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1664 PAPIER-ZEITUNG Nr. 45/1912 Briefkasten Der Frage muß 10-Pf.-Marke beiliegen. Anonyme Anfragen bleiben unberücksicbtigt. Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur, wenn Abdruck ohne Namen gestattet Erfüllungsort 12069. Frage: In Angeboten, Bestätigungen usw. schrieben wir bisher als Erfüllungsort X, nachdem unser Rechtsbeistand gelegentlich einer persönlichen Unterredung mitgeteilt hatte, daß dieser Vermerk erforderlich sei, wenn man später den Besteller auf Zahlung in X verklagen wolle. Bisher haben wir auch auf Grund des Vermerkes stets ein obsiegendes Urteil erreicht, wenn wir die Besteller in X verklagten, denn diese haben dagegen keinerlei Ein wendungen gemacht. Neuerdings hat eine Firma auf die von uns eingeleitete Klage hin geschrieben, auf Grund der Bemerkung, zahl bar in X, daß man sie nicht in X sondern am Orte des Bestellers verklagen müsse. Der Prozeß ist nun noch nicht endgültig ent schieden, doch geht aus den bisherigen Verhandlungen hervor, daß sich das Gericht auf Seiten des von uns Beklagten stellt. Wir bitten um Ihre Ansicht in dieser Angelegenheit, um nötigenfalls die Klage wieder zurückziehen zu können. Antwort: Die Bedingung „Erfüllungsort X” oder „zahlbar in X” in den Angeboten und Auftragsbestätigungen muß im vorliegenden Falle deshalb vom Gericht nicht als maßgebend für den Gerichtsstand des Fragestellers angesehen werden, weil der Käufer nicht wissen mußte, daß der juristische Ausdruck „Erfüllungsort” die Zuständigkeit des Gerichts an diesem Ort in sich schließt. Wäre aber, wie es vielfach üblich ist, auf den Angeboten und Auftragsbestätigungen in deutlicher, fetter Schrift zu lesen gewesen „zahlbar und klagbar in X”, so konnte der Käufer sich nicht darauf ausreden, daß er den Sinn der Worte nicht verstanden habe, und dann würde sich auch wahrscheinlich das Gericht für die Zuständigkeit des Ortes X entscheiden. Verspätete Maschinenlieferung 12070. Frage: Am 3. März bestellte ich bei einer Maschinen fabrik einen. Kollergang zum Preise von 3150 M. Es wurde lmir eine Lieferzeit von 6 Wochen eingeräumt, und da ich es damit sehr eilig hatte, wurde mir versprochen noch schneller zu liefern. Die Lieferzeit war bereits am 15. April verstrichen, und bis heut (25. Mai) sind die Teile noch nicht alle hier. Da der bisherige Koller schadhaft war, hatte ich stets um Lieferung ersucht. Am 4. Mai zerbrach mein Koller derart, daß eine Reparatur unmöglich war, und ich hatte dies der Firma sofort telephonisch gesagt. Am 6. Mai reiste ich hin, um die Sache zu beschleunigen. Es wurde mir erklärt, die Kurbeln, welche noch fehlten, seien seit dem 2. Mai unterwegs und würden in einigen Tagen an mich abgesandt, da die übrigen Teile sofort verladen werden sollten. Bis heute, 25. Mai, sind , die Kurbeln noch immer nicht hier, und ein Monteur zum Aufstellen der Maschine, welcher am 8. Mai kommen sollte, ist bis heute auch noch nicht da, trotzdem ich täglich darum schrieb und telephonierte. Monteur zum Aufstellen war im Kaufpreis eingerechnet! Ich bin nun seit dem 6. Mai vollständig außer Betrieb, muß aber mein Personal (22 Arbeiter) lohnen. Muß mir die Firma meinen Schaden oder meine Generalunkosten auf mein Verlangen vergüten ? Ich habe der Firma zweimal