Volltext Seite (XML)
1888 PAPIER-ZEITUNG Nr. 52/1912 nutzbar gemachten Staßfurter Kalisalzlager, dessen Produkten noch eine entsprechende Menge von Phosphaten beigefügt wurde, zu ersetzen. Der Erfolg dieses Experimentes, welches namentlich auch durch die seinerzeit von Rimpau in Cunrau eingeführten Damm kulturen wesentlich gefördert wurde, hat zur Bildung des im Jahre 1869 auf meine Anregung gegründeten „Norddeutschen Vereins zur Beseitigung des Höhenrauchs“ und im Anschluß daran zur Errichtung der Moorversuchsstation in Bremen geführt. Gegenüber den raschen und sicheren Fortschritten, welche die landwirtschaftliche Ausnutzung der Oberfläche der Moore auf dem so erschlossenen Wege machte, blieben wir aber mit der Verwertung des den Mooren eigentümlichen, technisch wichtigste» Bestandteiles, also der Torfsubstanz, den Holländern gegenüber noch im Rück stand. Dies lag auch an dem billigeren Preise, zu welchem Stein kohlen bei uns erhältlich sind. Alle Versuche, den Torf durch me chanische und chemische Operationen, wie künstliche Trocknung, Pressung usw., gegenüber der Steinkohle ebenso konkurrenzfähig zu machen, wie dies bei der Braunkohle mit gutem Erfolge geschehen ist, scheiterten an dem hohen Wassergehalt, wie an dem großen Volumen des Rohtorfes. Denn die in den Mooren ruhende Torf masse besteht aus 88 bis 90 v. H. Wasser und nur 10 bis 12 v. H. Trockensubstanz, und wenn nun auch diese Trockensubstanz einen bester Braunkohle gleichkommenden Effekt bis zu 6000 WE zeigt, so macht die noch durch die eigentümliche physikalische Bindung erschwerte Beseitigung des hohen Wassergehaltes jede weitere Aus dehnung des Torfkonsums in der Ferne unmöglich. Dabei stellen unsere Moore in dem dort lagernden Torf Energiemagazine von großer Bedeutung dar. Bei einer durchschnittlichen Mächtigkeit der nordwestdeutschen Hochmoore von 3 m liefert 1 ha 30 000 cbm frischen Torf, von welchem bei 90 v. H. Wassergehalt also mindestens 3000 t trockene Torf masse mit einem Heizwert von 5000 bis 6000 WE übrig bleiben. Da wir nun aus dem Fehnbetrieb der Holländer ersehen, daß sich auch die abgetorften Gebiete für die landwirtschaftliche Kultur nicht nur ebensogut, sondern sogar meist noch besser eignen als die mit Moor bedeckten Flächen, so ist es ohne weiteres klar, welche Wich tigkeit die Erschließung der hier ruhenden Kräfte hat, und nachdem die agrikultürchemischen Fragen gelöst waren, wandte ich deshalb meine Studien dieser Aufgabe zu. Mit der Entwicklung der elektrischen und elektrochemischen Industrie machte sich Bedarf nach großen und billigen Kraftquellen geltend. Da in dem norddeutschen Tief lande die von der elektrischen Industrie benötigten großen Wasserkräfte nicht vorhanden sind, schien mir die Zeit gekommen, nunmehr die Ausbeutung der in den Mooren aufgestapelten Energie aufs neue anzuregen. Auf Grund meiner früheren Vorarbeiten habe ich im Jahre 1897 bei der Zentral- Moor-Kommission die Anlage eines großen Elektrizitätswerkes in den Emsmooren angeregt, welches zur Gewinnung des damals das allgemeine Interesse erregenden Kalziumkarbides Verwendung finden sollte. Obgleich damals schon die Entwicklung der Großgasmaschine begonnen hatte, nahm ich für die auf 10 000 Jahrespferdekräfte berechnete Kraftanlage der Sicherheit halber Dampfmaschinen- betrieb an, bei welchem ich freilich zu einem Jahresbedarf von 200 000 Tonnen trockenen Torfes kam. Gegen dieses Projekt wurde mit Recht das Bedenken erhoben, daß die Beschaffung so großer Mengen von trockenem Torf in