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612 PAPIER-ZEITUNG Nr. 17 Gesamtgehalt an schwefliger Säure an. Um nun die Menge der freien SO 2 einerseits und der gebundenen anderseits zu bestimmen, titriert man sodann die aus der Jodtitration stammende Flüssigkeit mit 1/10 normal Natronlauge unter Anwendung von Phenolphtalein als Indikator zurück. Die bei der ersten Titration entstandene Jod wasserstoffsäure wird vom Natron gebunden, die Menge der freien schwefligen Säure wird daher durch das Natrontiter angezeigt. Während man früher die Stärke der Lauge lediglich nach den Beaum- Spindelgraden beurteilte, weiß man jetzt, wieviel SO, frei und wie viel an Kalk gebunden ist und kann daher die Lauge und die Kochung viel zuverlässiger verfolgen als früher. Die Kochung ist nämlich von der chemischen Zusammensetzung der Lauge einer seits, der Temperatur, der Kochzeit und dem Kochdruck ander seits abhängig, und alle diese vier Faktoren ersetzen sich gegen seitig bis zu einem gewissen Grade in ihrer Wirkung. Zur Ver meidung von Fehlkochungen ist es daher nötig, sie alle genau zu kennen. Fehlkochungen können nach Mitscherlich auch dann eintreten, wenn die Lauge sublimierten Schwefel enthält. In neuerer Zeit hat Professor Klason in Stockholm in höchst dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß ein schon verhältnismäßig geringer Selen gehalt der Schwefelkiese oder der aus ihnen gewonnenen Koch laugen Fehlkochungen herbeiführt. 4. Aufbereitung des gekochten Stoffes Auch die Aufbereitung des gekochten Stoffes hat wesentliche Wandlungen durchgemacht. Die aus den Kochern kommende Masse verarbeitete Mitscherlich in zwar eigenartiger, leider aber unwirtschaftlicher Weise weiter. Er beförderte sie in hölzerne Stampfwerke: Es lohnt nicht, diese näher zu beschreiben. Sie sind kaum noch vorhanden und haben nur geringe Leistungsfähigkeit. Ihrer Arbeitsweise lag der Gedanke zugrunde, Aeste und hartgebliebene Holzstücke tunlichst wenig zu zerkleinern und dadurch Verunreinigungen des Zellstoffs zu verhüten. Manche Fabriken, welche die in der Papiererzeugung schon längst überwundenen Stampfen nicht einführten, halfen sich mit Waschholländern, deren Messerwalze in ihrer tiefsten Lage noch hoch über dem Grundwerke lief und infolgedessen die Aeste schonte. Als wenige Jahre nach Einführung der Zellstoffabrikation die Firma Wagner & Co. in Cöthen den sogenannten Separator baute, empfand man dies als wahre Wohltat. Die Maschine besteht gewöhnlich aus zwei hintereinandergeschalteten konischen Trommeln, welche innen mit Holzstiften besetzt sind. Innerhalb der Trommel rotiert eine im allgemeinen hölzerne Welle, welche gleichfalls mit Holzstiften oder Schlägern besetzt ist. Diese Knet- oder Zerfaserungs maschine ist sehr leistungsfähig 0 und schont gleichfalls die Aeste und das harte Holz. Ingenieur Aberg und die Firma P. H. Nebrich in Smichow haben den auf dem gleichen Grundsatz beruhenden „Opener“ eingeführt. Auch von Partington stammt ein recht prak tischer Apparat ähnlicher Art. Mitscherlich leitete den von den Stampfen kommenden Stoff nach entsprechender Verdünnung auf den Sandfang, dessen Grund zug schon früher in Fachkreisen allgemein bekannt war. Seit vielen Jahren entlastet man den Sandfang von der Hauptmenge der un zerfaserten Bestandteile durch Einschaltung von Astsortiertrommeln, welche ursprünglich in Amerika zur Anwendung gelangten, seit dem aber auch von deutschen und österreichischen Maschinen fabriken in sehr guter Ausführung geliefert werden. Für die Reinigung des vom Sandfang kommenden Stoffes von Splittern undAststücken wurden vielerlei Einrichtungen, sogenannte Splitterfänger, nach und nach eingeführt. Der Mitscherlichsche Splitterfänger bestand aus einem Holzkasten, in welchem ein großer Holzrahmen oszillierte, dessen Boden aus langgeschlitzten Blechen gebildet war. Diese Einrichtung hat sich nicht bewährt, ihre Leistungsfähigkeit war gering, und die Reinheit der Ware ließ vieles zu wünschen übrig. Man ging vielfach zu gewöhnlichen Planknotenfängern und später zu rotierenden Splitterfängern über. Steinbock in Frankfurt a. d. Oder erfand den aus Glasprismen zusammengesetzten Zellstoffreiniger, der den Vorteil haben sollte, keine Abnützung zu erfahren, weil Glas von der Säure nicht an gegriffen wird. Doch kamen leider häufig Brüche der Glasstäbe vor. In den letzten Jahren fanden die aus der Holzschleiferei bekannten Schleudersortierer und die auch in der Papierfabrikation ver wendeten großen Partington-Knotenfängcr ziemlichen Anklang, da sie beide sehr leistungsfähig sind. Die Schleudersortierer brauchen verhältnismäßig viel Kraft und zerkleinern einen Teil der gröberen Verunreinigungen, welche dann durch den gelochten Mantel hin durchtreten und in den Zellstoff gelangen. Die