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Nr. 43 3191ai H apierajerarbeitung Buchgewerbe Verband Deutscher Steindruckereibesitzer Generalversammlung am 12. Mai in Eisenach Eigenbericht Die Mitgliederversammlungen des Schutzverbandes und des Fachverbandes Deutscher Steindruckereibesitzer sollten ursprüng lich in diesem Jahre in Leipzig abgehalten werden. Mit Rücksicht auf die im Jahre 1914 stattfindende Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik wurde hiervon abgesehen und wie im vergangenen Jahre Eisenach als Versammlungsort gewählt. Auch diesmal waren die Mitglieder des Schutzverbandes und des Fach verbandes aus allen Teilen Deutschlands zahlreich zu den Verhand lungen herbeigeeilt, die dadurch besonders anregend wurden, daß das Steindruckgewerbe am Schlüsse einer allgemeinen Arbeiter bewegung steht. Vor den Mitgliederversammlungen der beiden Abteilungen fanden Sitzungen der beiden Ausschüsse statt, in denen zum Teil vorbereitende Beschlüsse für die Mitgliederversammlungen gefaßt wurden, zum Teil jedoch auch wichtige Beschlüsse,, für welche ledig lich die Ausschüsse zuständig sind. Ueber diese Beschlüsse wird das Erforderliche in Rundschreiben und in den Kreisversammlungen mitgeteilt werden. Den Anfang der Mitgliederversammlungen machte der Schutz- verband. Nach der üblichen Begrüßungsansprache und vor Eintritt in die Tagesordnung widmete der Vorsitzende, Herr Paul Wundsch, seinem Vorgänger, dem Gründer des Schutzverbandes, dem ver storbenen Herrn Dr. Hugo Gerschei warme Worte der Anerkennung für seine unermüdliche Tätigkeit im Dienste des Schutzverbandes und damit im Dienste des gesamten Steindruckgewerbes. Ins besondere betonte Herr Wundsch, wie der Verstorbene noch in schweren Krankheitstagen seine ganze Kraft für den Schutzverband ein setzte. Nachdem sich die Anwesenden zum Zeichen der Anerkennung der Verdienste des Verstorbenen von ihren Plätzen erhoben haben, erstattete Herr Wundsch den Geschäftsbericht über das abgelaufene Geschäftsjahr. Mit Recht konnte er darauf hinweisen, daß das Jahr 1911 sowie der Anfang des Jahres 1912 die bewegteste Zeit dar stellten, die der Schutzverband je durchzumachen hatte. Das Jahr 1911/12 übertraf in dieser Beziehung das Jahr 1906 bei weitem nicht nur durch den größeren Umfang der Arbeiterbewegung, sondern auch durch die Schärfe und Zähigkeit, mit welcher auf beiden Seiten gekämpft wurde. Die Gewerkschaft der Lithographen und Stein drucker steht auf dem äußersten linken Flügel der Gewerkschaften der graphischen Industrie und hat sich immer durch ihren Radi kalismus in der Taktik hervorgetan. Nur so ist es zu erklären, daß die Bewegung solche Schärfe annehmen konnte und die angegriffenen Prinzipale einmütig zusammenschloß. Als Vorbote der allgemeinen Bewegung kann die Bewegung in Gera angesehen werden, die mit einem Mißerfolg für die Gehilfen-Organisation endete. In Gera hatte die Gehilfen-Organisation den dortigen Prinzipalen eine Tarifvorlage unterbreitet, die aber, nachdem die Firmen dem Schutzverband b eigetreten waren, beseitigt wurde. Es wurden lediglich allgemeine Vereinbarungen unter Anpassung an die zwischen Schutzverband und Gehilfen-Organisation getroffenen Vereinbarungen getroffen. Kurz nach Abschluß dieser Vereinbarungen wurde einer der be teiligten Firmen mitgeteilt, die Gehilfen-Organisation habe trotz der Unterzeichnung der getroffenen Vereinbarungen durch die Ge hilfenvertreter beschlossen, in den Ausstand zu treten. Die Firma wollte nun durch Anzeigen Ersatzkräfte heranziehen. Von den Ver- tretern des Schutzverbandes selbst wurde anerkannt, daß die Anzeige etwas ungeschickt abgefaßt war und zu Mißverständnissen führen konnte. Das hinderte die Gehilfenvertreter jedoch nicht, auch nach dem die Anzeigenangelegenheit beseitigt war, neue weitgehende Lohnforderungen zu stellen. Die Geraer Firmen wollten keinen Streit herauf beschwören, waren vielmehr bereit, eine Reihe frei williger Lohnzulagen zu bewilligen. Die Gehilfenvertreter waren jedoch hiermit nicht zufrieden, und so kam es zum Ausstand. Wenn die Gehilfenvertreter geglaubt hatten, die Geraer Firmen würden ohne weiteres die Forderungen bewilligen, wenn sie sähen, es sei mit dem Ausstand ernst, so hatten sie sich getäuscht. Ohne Säumen gingen die Prinzipale an die Herbeischaffung von Ersatzkräften, und mit vielen Opfern gelang ihnen dies auch, obwohl die Gehilfen- Organisation alle Mittel des Boykotts anwandte, um die Ersatz kräfte aus den Betrieben zu ziehen. Dies war jedoch ein vergebliches Beginnen, und schließlich mußte die Gewerkschaftsleitung die Sache als verloren ansehen. Der Mißerfolg von Gera, dem Mißerfolge in Niedersedlitz und Aachen, vorausgegangen waren, sollte wett gemacht werden. Darum entschloß sich die Gehilfen-Organisation zu einer größeren Kraft