den verhältnismäßig schwach bevölkerten Gebieten schon wegen Mangels an Arbeitskräften auf größte Schwie rigkeiten stoßen würde. Da ich die Berechtigung dieses Einwandes anerkennen mußte, wandte ich mich dem Studium des inzwischen von dem deutschen Chemiker Ludwig Mond in London für gering wertige Brennstoffe vervollkommneten Generatorbetriebes zu, durch welchen überdies der Vorteil geboten wurde, den in den Brennmateria lien enthaltenen Stickstoff zum größten Teil in Form von schwefel- saurem Ammoniak als wertvolles Nebenprodukt zu gewinnen. Die hierauf gerichteten Untersuchungen wurden wesentlich von meinem Mitarbeiter, Herrn Dr. N. Caro, geführt und gefördert. Eine unter der Leitung des Herrn Kommerzienrats Wahlen in Köln stehende Gruppe rheinischer Industrieller und Großkapitalisten gründete auf Grund der von Dr. Caro gewonnenen Ergebnisse die Deutsche Mondgasgesellschaft, welche im Anschluß an die Zedhe Mont Cenis in Sodingen in Westfalen unter Aufwendung bedeutender Mittel eine ausgedehnte Versuchsanlage errichtete, in welcher die Vergasung der verschiedensten Brennstoffe im großen technischen Maßstabe durchgeführt wurde. In Sodingen wurde auch die Ver gasung von Torf verschiedener Zusammensetzung ausgeführt und hierbei festgestellt, daß nicht allein der schon früher für Generator betrieb benutzte trockene Torf, sondern auch ein Torf mit 50 bis 55 v. H. Wassergehalt, dessen Massengewinnuug auch bei unseren klimatischen Verhältnissen wenig Schwierigkeiten bietet, mit bestem Erfolg für Herstellung von Kraftgas verwendet werden konnte. Technisch und kommerziell ebenso wichtig war aber auch das andere Versuchsergebnis, daß von dem Stickstoffgehalt des Torfes rund 70 v. H. in Form von schwefelsaurem Ammoniak aus den Schwel gasen erhältlich war. Die Sodinger Arbeiten, welche zeigten, daß 1. aus nasser, bis zu 50 v. H. Wasser haltender Torfmasse ein brauchbares und im Großgasmaschinenbetrieb dort • erprobtes Kraftgas zu erzielen und 2. eine Verwertung des Stickstoffgehaltes des Torfes in sehr lohnender Weise zu ermöglichen wäre, schufen für die Moorverwertung eine neue und sichere Grundlage. Die Zusammensetzung des gewonnenen Kraftgases stellte sich im Mittel auf 17,4 —18,8 Vol.-v.-H. Kohlensäure, 9,4 — 11 ,, Kohlenoxyd, 22,4—25,6 ,, Wasserstoff, 2,4— 3,6 ,, Methan, 42,6 — 46,6 ,, Stickstoff, und nur Spuren von Sauerstoff. Mithin betrug der Heizwert im cbm durchschnittlich 1400 WE. und Versuche ergaben, daß für die effektive Pferdekraft 2,4 cbm des Gases erforderlich waren. An schwefelsaurem Ammoniak lieferten die in Sodingen vergasten Torfe, welche durchschnittlich 1,15 v. H. Stickstoff enthielten, bis zu 40 kg auf die Tonne trockenen Torfes. Nun schritten wir zu der großindustriellen Ausnutzung des Ver fahrens, dem auch die Staatsbehörden großes Wohlwollen entgegen brachten. Es bildete sich unter Führung des vor kurzem verstorbenen. Geheimrats J. Loewe in Berlin und unter Beteiligung großer in dustrieller und Bankfirmen die „Hannoversche Kolonisations- und Moorverwertungsgesellschaft'' in Osnabrück, welche neben aus gedehnten Moorflächen bei Papenburg einen 1000 ha großen Teil des Schweger Moores bei Osnabrück erwarb und dort im Jahre 1910 die Errichtung, eines zunächst für die Leistung von 3000 PS be stimmten Kraftgas- und Elektrizitätswerkes in Angriff nahm, welches. Mitte Juli 1911 zum ersten Mal mit einer der drei Gasmaschinen zu 1000 PS in Betrieb gesetzt wurde und bei weiterer Entwicklung des Vollbetriebes mit sämtlichen Generatoren