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DAPIER-VERARBEITUNG ■ Bu CH G E WERBERS Entwicklung der Schrift Vorträge im Deutschen Buchgewerbehaus in Leipzig Fortsetzung zu Nr. 21 S. 775 Nachdem die jahrhundertelange Entwicklung der Buch stabenformen in überreicher Weise behandelt worden war, konnte auch der „Kunst des Stempelschneidens” ein Abend gewidmet werden. Das Referat hierzu hatte Herr Professor Georg Schiller von der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig übernommen. Die Kunst des Stempelschnittes kann bis in die frühesten Zeiten verfolgt werden. Seine Anspruchslosigkeit war aber stets die Schuld, daß man einem so künstlerischen Gebiete nicht die erforderliche Beachtung zuteil werden ließ. Erst neuerdings wurde seine grundlegende Notwendigkeit erkannt, und der all gemeine kulturelle Aufschwung vermochte die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Allerlei technische und künstlerische Ver vollkommnungen brachten den Stempelschnitt zu seiner jetzigen Blüte. Man erkannte seine Notwendigkeit zur Erzielung zeit gemäßer und moderner Schriften. Die Uranfänge sind bei den Phöniziern zu finden, denen die Aegypter. und Perser zur Seite stehen. Schon diese Völker besitzen ein großes Kunstverständnis, und als Folge davon macht sich ein Luxus bemerkbar, der darin bestand, daß die Be güterten ihr Medaillonbild am Finger trugen. Die Folge war eine ausgedehnte Kunst in Metall- und Edelsteinschnitten, die in Kleinasien zu großer Bedeutung gelangte. Zahlreiche Dokumente dieser Epoche sind heute in Museen und ‘Samm lungen aufgespeichert, um Zeugnis zu geben von dem Verständ nis für Formenschönheit in dieser klassischen Zeit. Mit Meißel, Grabstichel und Bunzen wurden die vielen Kleinplastiken ge arbeitet, die uns jetzt Nachweise vom Stand der Kultur und Anhaltspunkte über die verwendeten Materialien geben. Die Siegel, jetzt in jeder Größe und Ausführung hergestellt, be sitzen einen bedeutenden Wert. Und neben vorwiegend orna mentalem Charakter sind auch Umschriften mit Wappen und ähnliche Arbeiten zu finden, welche die Reize persönlicher Eigen art zeigen. Im 16. Jahrhundert tritt eine ungünstige Wandlung ein, denn die Stempelschneider ließen sich zu Künsteleien ver leiten, mit denen jede individuelle Eigenart verschwand. Der künstlerische Wert ihrer Erzeugnisse geht zurück, und wenn einzelne eine Ausnahme zu machen versuchen, so waren ihre Bemühungen ohne Erfolg. Mit der Erfindung der Buchdrucker kunst öffnet sich den Stempelschneidern ein neues Feld zur Betätigung. Für die zahlreichen entstehenden Leder bände wurden Reliefprägungen bevorzugt, zu deren Herstellung Platten, Rollen und Fileten nötig waren. Aber leider konnte diese Technik sich nicht lange behaupten, sie wurde durch den Flächen schnitt abgelöst, der den ersteren nach und nach ganz verdrängte und auch heute noch von Verlegern gern benutzt wird. An fangs beschränkte sich der Schnitt auf einzelne Buchstaben, dem dann Wörter und Sätze folgten. In den weiteren Ausführungen ging der Redner auf die Ver suche Gutenbergs über, die zur Herstellung der Matrizen und später der Buchstaben führten, mit denen er seine Werke druckte. Der spätere Verfall der Kunst im Buchdruck blieb nicht un erwähnt, dem Breitkopf und Unger mit gutem Erfolge ent gegentraten. Breitkopf verschaffte sich große Verdienste durch die Fertigstellung der Breitkopf-Fraktur und der Breit kopf-Schwabacher, und Johann Friedrich Unger, 1800 in Berlin zum Professor ernannt, bemühte sich in hervorragender Weise um die Verbesserung und Erhaltung der Fraktur. Mit welchen Schwierigkeiten aber die Durchführung solcher Ideen ver bunden war, darüber gibt die Einleitung seiner im Jahre 1793 erschienenen Schriftprobe Aufschluß. Ungefähr acht Jahre beschäftigte er sich damit, die deutschen Lettern zu verein fachen, das viele Eckige von den Gemeinen und das Krause, Gotischschnörkliche von den