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Nr. 23/1912 PAPIER-ZEITUNG 853 Zeitungswesen im Osten Wer im Orient bereits gereist ist, sei es im nahen oder fernen Osten, d. h. im Morgenland oder in China und Japan, wird sich gewundert haben, daß die Eingeborenen ihre Zeitung fast immer laut lesen und einige Zuhörer haben. Das kommt daher, weil in diesen Ländern kaum ein Zehntel der Bevölkerung des Schrei bens und Lesens kundig ist, und die Analphabeten auch etwas -erfahren wollen, aber auch, weil der Zeitungsleser selbst den Sinn des Gelesenen beim lauten Lesen besser versteht. In Japan verstehen die niederen Stände die Zeitung überhaupt nur dann, wenn sie sie laut lesen, denn sie erkennen die Zeichen erst, wenn sie sie laut hersagen und mit dem Vorherstehenden oder dem Nachfolgenden in Verbindung bringen. Im Morgenlande, Nordafrika und Persien einbegriffen, wo man sich der arabischen Schriftzeichen bedient, sind die weniger gebildeten Stände ebenfalls gezwungen, ihre Lektüre laut herunterzuleiern, denn in der arabischen Schrift werden Vokale nicht gesetzt, daher ist lautes Lesen nötig, um das ge lesene Wort zu verstehen. Die Setzerkunst des nahen Orients reicht nicht entfernt an diejenige Chinas und Japans heran, und die Japaner über treffen hierin bei weitem die Chinesen. Um eine Schrift unter zubringen, braucht man in China etwa zwanzig große Kästen, deren jeder etwa fünf bis sechsmal so viele Fächer besitzt wie die unsern. Diese Kästen stehen gewöhnlich in einem Raum, der acht Meter lang und vier Meter breit ist. Gewöhnlich ar beiten sechs bis acht Mann in diesem Raum. Jeder Setzer spricht das zu Setzende laut vor sich hin und rennt in der Kammer umher, denn dieser Buchstabe liegt im Fache eines Kastens an dieser Ecke, der nächste am andern Ende des Zimmers. Oft steht ein Aufseher mitten im Zimmer mit einem Rohrstöckchen in der Hand, der die Schwarzkünstler antreibt, sie auf Köpfe, Hände und die nackten Füße schlägt und immerzu schreit. So rennen die armen „Kollegen” wie die Besessenen vor- und rück wärts, hinüber und herüber, und da sie den Kopf gebückt halten, um das Gesetzte zu prüfen, stoßen sie fortwährend mit den Köpfen aneinander. Es gibt deshalb im himmlischen Reiche wenig Setzer, die nicht zeitlebens Beulen am Kopf und blaue Flecke an Stirn, Augen und Backenknochen haben. Für die Herstellung jeden Satzes gibt es den Hauptsetzer und die Neben setzer, wie bei den Japanern. Der Hauptsetzer bleibt vor dem Kasten stehen, in dem sich die gebräuchlichsten Buchstaben befinden, und die Nebensetzer rennen umher. So ist es auch bei den Japanern. Die japanische Sprache kennt insgesamt 20 000 Schriftzeichen, die aber kaum jemandem im Lande der aufgehenden Sonne alle bekannt sein dürften. Selbst die größten Gelehrten verwenden nur etwa 14 000 Schrift zeichen. Aber 4000 zum mindesten gehören zum täglichen und allgemeinen Gebrauch. Die Grundgrammatik, sozusagen die Vorstufe zum Alphabet, ist das „Kana”, das japanische Syllabar. Es besitzt 47 Zeichen und Grundsilben, denn die Japaner und Chinesen kennen keine Buchstaben, Vokale und Konsonanten, sondern nur Silben und Begriffe. Der japanische Setzer hat es nun also mit mindestens 4000 Schriftzeichen, wohlgemerkt nicht Buchstaben, sondern Silben, zu tun und muß alle diese Silben im Kopf haben und