Partington-Knoten- fänger sortieren sehr rein und bewähren sich, hauptsächlich bei weichgekochtem Zellstoff, sehr gut. Für die Entwässerung des Stoffes, welcher häufig Auswaschen mit Waschtrommeln vorangeht — Mitscherlich wendete Wasch trommeln mit Roßhaarüberzügen an — werden zurzeit vorwiegend Lahgsiebentwässerungsmaschinen benützt. Mitscherlich verwendete Naßfilzpressen, welche den Stoff in Brockenform lieferten. In Amerika, zum Teil auch in Europa, werden auch Zylinder-Ent wässerungsmaschinen benutzt. Sie sehen meine Herren, wie fast an allen Ecken und Enden der Sulfitzellstoffabrikation innerhalb ihres kaum 30 jährigen Be standes, große und kostspielige Wandlungen vor sich gingen. Die älteren Fabriken konnten diesen nicht in allen Teilen folgen und müssen sich heute noch mit mancher längst überholter Einrichtung und Anordnung zufrieden geben. Diese Aenderungen und Verbesse rungen hatten wesentliche Verminderung der Herstellungskosten im Gefolge. Wie wäre es sonst möglich, daß, wenn auch anfänglich ah Sulfitzellstoff sehr viel verdient wurde, dieser heute zu fast 1/3 Seines ursprünglichen Kaufpreises geliefert wird, trotzdem das Holz Seitdem ungefähr das Dreifache kostet und die Arbeitslöhne sowie manche andere Rechnungsgrundlagen bedeutende Steigerung er fuhren. Jene, die wie ich die technische Entwicklung dieser Industrie mitmachten, haben zwar viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, hierbei aber auch viel Lehrgeld gezahlt. Weitere Neuerungen werden sicherlich noch kommen. So z. B. wird bereits auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Verwertung der Abwässer, unter gleichzeitiger Lösung der immer schwieriger werdenden Abwasserfragen, sehr stark gearbeitet. Auf diesem Gebiete gärt es schon seit Jahren, Und das Ergebnis dieser geistigen Gärung ist der Sulfitsprit, dessen Erzeugung in Schweden anscheinend schon weit über das Versuchs- Stadium ■ hinaus gediehen ist. In Deutschland und Oesterreich- Ungam, wo die Verhältnisse für diese Verwertungsart der Ablaugen ungünstig liegen, sucht man andere Absatzwege. Man befreit die Ablaugen tunlichst von Kalk und schwefliger Säure, dickt sie ent sprechend ein und verwertet sie sodann als Gerbstoff, als Binde mittel für Preßsteine, u. a. auch in der Eisengießerei usw. Alle diese Verwendungszwecke sind aber leider bisher noch nicht hinreichend, um für die sich ergebenden großen Mengen der Sulfitablauge aus reichenden und gewinnbringenden Absatz zu bieten. Die Frage der Ablaugenverwertung ist daher für uns noch immer nicht be friedigend gelöst. Sicherlich werden noch andere wichtige Fragen auftauchen. Die Industrie steht nicht still und die Sulfitzellstoff- Industrie am allerwenigsten. Selbstverständlich stellt der technische Fortschritt in unserer Industrie auch immer höhere Ansprüche an die Tüchtigkeit unserer Fachtechniker, die zu fördern eine Hauptaufgabe unseres Vereins sein soll. Dr.^Klein dankt Herrn Spiro im Namen des Vereins für seine Ausführungen. Herr Spiro habe die Entwicklung der Zellstoff- Industrie in Oesterreich von Beginn an mitgemacht und auch dadurch gefördert, daß durch seine Schüler zahlreiche große Fabriken in Deutschland und Oesterreich gebaut worden seien. Er beantragt den Vortrag abteilungsweise zu besprechen. (An trag wird angenommen.) Für den ersten Teil, Holzbearbeitung, weist er darauf hin, daß einige große Fabriken heute noch das Holz in Scheiben schneiden. Brune: Er habe 1882 aus Scheiben so reinen, schönen, seidenartig glänzenden, festen Stoff hergestellt, wie er jetzt kaum noch bei ihm vorkomme. Allerdings wurden die Aeste von Hand sorgfältig ausgehackt und diese und die Sägespäne in zwei Kochungen verarbeitet. Bei jetzigen Zellstoffpreisen würde sich das allerdings nicht mehr lohnen. Salzer: Er; habe in Amerika ein) Verfahren von Spencer kennen gelernt, mit Hilfe dessen die Aeste besonders verarbeitet würden. Vor der Kochung würden die schweren Aeste abge schwemmt; sie müssen die Aufbereitung zweimal durchmachen. Spiro : Er habe darauf hingewiesen, daß durch Abtrennung der Sägespäne besserer Stoff erzielt werde, daß aber dies sehr kostspielig sei. Direktor Diamant: Sägespäne verunreinigen auch beim Natronverfahren den Stoff und werden deshalb bei uns mit Hilfe einer Transportschnecke mit Siebböden abgesondert. Dr. Klein: Spencers Verfahren sei ungeeignet, da es splitt rigen Stoff ergebe, weil das Holz zu feucht sei. Fahrner: Er zerkleinere die Aeste in einer besonderen Schleudermühle durch Quetschwirkung, wodurch der Astkern von dem umschließenden Holz abgetrennt wird, befreie sie in einer Trommel, in welcher das Sortiergut hin und her gescheuert wird, von allen Unreinigkeiten und erziele alsdann la Zellstoff von besonderer Festigkeit. Necas : Er zerkleinere die Aeste in einem besonderen Ast-