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1064 PAPIER-ZEITUNG Nr. 28/1912 Täuschung durch Sicherungsübereignung 11945. Frage: Eine lithographische Anstalt nahm einen stillen Teilhaber auf, der eine größere Bar-Einlage machte. Diese mußte verzinst werden, auch war der Teilhaber am Verdienst beteiligt. Nun wurde notariell vereinbart, daß der Inhaber der lithographischen Anstalt sämtliche vorhandenen Maschinen samt Zubehör sowie die etwa später anzuschaffenden Maschinen dem stillen Teilhaber verkaufte, und dieser sie der Firma leihweise überließ. Da die Ma schinen bezahlt waren, man aber nicht wußte, daß die Maschinen nicht Eigentum der Firma waren, wurde vertrauensvoll geliefert. Die Zahlungen waren zuerst pünktlich, nachher schleppend, und nach einiger Zeit kamen Akzepte der Firma zurück. Diese wurden meist unter allerlei Versprechungen verlängert, später aber nicht eingelöst. Klagen waren erfolglos, und als man zur Pfändung der Maschinen schritt, klagte der Teilhaber auf Aufhebung unter Hin weis auf seinen Kauf. Die Pfändung wurde auch aufgehoben. Der stille Teilhaber wußte genau, daß die Firma zahlungsunfähig war, er sah aber ruhig zu, daß sic weiter bezog, mithin hatte er Gewinn an den Fabrikaten, die zur Weiterverarbeitung dienten und von der vollständig mittellosen Firma weiter bezogen wurden, ließ aber ' den Lieferanten nicht wissen, daß die Firma mittellos und er der Eigentümer der Maschinen sei. Jetzt ist der Konkurs eröffnet, und der Teilhaber erhebt Anspruch auf die Maschinen. Was soll ich, der ich der Firma Papier geliefert habe, tun? Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Wenn die in Rede stehende Sicherungsübereignung der Maschinen zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem der Uebereignende bereits zahlungs unfähig war, und der anderen Partei nachgewiesen werden kann, daß sie im Zeitpunkt der Uebereignung von dieser Zahlungs unfähigkeit Kenntnis gehabt hat, so ist die Uebereignung so wohl nach § 3 Nr. 1 des Anfechtungsgesetzes als auch nach § 31 KO als eine ,,Rechtshandlung, welche den Schuldner in der dem anderen Teile bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benach teiligen, vorgenommen hat”, anfechtbar, und zwar nach der letzterwähnten Vorschrift im Falle eines Konkurses, nach der ersterwähnten außerhalb eines solchen. Die Anfechtung hätte vor eröffnetem Konkurse gegenüber den vom stillen Teilhaber erhobenen Klagen auf Aufhebung der gepfändeten Maschinen im Wege der Einrede geltend ge macht werden können. Jetzt, nach eröffnetem Konkurse, könnte die Anfechtung nur noch seitens des Konkursverwalters erfolgen. Ihr steht das Bedenken entgegen, daß der Teilhaber einwenden könnte, er habe annehmen dürfen, daß durch die von ihm dem Schuldner gewährte Bareinlage dessen Vermögenslage gebessert und dieser in den Stand versetzt würde, seinen Verpflichtungen gegen die übrigen Gläubiger nachzukommen. Dieser Einwand würde, falls ihn das Gericht für tatsächlich begründet erachtet, die Absicht der Benachteiligung der übrigen Gläubiger aus schließen und damit der Anfechtung den Boden entziehen. Abgesehen von der Anfechtungsklage hat die neueste Recht sprechung der obersten Gerichte eine direkte Schadenersatz klage des Gläubigers gegen denjenigen, der sich das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners übereignen läßt, wegen arglistiger Täuschung der übrigen Gläubiger bzw. wegen Ver stoßes gegen die guten Sitten unter Anwendung der §§ 138, 823, 826 BGB für zulässig erachtet. So das Oberlandesgericht Celle in der in der Nr. 18 der Papier-Zeitung abgedruckten Entscheidung, sodann das Reichs gericht in den Urteilen vom 19. September 1910 (Juristische Wochenschrift 1910 S. 939 Nr. 16) und vom 18. Mai 1911 (Juristische Wochenschrift 1911 S. 650 Nr. 22). Die zur Entscheidung gelangten Fälle lagen aber durch weg so, daß die Uebereignung das gesamte gegenwärtige und zukünftige Geschäftsvermögen des Schuldners betraf, und es wurde, namentlich in der zuletzt genannten Entscheidung des Reichsgerichts, das Sittenwidrige darin erblickt, daß das Ge schäftsvermögen vollständig in die Hand des andern gespielt, dieser dadurch der wahre Inhaber des Geschäfts wurde, während der Schuldner nur noch nach außen als scheinbarer Geschäfts eigentümer galt, ihm aber in Wirklichkeit nur noch die Passiven verblieben. In dieser Verschleierung der wirklichen Sachlage den Gläubigern gegenüber hat das Reichsgericht das zum Schadenersatz Verpflichtende auf Seiten des andern erblickt. Diesen Fällen ist der vorliegende darin ähnlich, daß es hier dem Teilhaber gleichfalls um eine Geheimhaltung der Uebereignung vor den übrigen Gläubigern, also um eine arglistige Täuschung zu tun war. Das Unterscheidende des gegenwärtigen Falles liegt aber darin, daß es sich hier nicht um die Uebereignung des gesamten Geschäftsvermögens, sondern nur um diejenige der vorhandenen und noch anzuschaffenden Maschinen handelte. Man wird aber die vom Oberlandesgericht Celle und vom Reichs gericht aufgestellten Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall anwenden dürfen, wenn, wie es scheint, die Maschinen den wesentlichsten Bestandteil des Geschäftsvermögens des Schuldners gebildet haben und der Teilhaber sich sagen mußte, daß der Schuldner nach Uebereignung der Maschinen keine maßgebenden Unterlagen für einen ihm seitens dritter Gläubiger zu gewährenden Kredit mehr besaß. