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Nr. 18 PAPIER-ZEITUNG 647 Der Vorstand hält es für wünschenswert, daß die Vereine Deut scher Papierfabrikanten, Deutscher Zellstoffabrikanten, Deutscher Holzstoffabrikanten, und Deutscher Pappenfabrikanten einen Aus schuß bilden zwecks gemeinschaftlicher Feststellung eines Frage bogens, der dann von einer Stelle an alle beteiligten Industriellen versandt wird. Mit den anderen Verbänden soll deshalb Fühlung genommen werden. Herr Lehmann bringt des weiteren die Verschiedenheit der Fragebogen der einzelnen Handelskammern zur Sprache. Da seine Firma mehrere Fabriken hat, so bekommt er von mehreren Handels kammern, die doch alle dasselbe wissen wollen, durchaus verschiedene Fragebogen, ohne daß der eine gegenüber dem anderen eine Ver besserung darstellt. Es wird hierzu beschlossen, an den zuständigen Stellen für ein heitliche Gestaltung der Handelskammerfragenbogen einzutreten. Es wird angeregt, daß sich der Verein auch mit der Arbeiter frage befaßt. Es wird darauf hingewiesen, daß ein Arbeitgeber verband der deutschen Papier- und Zellstoffabrikanten besteht, und daß eine Organisation der Arbeitgeber nur dann Zweck hat, wenn in ihr möglichst alle Arbeitgeber vereinigt sind. Der genannte Arbeitgeberverband ist der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeber verbände in Berlin angeschlossen, die ihrerseits dem Centralverband Deutscher Industrieller nahe steht. Ein Beschluß wird hierzu nicht gefaßt. Inwieweit mit den übrigen Vereinen unseres Faches ein Zu sammenarbeiten zweckmäßig scheint, muß der weiteren Entwickelung überlassen bleiben. Zu Punkt 4 der Tagesordnung macht Herr Dr. Kubatz von einem Brief Mitteilung, den die Groitzscher Rohpappenfabrik gesandt hat. Zwischen den übrigen Pappenfabrikanten und den Rohdachpappen fabrikanten bestehen gewisse Gegensätze. Diese sind indessen zu überwinden. Nach Ansicht eines hervorragenden Mitgliedes des Vereins Deutscher Rohpappenfabrikanten beträgt die Ausfuhr in Rohpappe etwa 1/3 ihrer Erzeugung. Der genannte Verein ist in erster Linie ein Kartell. Es steht also nichts im Wege, daß sich’die Rohpappenfabrikanten uns anschließen; und für den Verein Deut scher Pappenfabrikanten ist es vorteilhafter, wenn seine Grundlage so breit als möglich ist. Es fragt sich, ob zur Wahrung der besonderen Interessen der Rohpappenfabrikanten die Einsetzung eines beson deren Ausschusses bei unserm Verein angezeigt ist, falls sich eine größere Anzahl Rohpappenfabrikanten anschließt. Von anderer Seite wird mitgeteilt, daß auch die Strohpappen fabrikanten einen besonderen Verein haben, und daß der Anschluß derStrohpappenfabrikanten an unsern Verein betrieben werden müsse. Es wird beschlossen, von der Bildung besonderer Ausschüsse für die einzelnen Pappensorten zunächst abzusehen und dafür zu sorgen, daß alle Pappenfabrikanten in den Verein eintreten. Zu Punkt 5 der Tagesordnung, der im wesentlichen durch die Beschlüsse zu Punkt 2 und Punkt 4 erledigt ist, wird geeignetenfalls die Bildung weiterer Unterverbände und die Schaffung eines Ver hältnisses zwischen diesen und dem Hauptverein in Aussicht ge nommen. Zu Punkt 6 der Tagesordnung werden weitere Mitteilungen nicht gemacht. Herr Lehmann schließt die Sitzung um 