auch wissen, wo die Zeichen liegen, denn auf seine Nebensetzer, die häufig wechseln, kann er sich nicht verlassen. Der japanische Setzer sitzt an einem Tische inmitten des Zimmers und hat vor sich einen Kasten mit den 47 Grundsilben, die in der japanischen Sprache am häufigsten wieder kehren. In der einen Hand hält er ununterbrochen ein starkes Vergrößerungsglas, um das Manuskript besser lesen zu können. Es ist von oben nach unten geschrieben. Das Ma nuskript zerschneidet er in lange, schmale Streifen, deren einen jeder Nebensetzer erhält, der ihn absetzt, in dem er die Grund silben ausläßt, diese fügt der Hauptsetzer dann ein. Er ist zu gleich Metteur und stellt den Satz seiner Nebensetzer zusammen. Diese laufen ununterbrochen an den Wänden entlang, wo die .Schriftzeichen in Schränkchen und Kästchen untergebracht sind. Die Nebensetzer wie auch der Hauptsetzer singen und leiern den ganzen Tag das Manuskript herunter, um es besser zu ver stehen. Die japanischen und chinesischen Zeitungen haben Quer format und sind auf eine Art Seidenpapier einseitig bedruckt. Die Zeitung besteht nur aus einem mehrfach zusammengelegten Bogen. A. Köhler, Kairo Aus den Typographischen Gesellschaften Altenburg. Graphische Vereinigung. Am 28. Februar wurden zahlreiche Eingänge einer Besprechung unterzogen und verschiedene Neuanschaffungen für die Bibliothek beschlossen. Die Skizzen unseres Neujahrskarten-Wettbewerbs, die von der Dresdener Graphi schen Vereinigung bewertet waren, lagen auf. Ein recht ausführ liches Referat dazu hatte die Dresdener Technische Kommission ausgearbeitet. Besonders war die gute Durcharbeitung und die saubere Skizzierung aller Entwürfe lobend hervorgehoben. Ein erster Preis wurde Herrn A. Scholz, der zweite Herrn R. Seifert und eine lobende Anerkennung dem Erstgenannten zuerkannt. Es wurden dann unter Leitung des Herrn Benndorf wieder einige Hebungen im Kalkulieren vorgenommen. Eine recht rege Aus sprache entspann sich über den seit Jahren vom „Verein für Alt schrift“ geführten Kampf gegen die Frakturschrift. Eine Um frage bei einer größeren Anzahl von ausländischen Gelehrten und Studenten habe ergeben, daß sie beim Lesen deutscher Werke die deutsche Schrift vorzögen. Sie hielten es für vorteilhafter, wenn die ihnen fremde Sprache in einem anderen Gewände erschiene als die eigene. Sowohl die englischen, italienischen, spanischen, französischen und amerikanischen Gießereien führen Schnitte in gotischem oder Schwabacher-Charakter. A — z. Bremen. Typographischer Klub. Am 5. Februar boten vier Rundsendungen ein überreiches Anschauungsmaterial: Eine im letzten Herbst von Bremen ausgegangene Rundsendung „Bremer Wein- und Speisekarten" war vom Kreise Hamburg zurückgekehrt, eine neue „Bremer Geschäftskarten und -Empfehlungen" sollte abgeschickt werden und außerdem waren Detmolder und Rostocker Arbeiten aus der Praxis ausgestellt und wurden vom Vorsitzenden besprochen. — Am 9. Febraur hörte eine Anzahl Mitglieder einen öffentlichen Lichtbilder-Vortrag des Herrn Dr. Redslob im Gewerbe museum über „Schrift und Druck in ihrer kunstgeschichtlichen Entwicklung". Im Gewerbemuseum war vom 11. Februar bis 12. März eine Ausstellung für modernen Druck eingerichtet, wozu der Klub Material hergeliehen und die er auch durch einen Beitrag von 20 M. finanziell