Volltext Seite (XML)
Nr. 39/1912 PAPIER-ZEITUNG 1427 Zukunft der Papier-Fabrikation In Nr. 84 von 1900 führte der Unterzeichnete an dieser Stelle aus, daß die Wälder infolge des stetig wachsenden Ver brauches von Holz in absehbarer Zeit den Bedarf nicht mehr decken könnten. Dieser Zustand ist jedoch, dank der Er schließung der russischen Wälder, für Europa noch nicht ein getreten. Die Papierpreise haben aber einen Tiefstand erreicht, der den meisten Fabriken keine angemessene Verzinsung ge währt. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ist Holz mangel eingetreten, die dortigen Fabriken sind großenteils auf die kanadischen Wälder angewiesen. Vom Department of Agriculture in Washington werden deshalb schon lange eingehende Versuche mit Bäumen sowie mit wild wachsenden und ange bauten Pflanzen angestellt, um zu ermitteln, welche sich als Faserstoffe für Papier mit Vorteil verwenden lassen würden. Das Ergebnis des Forest Products Laboratory, einer Abteilung des genannten Amtes, liegt nun in einem am 7. März 1912 er schienenen Büchlein vor, welches vom Ingenieur Henry E. Surface zusammengestellt wurde. Es enthält 53 Blatt 11X17 cm großer Papiermuster, die aus 23 Baumarten durch Kochen mit Soda- ■und Sulfitlauge gewonnen wurden. In beigefügten Tabellen sind über diese Behandlung genaue Angaben gemacht. Die Stoff-Ergebnisse liegen zwischen 35 und 52 v. H. und bieten ebenso wie die anderen Daten für den erfahrenen Fachmann wenig Neues. Die größte Stoff-Ausbeute ergaben beim Kochen mit Natronlauge die schwachfaserigen Laubhölzer Aspen, Birken asw. Die Zusammenstellung der Proben in dieser Weise ist eine sehr verdienstliche Arbeit. Die Abteilung für Pflanzen-Industrie desselben Ministeriums gab am 31. August 1911 ein Heftchen heraus, worin der Physio- löge Charles J. Brand erörtert, welche anderen Pflanzen (außer Bäumen) zur Verarbeitung für Papier geeignet sein könnten. Er beschränkt sich in nachstehenden Erörterungen auf Pflanzen, die in großen Mengen bei der Verarbeitung anderer Pflanzen abfallen, oder in erreichbarer Lage wild wachsend vorhanden sind, oder mit Vorteil für diesen Zweck gezüchtet werden könnten. Mais wird in den Vereinigten Staaten auf mehr als 100 Milli onen acres gepflanzt und könnte ungeheure Mengen Zellstoff liefern. Aus 8 bis 10 Arten der Pflanze ist Papier hergestellt worden, und alle ihre Bestandteile außer den Wurzeln und Kolben erwiesen sich als brauchbar. Lange, starke Fasern, die zu Schreib-, Bacher- und an deren guten Papiersorten dienen könnten, lassen sich nur in Mengen von 12 bis 18 vom Hundert der knochentrocknen Pflanzenteile daraus gewinnen. Markstoff würde sich für plastische Erzeugnisse, Pack- und andere Papiere eignen, und man könnte 15 bis 30 v. H. der trockenen Stämme daraus erzielen. Durch einstündiges Kochen der Mais-Stämme unter Dampf druck kann man 10 bis 15 v. H. zuckerartige Stoffe ausziehen, die mit anderem Futter gemischt, gerne vom Vieh gefressen werden. Broomcorn und Reisstroh könnten nach den Erläuterungen des Verfassers zu 4 bis 5 Dollar die Tonne geliefert werden und bei wei terem Steigen der Holzpreise für Amerika nützlich werden, haben jedoch für Europa keine Bedeutung. Baumwolle. Die Hüllen der Baumwollsamen dienen als Dünger und sind dadurch zu wertvoll, um für Papier verfügbar zu werden. Die Stämme könnten jedoch in den Vereinigten Staaten etwa 10 Millionen Tonnen Rohstoff liefern, der sich schwer erschließen läßt und dazu bei hohem Dampfdruck 30 v. H. seines Gewichts an kau stischer Soda braucht. Man erhält 35 bis 43 v. H. Stoff, dessen Fasern kurz, nicht sehr fest und schwer bleichbar sind. Die äußere Rinde der Stämme läßt sich schwer entfernen und erschwert das Bleichen so sehr, daß man den Stoff bisher nur zu Packpapier ver wenden konnte. Bagasse, d. h. ausgepreßtes Zuckerrohr hat kurze aber schlanke Fasern und könnte ziemlich festes Papier ergeben, läßt sich auch leicht bleichen. Die Pflanze hat aber wie Mais viel Mark, welches andere Behandlung erfordert als der Stamm. Außerdem hat die Bagasse für die Zuckerfabriken einen Wert von 1 % bis 3 Dollar »die Tonne als Brennstoff und wird allgemein als solcher benützt. Flachsstroh. In den Vereinigten Staaten werden etwa 2% Milli onen acres mit Flachs bebaut, von dem nur der Samen zu Oel ver arbeitet wird. Von den etwa 3 Millionen Tonnen Stroh findet kaum ein Zehntel Verwendung. Obwohl viele Erfindungen und Versuche zur Verwertung des Strohes zu