probe. Man hielt Leipzig für den geeigneten Ort, auch war der Leip ziger Gauvertreter des Senefelder-Bundes auch der Anführer in Gera gewesen. Eine zahlreich besuchte Versammlung der Lithographen und Steindrucker Leipzigs beschloß, am 30. August im Leipziger Volkshaus, den Prinzipalen Forderungen zu stellen und, wenn die Forderungen nicht innerhalb der gestellten kurzen Frist bewilligt würden, die Kündigung einzureichen. Die Forderungen wurden nicht nur den Mitgliedern des Schutzverbandes, sondern auch den jenigen Prinzipalen unterbreitet, die dem Schutzverband nicht angehörten. In der Vorlage wurde u. a. gefordert: die 8%-stündige Arbeitszeit für Steindrucker, die 8-stündige Arbeitszeit für Rotations maschinenmeister, ein Mindestlohn von 24 M. im 1. und von 27 M. im 2. Gehilfenjahr, für Rotationsmaschinenmeister einen Mindest lohn von 40 und 45.M., die übrigen Forderungen liefen auf Be schränkung der Lehrlingszahl, der Ueberstundenzahl, auf weitere Ausdehnung der Feiertagsbezahlung, auf Einführung von Zwangs ferien, auf Abschaffung der Heim-, Akkord- und Prämienarbeit, sowie auf Gewährung einer allgemeinen Lohnzulage hinaus. Ein Vertreter des Zentralvorstandes des Senefelder-Bundes gab in jener Versammlung die Erklärung ab, die Leipziger Gehilfenschaft könne sich der vollen Zustimmung des Berliner Zentralvorstandes erfreuen, während man ursprünglich den Versuch machte, die Leipziger Be wegung für eine rein örtliche zu erklären. Der Schutzverband Deutscher Steindruckereibesitzer sah sofort nach Erhalt der entsprechenden Mitteilungen aus Leipzig, daß es sich hier nicht um eine örtliche, sondern um eine allgemeine Ange legenheit handele, die sämtliche Mitglieder des Schutzverbandes berühre. Die Leipziger Schutzverbands- und Nichtschutzverbands mitglieder beschlossen, gemeinschaftlich vorzugehen und täten dies auch getreulich während der ganzen Bewegung. Sie teilten der Leipziger Ortsverwaltung des Gehilfenverbandes mit, sie könnten mit der Gehilfen-Organisation nicht einzeln verhandeln, die Er ledigung der Angelegenheit sei vielmehr in die Hände des Schutz verbandes Deutscher Steindruckereibesitzer gelegt worden. Die Leipziger Ortsverwaltung des Senefelder-Bundes antwortete hierauf, sie sei bereit, in Verhandlungen einzutreten, diese Verhandlungen müßten aber in Leipzig stattfinden und die Kündigungen des Per sonals könnten dadurch nicht aufgehoben werden, d. h. die erfolgte Kündigung sollte das Druckmittel sein, unter dem verhandel werden sollte. Die Zentrale des Schutzverbandes trat allen Bet Strebungen, sie auszuschalten, entgegen. Es kam zu einer Aus sprache zwischen den beiden Vorständen, in der Verhandlungen vereinbart wurden, die am 15. September stattfanden. Vonseiten der Prinzipalsvertreter wurde die 53-stündige Arbeitszeit bewilligt, die Gehilfenvertreter erklärten jedoch dieses Angebot für ungenügend, und bezeichneten als äußerstes Entgegenkommen die Annahme der 52-stündigen Arbeitszeit, von welcher sie unter keinen Umständen äbgehen könnten. Auch das von den Prinzipalen in der Frage des Mindestlohnes für Leipzig gemachte Zugeständnis bezeichneten sie für ungenügend. Die Verhandlungen verliefen ohne Ergebnis. Unmittelbar darauf begann der Senefelder-Bund neue Angriffe in Fürth, Nürnberg, Schwabach, Stuttgart, Frankfurt a. M., Crimmit schau, später auch in Offenbach und Cassel. Man unterbreitete den dortigen Prinzipalen die gleichen Forderungen wie in Leipzig und ließ für die Annahme der Forderungen nur eine kurze Frist übrig, die in einigen Fällen sogar nur einen Tag betrug. Aber die Prinzipale in diesen Orten ließen sich nicht einschüchtern, es wurde den Vertretern des Senefelder-Bundes von den Kreisvertretern des Schutzverbandes geantwortet, die Angelegenheit sei dem Haupt vorstand des Schutzverbandes überwiesen worden, und sie ersuchten die Filialverwaltungen des Senefelder-Bundes, die Angelegenheit ebenfalls an ihren Hauptvorstand in Berlin weiterzugeben und diesen zu veranlassen, sich mit dem Vorstand des Schutzverbandes in Ver bindung zu setzen. Die Versuche der Gehilfenorganisation, die Zentrale des Schutzverbandes auszuschalten, schlugen also fehl, riefen aber in den Reihen der Prinzipale Erbitterung hervor. Nun mehr beschloß der erweiterte Ausschuß des Schutzverbandes ein mütig als Abwehrmaßnahme die Kündigung aller organisierten Ge hilfen. Alle von der Gehilfenorganisation angewendeten Mittel, schon vor der Aussperrung Verwirrung in das Lager der Prinzipale hineinzubringen, schlugen fehl. Inzwischen erklärte sich der Vor stand des Senefelder-Bundes zu Verhandlungen mit dem Haupt vorstand des Schutzverbandes bereit. Der Schutzverband betonte in seiner Antwort, die Verhandlungen müßten sich im Punkte Arbeits zeit auf der Grundlage der 53 stündigen wöchentlichen Arbeitszeit