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WDAPIER-VERARBEITUNG M Bu CH G EWERBE Vorträge, über „Berufsgenossenschaft und Unfallverhütung“ In den letzten Tagen hat der Aufsichtsbeamte der Deutschen Buchdrucker-Berufsgenossenschaft, Herr Ober-Ingenieur Rothe in Berlin, mehrere Vorträge über das angeführte Thema gehalten, und zwar zunächst im großen Saale des Papierhauses vor etwa 250 Mitgliedern des Berliner Maschinenmeister-Vereins. Der Vor tragende schilderte zunächst die rechtlichen Verhältnisse beim Eintritt eines Betriebsunfalles vor dem Erlaß des Haftpflichtgesetzes, unter denen der Arbeiter keinen Anspruch auf irgend eine Ent schädigung für den durch einen erlittenen Unfall verursachten Schaden an seiner Erwerbsfähigkeit besaß. Dann wurden die wichtigsten Bestimmungen des. am 6. Juli 1884 erlassenen und im Jahre 19Q0 abgeänderten Gfewerbe-Unfallversicherungsgesetzes er läutert und an einer graphischen Darstellung gezeigt, welche Summen von den Arbeitgebern für die Unfallversicherung seit dem Bestehen derselben geleistet wurden, und welchen Segen die ganze soziale Gesetzgebung im Laufe von 25 Jahren gestiftet hat. Im zweiten Teil seines Themas behandelte der Vortragende zunächst die all gemeinen Vorschriften über Einrichtung der Betriebe und das Ver halten der Arbeitnehmer zur Verhütung von Unfällen. Sodann wurden die hauptsächlichsten und wichtigsten Schutzvorrichtungen an Schnellpressen, Tiegeldruckpressen, Schneidemaschinen und Rotationsmaschinen an Hand zahlreicher für diesen Zweck be sonders hergestellter Lichtbilder eingehend besprochen. Die Un- fallgefahren an Tiegeldruckpressen wurden in der Weise veran schaulicht, daß an mehreren Bildern gezeigt wurde, wie sowohl die zu niedrige Stellung einer Tiegeldruckpresse wie die ungenügende Abschützung oder die Benutzung vonTritten Veranlassung zu Unfällen geben können. Bei den Schnellpressen führte der Vortragende an, daß die Unfälle, die durch das verbotene Berühren von Form und Walzen, solange die Maschine in Bewegung ist, verursacht werden, an Unfallentschädigungen allein jährlich 60 000 M. beanspruchen, und daß weitere 40 000 M. für solche Unfälle aufgewendet werden müssen, die durch das Hineingreifen in die Maschine zum Abfangen von Druckbogen zwischen Zylinder und Bandrolle herbeigeführt werden. In bezug auf die Rotationsmaschinen wurde mitgeteilt, daß seit /Einführung der Schutzstangen an den Papiereinführungs stellen die bei dieser Arbeitsverrichtung früher so häufig vorge kommenen Unfälle vermieden worden seien. Redner wies darauf hin, daß an den Rotationsmaschinen, wie im Maschinenbetrieb überhaupt, die Unterhaltung der Arbeiter untereinander, wie auch das unvermittelte Anreden der Arbeiter durch Vorgesetzte zur Ver meidung von Unfällen unterbleiben müsse und betonte ganz L sonders, daß viele Unfälle vermieden werden könnten, wenn die an Maschinen beschäftigten Personen sich klar darüber wären, daß die Schutzvorrichtungen lediglich für sie selbst geschaffen seien, und wenn sie die Schutzvorrichtungen nicht, wie das leider häufig geschähe, als ihren Feind betrachteten. Sehr wichtig sei es auch, daß der Verkehr zwischen den Maschinen frei gehalten werde und in der Nähe der Maschinen nichts am Fußboden herumliege. Ein weiteres Kapitel des Vortrages befaßte sich mit den Transmissionen und den. Antriebsmotoren. Es wurden unfallsichere Vorrichtunge zum Auflegen der Riemen und im weiteren gezeigt, wie die Anlasser für elektrische Motoren und die Einrückehebel für Arbeitsmaschinen beschaffen sein müssen, um nicht zu Unfällen Veranlassung zu geben. Zum Antrieb von Gasmotoren wurden besondere Andrehkurbeln im Bilde gezeigt und erläutert. Als ein wichtiges Gebot führte dei Vortragende an, daß beim Anlassen von Maschinen das übliche Wort „Achtung“ nicht etwa, wie das leider öfter beobachtet werde, zugleich mit dem Anstellen selbst ausgerufen werde, denn dann findet eine an der Maschine beschäftigte Person nicht mehr Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Den letzten Teil der Vorführung bildeten die Abbildungen einiger Schneidemaschinen; hierbei konnte der Vortragende bemerken, daß neuerdings Unfälle am Messer träger fast gar nicht mehr vorkommen, und daß die neueren Ma schinen schon so unfallsicher gebaut sind, daß sie einer Schutz vorrichtung nicht bedürfen. Am Schlüsse seiner Ausführungen forderte der Vortragende seine Hörer im eigenen Interesse auf, wie im Interesse ihrer Mitarbeiter, der Unfallverhütung die größte Aufmerksamkeit zu schenken und dadurch zur Vermeidung von Unfällen beizutragen. Die Anwesenden zollten Herrn Rothe leb haften Beifall, und der Vorsitzende ersuchte