Textil- und anderen Waren gemacht wurden, wird es bis jetzt nur zu Bindfaden, zum Polstern, zu Isolier- Einrichtungen und in Gefrierhäusern benützt. Das vom Samenflachs übrig bleibende Stroh ist ein ganz anderer Stoff als das zur Lein wand dienende, sogar für Bindfaden muß es in besonderer Weise geerntet und gedroschen werden. Mit kaustischer Soda gekocht, liefert es etwa 30 v. H. kräftigen Faserstoff. Trotz vielfacher Be mühungen findet es noch in keiner Papierfabrik dauernde Ver wendung. In neuester Zeit bemüht man sich, es für Zementsäcke nutzbar zu machen, und manche Papiere erreichten die erforderliche Festigkeit. Bei diesen Versuchen wurde aber kein Flachsstroh be nützt, wie es aus der Dreschmaschine kcmmt, sondern nur Flachstaue im Wert von 20 Dollar die Tonne, die 3 bis 4 Tonnen Flachsstroh auf 1 Tonne Taue erfordern. Flachsstroh ist sehr vielversprechend, aber je nach Klima, Boden und Kultur sehr verschiedenwertig. Andere Kulturpflanzen wie Getreidestroh, Abfälle von Hanf, Flachs, Jute usw. sind genügend bekannt. Auch mexikanische und westamerikanische Gräser sind hier zu erwähnen. Viele derselben eignen sich zwar nicht für bessere Papiere, finden aber für billige Sorten lohnende Verwendung. Pflanzen, deren Anbau als Papier-Rohstoff lohnend wäre. Eine der aussichtsvollsten Pflanzen dieser Art ist Hanf. Er gedeiht in den meisten Teilen der Vereinigten Staaten und ist sehr ergiebig, der acre liefert bis zu 5 Tonnen heutrocken oder 2% bis 3 Tonnen geröstet. Bei Tau-Röstung (dew retted) wird dem Boden nur wenig Nährstoff entzogen. Nach Prof. L. H. Dewey hat man für die Ernte eines acres gerösteten Hanfs nur 14 Dollar aufzuwenden. Geröstete Hanfstengel liefern 40 bis 45 v. H. ihres Gewichts an Zellstoff, aus dem sich dünnes Papier von großer Festigkeit und Dauer herstellen läßt. Die Fasern sind lang und von solcher Be schaffenheit, daß man viele Sonderarten von besserem Papier daraus anfertigen kann. Sollte gerösteter Hanf in großen Mengen bei der Papier-Erzeugung Verwendung finden, so würde es der Textil industrie, welche ihn auch braucht, zum Vorteil gereichen, weil Hunderte von Tonnen überrösteten Hanfs, die sich für Textilfabrikate nicht eignen, an die Papiererzeugung abgegeben werden könnten. Japanische Eulalia japonica, die schon vielfache Verwendung in den Vereinigten Staaten findet, gedeiht, wie Versuche zeigten, auf armem Boden und ergibt mindestens 2 Tonnen vorzüglichen Stoffs vom acre. Espartogras, einer der geschätztesten Rohstoffe wird sich vielleicht auf den unbenützten trockenen Flächen im Südwesten anbauen lassen. Schlüsse Viele Ernte-Abfälle bleiben jetzt unverwertet, weil Holz bei den bisherigen Preisen vorteilhaftere Papier-Rohstoffe liefert. Für Druckpapier ist Holzschliff anscheinend unentbehrlich, weil er spe zifisch leicht, undurchsichtig ist, Druckerschwärze gut annimmt und sich leicht bedrucken läßt. Durch Schleifen wird aus Holz die doppelte Menge Stoff gewonnen wie durch chemische Mittel. Holz schliff erfüllt seinen Zweck vollkommen und wird sich, obwohl nicht dauerhaft, kaum durch andere Faserstoffe verdrängen lassen. Der Verbrauch von Holz wächst jedoch rasch, und sein Preis wird in nicht allzu vielen Jahren derart steigen, daß landwirtschaftlich erzeugte Faserstoffe Rohstoff für Papier liefern werden, wie es für viele andere menschliche Erzeugnisse schon geschieht. Auch Rohstoffe, die jetzt kaum Beachtung finden, mögen in nicht allzu ferner Zeit eine große Rolle bei der Herstellung von Papier spielen. Die 19 Oktavseiten dieser Schrift sind auf 5 Blatt Papier gedruckt, deren jedes in anderer Zusammensetzung aus Holz, Mais-, Keis-, Baumwollpflanzen angefertigt ist und einen neuen Beweis für deren Eignung liefert. Die Schrift enthält auch mikroskopische Darstellungen der wichtigsten erwähnten Fasern, beruht überhaupt auf gründlichen Vorarbeiten und verdient volle Beachtung der Papier-Fachleute, scheint aber nicht käuflich zu sein. Der Schluß, wonach in absehbarer Zeit das zu teure oder fehlende Holz durch Anbau von Papierfaserpflanzen ersetzt werden muß, gibt jedoch zu erheblichen Zweifeln Anlaß und dürfte für Europa schwerlich zutreffen. Es ist vielmehr wie in Nr. 84 von 1900 gesagt, wahrscheinlich, daß unsere Papier fabriken die ihnen vertraute Verarbeitung von Getreidestroh und Alfa-Esparto in großem Umfang aufnehmen werden, so bald Holz so teuer wird, daß diese Rohstoffe damit erfolgreich in Wettbewerb treten können. Carl Hofmann