unterstützte. Sie umfaßte neuere Schriftgießerei- Erzeugnisse, eine Buchabteilung und angewandte Druckkunst wie Titel, Adressen, Kalender, Geschäfts-, Familien-, Vereins drucksachen usw. — Am 19. Februar wurde das Ergebnis des letzten Preisausschreibens bekanntgegeben (Anzeige für eine Bremer Firma). Der Auftraggeber hatte infolge des guten Ergebnisses die Preise erhöht, und erhielten Herr Pfalz den 1. und 3., Herr Krämer den 2. und Herr Zahn den 4. Preis. Da jeder nur einen Preis bekommen kann, erhielt auch Herr Malbrich einen Preis, und Herrn Poppens Arbeit fand lobende Erwähnung. Außerdem lag an dem Abend wieder reiches Anschauungsmaterial aus, das Herr Oskar Schulz dem Klub aus treuer Anhänglichkeit zur Ausstellung und Be sprechung übersandt hatte. Herr Schulz hat früher im Bremer Klub als Kursusleiter eifrig und erfolgreich gewirkt. Die ausge stellten Arbeiten von ihm, Skizzen, Zeichnungen, Blei- und Zelluloid schnitte und fertige Drucksachen legten Zeugnis von seinem außer ordentlichen Können ab, das er in seiner jetzigen Wirkungsstätte voll entfalten kann. Die Sachen fanden viel Beifall und Anerkennung. Am 4. März hatte der jetzige Leiter des Skizzierunterrichts, Herr G. Arnold, eine Auswahl seiner Arbeiten ausgestellt. Herr Arnold ist jetzt ausschließlich als Zeichner tätig, und die Arbeiten wiesen künstlerische Reife auf. Eine Rundsendung „Mainzer Druck sachen" ergänzte die Ausstellung. Die Abrechnung vom 4. Viertel- jahr 1911 ergab bei 171 M. 50 Pf. Einnahme und 275 M. 1 Pf. Aus gabe einen Bestand von 281 M. 56 Pf. Das 10. Stiftungsfest er forderte einen Zuschuß von 131 M. 88 Pf. Sodan:i wurden folgende Fragen beantwortet und die Antworten in der Aussprache ergänzt, a) Wie stellt man die Abschlußlinie bei Bilanzen ? b) Wie setzt man am besten Bogen, Kreise, Ovale usw. ? Zum Schluß wurden die Bedingungen zum Preisausschreiben für eine Mitgliedskarte des Klubs aufgestellt. — o — Breslau. Typographische Gesellschaft. Die Sitzung vom 21. Februar war sehr gut besucht. Unter den Eingängen war eine Anzahl Festdrucksachen aus Bremen und eine Einladung zur „Schlesischen Bauern-Hochzeit", veranstaltet vom Schlesischen Kunstgewerbeverein. Ueber „Die Neujahrskarte 1912" sprach nach Verlesung des Protokolls Herr Liebich. Er führte aus, daß man als Kritiker von den diesjährigen Neujahrskarten sagen müsse, daß im großen ganzen kein Fortschritt zu erkennen sei. Redner ging dann die etwa 100 eingegangenen Karten durch. Leipzig (Ver einigung) hat sich eine geschriebene Karte geleistet, deren erster Eindruck bestechend ist, dann aber den Nachteil hat, daß sie nicht fließend lesbar ist; Leipzig (Gesellschaft): Farbenstimmung gut, in Delitzsch-Antiqua, Unterschrift hätte durchgehend gesetzt werden sollen und etwas tiefer gestellt werden müssen, dann wäre ein wesentlich besseres Bild erzielt; das Rundschreiben ist gut aus geführt, wäre jedoch auf Oktav in 4 Seiten besser untergebracht worden. Die Typographische Gesellschaft Graz hat eine sehr ge schmackvolle Karte, der Initial D steht etwas zu frei. Hannover (Typographische Vereinigung) sendet eine in zwei Farben geschmack voll ausgestattete Karte, die einwandsfrei ist, bis auf das etwas kleine Format. Stettin: Wirkung und Farbenwahl gut, Sperrung jedoch zu weit. Dessau: ganz nette Leistung, nur hätten die Worte