unter Einschreiben mitgeteilt, daß ich sie mit meinem Schaden belasten würde, jedoch weist sie dies zurück. Die Maschinenfabrik hat wohl nicht die Hauptschuld, sondern die Firma, welche der Fabrik die Kurbeln liefert, aber an diese kann ich mich nicht halten, da ich dort nicht bestellt habe. Ich suche meine Leute zu beschäftigen und will dafür nichts verlangen, sondern nur meine täglichen Kosten: Zinsen und Amortisation usw. Ferner bin ich sehr mit Aufträgen überhäuft und kann nicht liefern, so daß ich selbst Schaden bezahlen muß. Mit dem bestellten neuen Koller hätte ich im Tag das Doppelte liefern können, womit ich bei meinen Bestätigungen schon gerechnet hatte. Antwort: Die vereinbarte Lieferzeit von 6 Wochen machte das Geschäft nicht zu einem Fixgeschäft im Sinne des Handels gesetzes, da weder der Kalendertag der Lieferung festgelegt, noch vereinbart war, daß bei Nichteinhalten dieser Lieferfrist Fragesteller vom Geschäft zurücktritt oder Schadenersatz ver langt. Auch hat Fragesteller nicht, wie es das Handelsgesetz vorschreibt, nach dem Verstreichen der 6 Wochen eine Nachfrist mit der Erklärung gestellt, daß Nichteinhalten dieser Nachfrist Rücktritt vom Vertrag oder Schadenersatzforderung zur Folge haben werde. Wenn die Maschinenfabrik infolge von Ursachen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht liefern kann, so ist sie von jeder Haftung frei. Wollte Fragesteller für den Fall verspäteter Lieferung Schadenersatz haben, so mußte er dies bei der Be stellung mit der Maschinenfabrik vereinbaren und z. B. eine' für jeden Verspätungstag zu zahlende Vertragsstrafe festsetzen. Da dies nicht geschehen ist, erscheint mit Rücksicht auf die Be sonderheit des dargestellten Falles jede Schadenersatzforderüng aussichtslos. Skonto Aus Oesterreich 12071. Frage: Im August 1911 habe ich von einer Verkaufs stelle Superiorpapier in der Preislage von 35 Heller, in Waggon- ladungen beziehbar, gekauft und die Zahlungsbedingungen 3 v. H. Skonto nach 30 Tagen bedungen. Die ersten Lieferungen sind von mir nach 45 Tagen beglichen worden, ohne daß die Verkaufsstelle dagegen Einwendungen erhoben hat. Vom Jänner 1912, infolge Auflösung der Verkaufsstelle, habe ich mich damit einverstanden erklärt, daß die Rechte und Verpflichtungen an die Fabrik über gehen. Bei Bezahlung der letzten zwei Waggon Ware, welche nach 60 und 70 Tagen erfolgte, bringt mir die Fabrik Skontodifferenzen in Anrechnung und behauptet, daß ich nach Ablauf von 30 Tagen, wenn nicht pünktlich bezahlt wird, eines jeden SkontoansprucheS verlustig werde und netto voll zu bezahlen habe. Sie vergütet mir nur aus Entgegenkommen nach 60 Tagen 2 v. H., nach 75 Tagen 1 % v. H. Skonto. Ich halte diese Anschauung als rechtswidrig und stehe auf dem Standpunkt, daß mir der Skontosatz von 3 v. H. zufällt, anderseits ich aber verpflichtet bin, für die überschrittene Frist eine Verzinsung des Kapitals von 6 v. H. im Jahr zu leisten. Dieser Zinssatz entspricht auch den in dem Fache üblichen Zahlungs bedingungen, entweder 3 v. H. nach 30 Tagen oder 6 Monate Ziel,, oder Akzept. Antwort: Der Kassaskonto, der in den Zahlungsbedingungen festgelegt ist, bedeutet keinen Nachlaß vom Warenpreis sondern eine Vergütung dafür, daß der Kunde innerhalb 30 Tagen be zahlt. Wenn diese kurze Frist