ihn, den gleichen Vortrag auch einer größeren Anzahl von Maschinenmeistern zu halten. - Im Berliner Faktoren-Verein sprach Herr Rothe einige Tage später vor einer ebenfalls zahlreichen Versammlung. Hier knüpfte sich an den Vortrag ein Meinungsaustausch an. Von] Herrn Ober raaschinenmeister Remmler wurde nach dem Erfolg der Sommer- sehen Schutzvorrichtung zur Vermeidung von Unfällen beim Her unterdrücken von Spießen gefragt. Der Vortragende bestätigte, daß diese Vorrichtung im Prinzip brauchbar sei, daß aber bei mit elektrischer Ausschaltung versehenen Apparaten der von Herrn Sommer angewendete Hilfsstrom ihm nicht ausreichend erscheine. Es könne bei der dünnen Leitung sehr leicht unbemerkt eine Be schädigung eintreten, und dann versage der Apparat vielleicht gerade im Augenblick eines Unfalls. Im übrigen interessiere er sich besonders für diesen Apparat,. und die Berufsgenossenschaft werde vielleicht zu seiner Einführung noch Stellung nehmen. Der Vor sitzende, Herr Obermaschinenmeister Sohr, verwahrte sich namens der Faktoren dagegen, daß von ihnen etwa das Niederdrücken von Spießen während des Ganges der Maschinen zur Beschleunigung des Druckes begünstigt werde. Herr Könitzer sprach seine Befriedi gung aus, daß die Berufsgenossenschaft jetzt das Thema der Unfall verhütung in öffentlichen Vorträgen behandeln lasse. Er wünschte, daß auch den Lehrlingen in der Fachschule die Vorträge zugänglich gemacht würden. Herr Rothe konnte mitteilen, daß schon in der nächsten Zeit ein Vortrag über Unfallverhütung in der Berliner Buchdruckerfachschule stattfinden werde, und daß solche Vorträge künftig in allen großen Druckstädten abgehalten werden sollten. Zum Schluß machte Herr Geschäftsführer Köhler noch sehr be achtenswerte Mitteilungen über die sorgfältige Anleitung von An legerinnen für die Tiegeldruckpresse, wie sie in der Buchdruckerei „Merkur“, die mit 75 Tiegeldruckpressen arbeitet und fast gar keine Unfälle zu verzeichnen hat, gehandhabt wird. Zur Verminderung des Alkoholgenusses empfahl er die Einrichtung von Kochgelegen heiten für die Arbeiter in allen Betrieben, die ein größeres Personal beschäftigen. Auch hier fanden die Ausführungen des Herrn Rothe lebhaften Beifall, und der Vorsitzende sprach den Wunsch aus, daß das Thema später auch auf andere Maschinen ausgedehnt werden möge und der Berliner Faktoren-Verein Gelegenheit finde, Herrn Rothe öfter zu hören. Die Vorträge haben gezeigt, daß in den zunächst beteiligten Kreisen ein lebhaftes Interesse für die Unfallverhütung vorhanden ist, es steht deshalb zu erwarten, daß die von dem Aufsichtsbeamten gegebenen Anregungen auch Beachtung finden werden. Damit würde auch der Zweck der Veranstaltung, die Unfallgefahren ein zuschränken und Unfälle zu vermeiden, erreicht werden. r Versicherungspflicht der Heimarbeiter Eine Arbeiterin, welche für uns zu Hause beschäftigt ist, hat sicn bei dieser Beschäftigung mit einem Messer eine Sehne am linken Goldfinger durchschnitten. Der Finger ist nach der Heilung im oberen Gliede steif und krumm geblieben. Die Arbeiterin war zur Krankenkasse gemeldet und klebt auch Invalidenmarken zur KlasseII, bisher 19 Stück in Karte I. Wir haben den Unfall der Berufsgenossen schaft nicht gemeldet, weil wir die Arbeiterin nicht fürversiche- rungspflichtig halten, da sie nur Heimarbeit verrichtet. Ist diese Auffassung richtig, oder mußten wir den'Unfall an melden ? Wenn die Arbeiterin nicht versicherungspflichtig ist, hat sie dann Anspruch auf Unterstützung aus. der Invaliditäts- Versicherung, falls sie eine Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähig keit infolge des Unfalles nachweisen kann ? War die Krankenkasse verpflichtet, das Krankengeld länger als 4 Wochen, nämlich so lange zu zahlen, bis die Heilung erfolgt war ? r Kartonncgenfabrik.' Auch die Heimarbeiterin ist nach dem Gewerbe-Unfall versicherungsgesetz versicherungspflichtig und hat Anspruch auf Entschädigung durch die für den Betrieb zuständige Berufs genossenschaft, sofern ihre Erwerbsfähigkeit länger als 13 Wochen durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt wird. Die Invaliden versicherung zahlt in diesem Falle keine Rente; Invalidenrente wird überhaupt nur dann gezahlt, wenn eine Person nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die ihren Kräften und Fähig keiten entspricht, ein Drittel dessen zu erwerben, was körper lich und geistig gesunde Personen derselben Art an demselben Orte durch Arbeit zu verdienen pflegen. — Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihre männlichen und weiblichen Mitglieder im Falle ärztlich bescheinigter Erwerbsunfähigkeit 26 Wochen zu unterstützen.