des endlosen Siebes, um eine Papierrolle zu erhalten. Welcher Weg wurde seitdem durch schritten, wie viele Veränderungen an dieser Maschine vor genommen, und doch verdanken wir diesem wunderbaren Werkzeug, das uns heute so unbeholfen erscheint, den Auf schwung, den die Papierfabrikation genommen hat. Im Jahre 1873 veröffentlichte J. Breville ein Lebensbild von Nicolas-Louis Robert. Aus dieser Beschreibung und aus den Briefen des Erfinders schöpfen wir unsere Kenntnis von seinem Lebensgang. Dort haben auch die französischen und auslän dischen Fachzeitschriften geschöpft, als sie über Robert schrieben, und die heute vom Bürgermeister von Vernouillet veröffentlichte Lebensbeschreibung faßt die Ergebnisse der erwähnten Druck schrift zusammen. Auch ich halte mich daran. Im Jahre 1900 ließ Herr Firmin-Didot eine Flugschrift erscheinen unter dem Titel „Le Centenaire de la machine ä papier” (Hundert Jahre Papiermaschine). Der Verfasser ließ dem Erfinder volle Gerech tigkeit angedeihen, stellte aber die wesentliche Mitarbeit von Saint-Leger Didot an der Erfindung fest. Robert wurde am 2. Dezember 1761 in Paris, rue Neuve- Saint-Eustache, geboren. Als Mitglied einer wohlhabenden Familie ging er zu den Minoriten in die Schule. Nach Erinne rungen seiner Angehörigen — so sagt J. Breville — war er ein ruhiger und lernbegieriger Junge, den seine Genossen wegen dieser Neigungen den „Philosophen” nannten. Körperlich war er ziemlich schwach, aber seine Seele war glutvoll, stolz und sehr eindrucksfähig. Als die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten erklärt wurde, flüchtete der junge Robert, dessen Einbildungs kraft wohl durch irgend welche Berichte entzündet war, nach Nevers, und suchte sich in die Königliche Armee einreihen zu lassen. Seine Jugend, er war erst 15 Jahre alt, und sein zarter Körperbau hatten zur Folge, daß er zurückgewiesen wurde. Er kam zu seinen Eltern nach Paris zurück und wurde nach Beendigung seiner Studien Schreiber bei einem Notar in der Straße Saint-Louis au Marais. Roberts Ehrgeiz, der nach Ruhm, Reisen und Entdeckung begierig war, ließ ihn nicht lange beim Notar verweilen. Seine Eltern, die inzwischen ihr Vermögen verloren hatten, willigten endlich darein, daß er Soldat wurde. Am 23. April 1780 wurde er in ein Artillerie-Regiment aufge nommen und kam nach Calais in Garnison. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg war damals in vollem Zuge. Freisinnige Gedanken begeisterten alle Welt, und Robert mit seinem leb haften Charakter war nicht der Letzte der Freiheits-Eiferer. 15 Monate nach seinem Eintritt in die Armee wurde er auf seinen Wunsch einer Abteilung zugesellt, die nach Amerika entsandt wurde. Zahlreiche Zeugnisse beweisen, daß er dort tapfer kämpfte, aber die Rauhheit des militärischen Lebens und die geringe Aussicht auf Vorwärtskommen, die damals einfachen Soldaten winkte, veranlaßten wohl unsern Helden, seinen Abschied zu nehmen, und bald darauf, im Jahr II der Republik (1794) finden wir ihn in Paris als Korrektor in der Druckerei von Pierre Fran- ois Didot, der außerdem Buchhändler und Papierfabrikant war. Didot mußte wohl die Fähigkeit seines Mitarbeiters bald erkannt haben, denn kurz nach seinem Eintritt riet er seinem Sohn Saint-Leger Didot, dem er die Papierfabrik überlassen hatte, die Buchführung in dieser Fabrik Robert zu übertragen. Die noch vorhandene Urkunde vom 21. Brumaire im Jahre III der Republik bekundet, daß an diesem Tage Nicolas-Louis Robert, Kassierer der Papierfabrik in Essonnes, wohnhaft in Corbeil, sich mit der Bürgerin Charlotte Routier verheiratet hat. Die Ehe gehörte zu den glücklichsten, und Roberts erstgeborene Tochter wurde von Herrn und Frau Didot über die Taufe ge halten. Diese Tochter Marie-Eugenie, war später viele Jahre Lehrerin in Dreux und Vernouillet. Robert war ein unterrichteter Mann und hatte besonders gediegene mathematische Kenntnisse. Es dauerte nicht lange, bis in ihm der Wunsch erwachte, seine besonderen Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. Man machte damals in Essonnes das Papier, auf welches die Assignate, das damalige Papiergeld, gedruckt wurden, und die Ungebärdigkeit der Arbeiter ver ursachte oft ernste Betriebsstörungen. Die Schwierigkeit, 300 Arbeiter zu überwachen, veranlaßte Robert, nach mechanischen Hilfsmitteln zum Ersatz der Handarbeit des Papierschöpfens zu suchen. Er teilte seine Gedanken darüber seinem Geschäfts herrn mit, dieser lachte aber darüber und schalt ihn einen Phan tasten. Auf unermüdliches Drängen'Roberts erlaubte er diesem jedoch, in den Werkstätten die nötigen Stoffe für die Ausführung