15 Mit dem seit dem 1. Januar 1834 wirksam gewordenen Beitritt Sachsens zum deutschen Zollverein vollzog sich auch auf dem Gebiete der Textil industrie sowie in anderen Gewerbszweigen der Umschwung, der nun zur eigentlichen, neuzeitlichen Umgestaltung der Stadt Chemnitz führte. Ueberall drängender Fortschritt, allerorten Losreißen von veralteten, abgestorbenen, neues Leben hindernden Formen; nur ans dem Gebiet des Handwerks nicht! Nach allen Seiten sah man sich hier eingeengt durch die starren Fornicn der Zunftgesetze. Wie vor Jahrhunderten überwachte man sich gegenseitig in der Innung selbst oder führte Klage und Beschwerde über Beeinträchtigung des Handwerks durch Vertreter anderer Gewerbe. Aber unaufhaltsam wurden die lange und zäh vertheidigten Privilegien durch löchert und erschüttert. Ganz besonders trug hierzu bei, daß in den zu Chemnitz und Umgegend immer zahlreicher entstehenden Fabriken mehr und mehr Schlosser zur Verwendung kamen. Wohl mußten die betreffenden Fabriknnternehmer zur Einstellung solcher zünftiger Handwerker in ihren Etablissements noch die obrigkeitliche Genehmigung haben, und aus den Jahren 1854 und 1861 allein liegen dem Verfasser nicht weniger als 46 solcher, ans Fabrikschlosser bezüglicher Cvncessionsgewährnngen vor. Sos ein Fabrikschlosser saß jetzt gleichsam zwischen zwei Stühlen. Für seinen Arbeitgeber durfte er nur innerhalb der Fabrik arbeiten und mußte lediglich bei Herstellung der betreffenden Fabrikationserzeugnisse verwendet werden. Im übrigen war er noch zünftiger Schlosser, mußte mit Hand werkslegitimationen versehen und mit einem Führungszeugniß seines bisherigen Arbeitgebers entlassen sein. Er gehörte noch zur Innung am Ort und mußte sich vom Arbeitgeber den Beitrag zur Gesellenverpflegungs kasse vom Lohne abziehen lassen, während auch der Arbeitgeber, gleichviel welchen Fabrikationszweiges, zu allen außerordentlichen Anlagen derjenigen Innungen mit herangezogen wurde, ans denen er zünftige Mitglieder als Arbeiter in seiner Fabrik beschäftigte. Z, Unter diesen Umständen wurde eine große Anzahl Schlosser ihrer Zunft entfremdet und blieben mit derselben nur noch in einem lockern, ihnen selbst lästigen Zusammenhang, während die Fabrikunternehmer in der Innung geradezu ein Hinderniß ihrer freien, geschäftlichen Entwickelung erblicken mußten. Wohl suchte die Innung diesen immer unhaltbarer werdenden Zuständen noch einmal entgegenzuarbeiten und griff wieder zu dem so oft angewendeten Mittel einer zeitgemäßen Statutenabänderung, die denn auch am 9. Juni 1856 bestätigt wurde. Aber damit war nichts mehr zu erreichen. Eine neue Entwicklnngsepoche brach auch für die Schlosserinnnng erst an, als mit dem 1. April 1862 durch das neue Gewerbegesetz Zunft-, Lehr- und Wanderzwang aufgehoben wurden und mit dieser Gewerbefreiheit die mittelalterlichen Fesseln fielen, unter denen