Versalien wegzuschaffen, ohne jedoch der Schrift durch die damit vorzunehmende Veränderung ein fremdartiges Aussehen zu geben. Die ersten Versuche miß langen vollständig, obwohl der rühmlichst bekannte Schrift schneider Firmin Didot sein ganzes Können einsetzte. Auch ein ähnliches, von Lampe und Göllner geschaffenes Erzeugnis schlug fehl, so daß sich Unger entschloß, selbst Unterricht im Stahlschneiden zu nehmen. Seine Bemühungen führten schließ lich zu der nach ihm benannten Unger-Fraktur, die neuerdings wieder vollständig, den heutigen Ansprüchen entsprechend umgeschnitten worden ist, so daß eine deutliche Schrift ent stand, mit der gute und eigenartige Drucksachen ausgeführt werden können. Die ganze Entwicklung gerade dieser Schrift zeigt erneut, welche Schwierigkeiten zu überwinden sind, um eine neuzeitliche und charakteristische Schrift zu schaffen. An der Hand der nun folgenden Lichtbilder konnte man die verschiedenen Techniken des Stempelschnittes verfolgen. Zunächst kommt der Steinschnitt in Betracht, der an Halb edelsteinen und Edelsteinen ausgeführt wird. Mittels eines in eine kleine Drehbank eingespannten Stahlstückes und Diamant staub werden die Steine bearbeitet. Aehnlich wird auch der Münzstempelschnitt ausgeführt, denn es entsteht keine Münze und Medaille, die nicht mit der Maschine geschnitten ist. Stichel und andere Werkzeuge sind hinfällig geworden. Das Modell wird erst in Gips, dann in Eisen gegossen und in die Maschine eingespannt. Der Letternschnitt dagegen verlangt eine andere Arbeitsweise. Mit der Vorbereitung der Stahlstücke, aus denen die Stempel geschnitten werden sollen, beginnt die um fangreiche und peinlich genaue Arbeit. Dann folgt die Ueber- tragung und die Bearbeitung mit den verschiedensten Sticheln, welcher sich das Härten des Stückes als letztes anschließt. Mit dem so gewonnenen Stahlstempel können die Matrizen her gestellt werden. Man verwendet dazu kleine Kupferstücke, in welche der Stahlstempel eingepreßt wird. Dem Justierer fällt dann die Aufgabe zu, diese Kupferstücke zu bearbeiten, den genauen Stand der eingeprägten Matrize zu prüfen und für den Guß fertig zu machen. Neben der Anfertigung von Stahl stempeln können die Schriften auch in Bleischnitten herge stellt werden. Dazu sind blankgeschliffene Bleiklötzchen er forderlich, auf welche die Zeichnung des Buchstabens über tragen werden muß. Alles überflüssige Metall wird entfernt, so daß nur der Buchstabe stehen bleibt. Im galvanischen Bade (Kupfer oder Nickel) gewinnt man einen Niederschlag, der in ein Stück Blei so eingegossen wird, daß er ebenso wie die geprägten Matrizen zum Guß Verwendung findet. Der Zeug schnitt kann auch maschinell durch Uebertragung mit dem Pantographen erfolgen. Jede Schablone ist für sechs verschiedene Schriftgrade verwendbar. Neben den Lichtbildern trug um fangreiches Anschauungsmaterial, von der Originalzeichnung bis zum fertigen Guß, sowie das gesamte Handwerkszeug zum besseren Verständnis bei. Mit diesen Ausführungen gab der Referent ein Bild von der vielseitigen Tätigkeit des Stempelschneiders, dessen Arbeit in die folgenden Hauptgruppen eingeteilt werden kann: erstens Reliefgravuren und zweitens Flächenschnitt. Zu den Relief gravuren gehören Münzen- und Medaillenprägungen, Siegel abdrücke, heiße Pressungen in Leder, Pappe usw., Siegelmarken, Prägungen auf Briefpapieren und Kartonnagen und Blind prägungen, während man zu den Flächenschnitten die Brief- und Siegelmarken, Farbenstempeldruck, Typenguß und den Golddruck der Buchbinder rechnet, dt. Rußlands Büchererzeugung. Am 15. Februar wurde in St. Peters burg die Ausstellung der russischen Preßerzeugnisse des Jahres 1911 eröffnet. Nach den dort ausgehängten Tabellen sind diese Druckwerke in 52 Sprachen erschienen. Die Zahl der gedruckten Bücher betrug 32 361, davon waren 25 526 russisch. Von 2543 periodischen Schriften waren 1007 Zeitungen und 1563 Zeitschriften.