2 Uhr. gez. Dr. Kubatz. * * * Der Verein versandte am 20. Februar an die deutschen Pappen fabrikanten einen Aufruf, worin er die Ergebnisse obiger Sitzung kurz mitteilt, und dem er einen vom Zentralverband Deutscher In dustrieller herausgegebenen Fragebogen mit der Bitte um Beant wortung bis Mitte März beifügt. Der Verein fordert alle Pappenfabrikanten dringend auf, ihm ungesäumt beizutreten und die Beitrittsanmeldung an seine Ge schäftsstelle, Berlin W 9, Köthener Straße 27 I, gelangen zu lassen. Er fügt auch einen Abdruck der Satzung bei. Der jährliche Beitrag ist 1 M. für je 1000 M. der Lohnsumme zur Unfallversicherung, min destens aber 10 M. Oesterreich-ungarischer Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Gründende Versammlung in Wien in den Räumen des Vereins der österreichisch-ungarischen Papierfabrikanten, Schwangasse 1, 10. Februar 1912 Fortsetzung zu Nr. 17 S. 610 8. Vortrag des Herrn Direktors Max Diamant über die Entwicklung der Natron- beziehungsweise Sulfatzellstoffabrikation in Oesterreich-Ungarn Nachdem die jüngere Schwester unserer Zellstoffindustrie in Herrn Spiro einen so glänzenden Interpreten gefunden hat, wird es mir schwer werden, für die ältere Schwester noch Ihr Interesse zu erwecken. Die jüngere hat auch in ihrer blendendweißen Un schuld siegreich das Feld behauptet, da in Oesterreich-Ungarn den zahlreichen Sulfitfabriken nur noch zwei bestehende Natron fabriken in Stuppach und Frantschach gegenüberstehen, während die dritte, welche anfänglich in Hirschwang bestanden und später nach Torda übertragen wurde, unterdessen zum Stillstand kam. Die Einführung der Natronzellstoffindustrie sowie deren lange Kämpfe mit den Behörden sind eigentlich eine Leidensgeschichte, wie Sie aus der weiteren Entwicklung des Vortrages ersehen werden. Da sich mein Thema auf Oesterreich beschränkt, kann ich auf die Vorläufer in England, Amerika und Deutschland nur kurz ein gehen. In diesen Ländern hat sich in den 60 er bis 70 er Jahren des vorigen Jahrhunderts schon eine blühende Industrie entwickelt. Die Anfänge reichen bis in die 50 er Jahre zurück. Besonders in Amerika blühte diese Industrie frühzeitig und in größerem Stile; so finden wir schon im Jahre 1865 in Philadelphia eine Fabrik der American Wood Paper Co., welche mit einem Kapital von 50 000 Dollar arbeitete. Wir finden bald verschiedene Systeme, so das Houghtonsche, das Sinclairesche, das Leesche Verfahren und andere. Es folgen in Deutschland die ersten Fabriksgründungen; Max Dresel in Dalbke und Behrend in Köslin bauten im Jahre 1871 Natronzellstoffabriken. Ich hatte Gelegenheit, beide in späterer Zeit kennen zu lernen, in der letzteren meine ersten Sporen zu ver dienen. Dresel arbeitete nach eigenem System. Köslin erlebte das Schicksal so mancher Natronzellstoffabrik, indem es durch behörd liche Schikanen gezwungen wurde, seinen Betrieb unwirtschaftlich zu gestalten und schließlich einzustellen. Um diese Zeit tritt Albert Ungerer mit seinem patentierten Ver fahren auf. Sein Patent war genial ausgedacht und berechtigte zu den besten Hoffnungen. Er arbeitete in Batterien, indem er das Holz in verschiedenen Kochern der Reihe nach mit schon benützter Lauge und schließlich mit frischer Lauge kochte. Im Jahre 1872 wurde die