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, wird es Fragesteller mit einer gegen den stillen. Teilhaber gerichteten Schadenersatzklage versuchen dürfen. , Lieferung auf Schluß 11946. Frage: Ich unterbreite Ihnen in der Beilage einem Original-Schlußbrief, nach welchem ich für das Jahr 1912 in tunlichst regelmäßigen Bezügen 60 bis 70 Wagen zu 10 000 kg feuchten Holz stoff gekauft habe. Gleichzeitig lege ich Ihnen Abschriften zweier Schreiben bei, aus denen hervorgeht, daß ich meinen Lieferanten, noch bevor die Lieferungen begonnen haben, davon verständigte, daß ich die gekaufte Höchstmenge von 70 Wagen in Anspruch nehme, und ihn bitte, monatlich 6 Wagen zum Versand zu bringen. Mein Lieferant behauptet nun, nicht mehr als 5 Wagen liefern zu müssen; weil er bei jedem Wagen ein kleines Mehr von 100 bis 200 kg oder mehr beifügt. Dieses Mehr wird von meinem Kunden wohl bezahlt, ebenso wie ich solches meinem Lieferanten bezahlte, aber eine Sendung von z. B. 10 200 kg wird eben nur als Wagen berechnet. 200 bis 300 kg zuviel in jedem Wagen machen ferner auf 60 Wagen nur 1—1 % Wagen aus, während ich 70 Wagen bestellte. Auf welche Menge habe ich monatlich Anspruch ? Antwort: Nach dem Schlußbrief steht es dem Fragesteller frei, 70 Wagen zu 10 000 kg in möglichst gleichmäßigen monat lichen Raten zu beziehen. Er hat demnach in 10 Monaten sechs Wagen, in 2 Monaten 5 Wagen zu erhalten. Werden 10000 kg durch Ueberladung der Wagen geliefert, so hat Fragesteller in 3 Monaten nur auf 5 Wagen Anspruch. Zweckmäßig können für Lieferung von 5 Wagen die Monate mit der geringsten Anzahl Arbeitstage gewählt werden. Mietsvertrag 11947. Frage: Am 15. März 1904 schloß ich einen Mietsvertrag über meine Wohnung auf drei Jahre. In dem Vertrag heißt es: „Die Mietszeit beginnt am 15. März 1904. Sollte 3 Monate vor Ablauf der Mietsdauer von einer Seite der Kontrahenten Kündigung nicht erfolgen, so gilt der Vertrag auf die gleiche Dauer erneuert.'' Still schweigend ist der Vertrag bisher weitergelaufen. Bei Gelegenheit von mir gewünschter Erneuerungsarbeiten erklärte der Vermieter, er könne diese Arbeiten nur machen lassen, wenn ich einen neuen Vertrag auf 3 Jahre mache zu einem um 100 M. das Jahr erhöhten, Mietspreise. Meine Annahme, der Vertrag sei 1910 stillschweigend bis 1913 verlängert, sei irrig, vielmehr sei der Vertrag 1910 abge laufen. Habe ich nun recht, daß der Vertrag 1910, weil nicht ge kündigt, stillschweigend in allen Teilen verlängert worden ist, oder muß ich jetzt schon einen neuen Vertrag zu höherem Preise machen, auch wenn ich für dieses Jahr auf die Erneuerungen verzichte ? Antwort: Nach dem BGB müssen Verträge so ausgeleg werden, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Ver kehrssitte erfordert. Nach obigem Wortlaut des Vertrages durfte Fragesteller annehmen, daß der Mietsvertrag nach Ablauf von je 3 Jahren sich von selbst auf weitere 3 Jahre erneuert, falls keine Kündigung erfolgt. Auch der Vermieter war offenbar derselben Ansicht, da er vom 15. März 1910 an nichts dem so gedeuteten Vertrag Zuwidergehendes getan hat. Ei ist also nicht berechtigt, jetzt einseitig eine neue Kündigungsfrist fest zusetzen, und Fragesteller darf die Wohnung auf Grund des alten Vertrages bis 15. März 1913 behalten. Rechnungsvordrucke 11948. Frage: Genau nach Muster 1 bestellte ich bei einer Druckerei 5000 Rechnungsvordrucke und 3000 Mitteilungen, welche wie 2 abgeliefert wurden. Da die abgelieferten Sachen aber der Beschaffenheit der Muster nicht entsprechen, wurde die Lieferung beanstandet, worauf sich die Druckerei jedoch nicht einläßt mit der Begründung, daß die Beschaffenheit bei beiden Sorten die gleiche sei. Kann die Lieferung von mir beanstandet werden ? Antwort: Der Vordruck der Lieferung ist aus anderen Typen gedruckt als die Vorlage, und der Satz ist infolge der Ver wendung verschiedenartiger Schriftgattungen weniger gefällig- Falls der Drucker Schriften, wie die auf der Vorlage verwendeten, nicht besaß, so hätte er dem Besteller einen Abzug zur Genehmi gung schicken müssen. Das Papier der Lieferung ist wesent lich dünner als das der Vorlage, und beim Ermitteln des Quadrat metergewichts zeigt es sich, daß das gelieferte Papier um 22 v. H. leichter ist als die Vorlage. Dieser Unterschied berechtigt zur Beanstandung der Lieferung, und wenn auch die Rechnungen, weil sie immerhin braüchbar sind, übernommen werden, so darf doch der Preis um einen angemessenen Teil gemindert werden. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung, Berlin SIV 11, erbeten Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW 68, Zimmerstraße 29