und den zugehörigen drei Kraftgasmaschinen bis jetzt allen Forderungen und Erwartungen entsprochen hat und elektrischen Strom sowohl an die Stadt Osna brück, wie an die umgebenden Kreise liefert. Für je 1000 PS-Jahre zu 8000 PS-Std. rechnen wir bei mäßigster effektiver Nutzleistung von 650—700 PS-Std. auf die Tonne trockenen Torfes einen Brennmaterialverbrauch, der die Abtorfung von 4 ha Moor mit 3 m Mächtigkeit erfordert. Bei der zunächst für 3000 PS gemachten Anlage auf dem Schweger Moor und deren voller Aus nutzung würden also in jedem Jahre 12 ha Moor abgetorft, der Unter grund für die „Verfehnung" nach holländischer Art frei gemacht und die so gewonnenen Ackerflächen an Kolonisten abgegeben werden, so daß unsere Gesellschaft binnen wenigen Jahren imstande sein wird, nicht nur ihre Arbeiter in der Nähe des Werkes anzusiedeln und mit ausreichenden Flächen für den Betrieb einer Kleinwirtschaft zu versorgen, sondern auch im Verlauf der Zeit die weiter frei werden den Gebiete an andere Kolonisten abzugeben, die sich in der Nähe- der Kraftstation wie des bereits im vollen Ausbau begriffenen Rhein- Hannover-Kanals sicher ansiedeln und für dort neu begründete Industrieanlagen einen Stamm ortsangesessener und bodenbestän diger Arbeiter bilden werden. Rasche Entwicklung der Industrie ist aber um so sicherer vorauszusehen, als auf den weiten Moor- und Heideflächen viele Hemmnisse, welche sich neben hohem Preise von Grund und Boden der Neuanlage großer chemischer und metallurgischer Betriebe in der Nähe von Städten entgegenstellen, für lange Zeit noch nicht zu befürchten sind. Dazu kommt die günstige Lage der nordwest deutschen Moore zur See und zu den großen Hafenplätzen, durch welche bei wohlfeilen Kraftquellen Einführung und Veredelung der eingeführten Rohprodukte wesentlich erleichtert wird. Die vielen Millionen deutschen Kapitals, welche jetzt nach den Ländern, mit großen billigen Wasserkräften, wie Norwegen, Schweiz, Italien, usw., für Errichtung elektrischer Anlagen auswandern, werden in Deutschland selbst lohnende Unterkunft finden, und die jetzt men schenleeren und ertraglosen Moorgebiete werden sich durch die Ver bindung von Technik und Landwirtschaft zu gesuchten Stätten der inneren Kolonisation umgestalten. Neuestens hat Professor Tacke, der Leiter der Bremer Moor- Versuchsstation die erfolgreichen Versuche zwecks Umwandlung der Hochmoorflächen in nahrhafte Viehweiden gemacht, und unsere Hannoversche Kolonisations- und Moorverwertungsgesellschaft zu Osnabrück strebt diese Form der Ausnutzung ihrer ausgedehnten Moorflächen an, welche für die Torfgewinnung nicht rasch heran gezogen werden. Nachtrag Die Torfgas-Kraftanlage und das Elektrizitätswerk auf dem» Schweger Moor, über welche vorstehend berichtet wurde, hat am 2. Oktober 1911 den regelmäßigen Betrieb aufgenommen. Es wurden an die 30 km entfernte Stadt Osnabrück schon im Oktober 286 046 und im November 428 870 KW-Stunden geliefert und ebenso von schwefelsaurem Ammoniak bereits größere Mengen hergestellt. Infolge der rasch zunehmenden Anträge und Abschlüsse für Abgabe großer Mengen von elektrischer Kraft, u. a. auch für eine Papier fabrik und eine Zementfabrik ist dann im Laufe des Winters die Lieferung einer vierten Großgasmaschine von 1000 Pferdekraft leistung in Auftrag gegeben, so daß auch hierdurch der Beweis- geliefert wird, daß sich die an das Verfahren geknüpften Erwartungen, erfüllen werden. Charlottenburg, im Frühjahr 1912 Professor Dr. AdolphJFranh- Geheimer Regierungsrat H