abgelaufen ist, ohne daß der Kunde zahlte, so hat er das Recht auf den Skonto verloren. Kleben von Pergamentdärmen 12072. Frage: Können Sie mir ein Klebstoffrezept für Perga ment-Därme mitteilen ? Antwort: Zum Kleben von Pergamentdärmen eignet sich sogen. Chromleim. Um solchen herzustellen, setzt man tierischem Leim eine Lösung von doppeltchromsaurem Kali zu, fertigt diese Mischung im Dunkeln und klebt auch unter Ausschluß des Tageslichts, setzt aber die geklebten Därme dem Sonnen licht aus, worauf der Leim infolge seines Gehaltes an Chrom säure durch die chemische Wirkung der Sonnenstrahlen wasser unlöslich wird. Abschluß zurXLieferung nach Bedarf 12073. Frage: Eine Firma schloß am 10. Dezember 1910 50 000 kg Pergamentersatz mit uns; davon hat sie bis heute 21 000 kg abgenommen. Sie würde also unter Zugrundelegung eines ferneren gleichmäßigen Bezuges bis März/April 1914 abzunehmen haben. Wir sind der Ansicht, daß die Firma weit über ihren Bedarf und nur um günstig einzukaufen, eine derartige Menge abgeschlossen hat. Können wir die Firma zwingen, den Rest sofort abzurufen oder den Schluß zu streichen ? Vereinbart wurde Abnahme nach Bedarf. Im allgemeinen steht man doch auf dem Standpunkt, daß derartige Abschlüsse innerhalb Jahresfrist erledigt werden müssen. Antwort: Wenn man die Bedeutung von Vertrags bestimmungen in Streitfällen ergründen will, so ist es nötig, den Willen der Parteien beim Abschluß des Vertrages zu er forschen. Als Fragesteller die Bedingung „Abnahme nach Be darf” annahmen, mußten sie sich darüber klar sein, daß der Kunde nicht gezwungen werden kann, über seinen Bedarf hinaus abzurufen. Im Zweifelsfalle hätten Fragesteller vor dem Ab schließen den Bedarf erfragen und nötigenfalls dem Kunden eine bestimmte Frist für den Abruf vorschreiben müssen. Wenn der Kunde nicht mehr Bedarf an Pergamentersatzpapicr hat, als seinen bisherigen Abrufen entspricht, so kann er auf Grund des Vertrages zu rascherem Abruf des Restes nicht gezwungen werden. Allgemeine Handelsbräuche gibt es in dieser Beziehung nicht, auch könnten solche erst dann berücksichtigt werden, wenn im Vertrag eine Lücke bestände. Nachbildung von Druckstöcken aus Katalogen 12074. Frage: |Für meine Preisliste ließ ich mir Klischees anfertigen, und zwar sandte ich Originalmuster der Ware ein, wonach Autotypien und Strichätzungen hergestellt wurden, oder es wurden nach den Originalen Zeichnungen angefertigt und nach diesen Zeich nungen Strichätzungen. Die Ware, von der Klischees angefertigt worden sind, war nicht mein eigenes Fabrikat. Eine Konkurrenz firma hat nun meine Klischees genau nachgebildet. Ist dies strafbar ? Kann ich auf Unterlassung klagen und Schadenersatzansprüche stellen ? Antwort: Nach der Gerichtsentscheidung, die wir in Nr. 5 von 1911 über einen ähnlichen Fall abdruckten, kommt es darauf an, ob die nachgebildeten Darstellungen im Sinne des Gesetzes über das Urheberrecht an Schriftwerken und Abbildungen ge schützt sind oder nicht. Sind die Abbildungen nicht das Er gebnis geistiger Arbeit, sondern stellen sie nur gangbare Waren dar, so ist ihre Nachbildung nicht strafbar. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nür an Papier-Zeitung, Berlin SW 11, erbeten Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW 68, Zimmerstraße 29