erste Fabrik nach dem System Ungerer in Leopoldstein bei Eisenerz in Steiermark für die Fürstin Liechtenstein gebaut. Dies war überhaupt die erste Zellstoffabrik in Oesterreich. Sie sollte zur Verwertung der der Fürstin gehörigen Wälder dienen. Sie werden hören, daß aus diesem heute fast unglaublich klingenden Grunde noch andere Fabriken errichtet wurden, während wir heute oft nicht wissen, woher wir unser Holz beschaffen sollen. Diese erste Natronzellstoffabrik kam leider nie in regelmäßigen Betrieb, sondern brannte während der Inbetriebsetzung ab. Eine Neuanlage wurde dann in Stuppach bei Gloggnitz in Nieder-Oesterreich unter Be nutzung der beim Brande verschont gebliebenen Maschinen und Apparate errichtet. Nach dem System Ungerer wurde nur noch eine Fabrik in Sinsleben am Harz erbaut. Die Stuppacher Fabrik ging im Jahre 1882 in den Besitz der Aktiengesellschaft der k. k. priv. Papierfabrik Schlöglmühl über. Bisher wurde in Natron fabriken nur mit reinen Sodalaugen oder mit Aetznatron gearbeitet, abgesehen von den Mengen an Schwefelnatrium, die durch die da mals verwendete Leblancsoda unbewußt in die Laugen kamen. An fang der 80 er Jahre kam C. F. Dahl, Danzig, mit seinem neuen Verfahren, schwefelsaures Natrium zum Ersatz der Natronverluste zu verwenden. Er ließ sich das Verfahren 1884 in Oesterreich patentieren. Fast zur selben Zeit 1882 nahm Direktor Helbig in Außig das Patent DRP Nr. 25485 auf die Darstellung von Zellstoff aus Holz, Stroh usw. durch Kochen mit Schwefelnatrium. Man seh die Vorteile der Einführung von Schwefelnatrium in die Kochlaugcn bald ein. Ich erlaube mir nur hier meine Ansicht einzuflechten, daß die Verwendung von Glaubersalz (Na a SOa), das beim Kalzinierprozeß teilweise zu Na, umgewandelt wird, während ein Teil als nicht um- gesetztes Na,SO4 in den Laugen mitgeführt wird, in doppelter Weise schonend auf die Faser wirkt und daher bessere Ausbeute bewirkt. Abgesehen von den günstigen Ergebnissen in Kleinrückerswalde nach dem Helbigschen Verfahren, die von Hern C. Savres angegeben werden, bewirkt meiner Ansicht nach bei dem Sulfatverfahren (viele Fabriken setzen das Sulfat direkt in die Mischer und reduzieren erst nach der Kochung) das mitgeführte indifferente Sulfat eine Erhöhung des spezifischen Gewichts der Frischlaugen, diese zeigen bei gleicher Menge an wirksamem Aetznatron und Schwefelnatrium höhere Beaumö-Grade. Wenn man die Zellstoffzelle als Membrane und den Kochvorgang auch als Diffusionsprozeß betrachtet, also physikalische neben chemischen Vorgängen voraussetzt, so wird zwischen den mit indifferenten Stoffen schon angereicherten Lösungs laugen und dem erweichten Zellinhalt früher Gleichgewicht eintreten, als bei gleichstarken dünneren Laugen. Ich glaube, daß auch aus diesem Grunde die Faser mehr geschont wird. Ich kehre zu meiner historischen Uebersicht zurück. Im Jahre 1876 erfolgte die Inbetriebsetzung der Stuppacher Fabrik. Dies war die erste, wirklich erzeugende Holzzellstoffabrik in Oester, reich. Ich halte mich nun ganz an die vom geehrten Herrn Kollegen Direktor Jenke in Stuppach erhaltenen Daten, für die ich ihm hier meinen besten Dank sage. Die Fabrik wurde mit kleinen Kochern, die kaum 1 rm Holz faßten, eingerichtet. Bald wurden jedoch größere