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260 PAP I’ER -ZEITUNG Nr. 8 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Stenographisches Protokoll der Verhandlungen in der siebenten Hauptversammlung am 17. und 18. November 1911 im Papierhaus tn Berlin Fortsetzung zu Nr. 7 S. 223 Vorsitzender: Meine Herren! Es hat sich Niemand mehr zum Wort gemeldet. Wir kommen daher zu dem Vortrage von Herrn Direktor Heigis: „lieber die Verwendung von Jute in der Feinpapierfabrikation“ Direktor Heigis, Pilsen: Meine Herren! Noch in letzter Stunde sah ich mich leider ver anlaßt, meinen Vortrag so wesentlich abzuändern, daß die folgenden kurzen Ausführungen zum vorliegenden Thema Ihnen nicht viel Neues bringen werden. Vielleicht geben sie jedoch Anregung, sich mit weiteren Versuchen zur Verwertung der Jute zu befassen, die doch als verbrauchtes Gewebe, oder papiertechnisch gesprochen, als Lumpen noch heute ein verhältnismäßig billiger Rohstoff ist, und zwar für bessere Papiere, in Sonderheit holzfreie Druckpapiere, unter Umständen auch für andere Spezialitäten. * Wie bekannt, wurden Jutelumpen schon vor sehr langer Zeit hauptsächlich als Ersatz für die Manilafaser zu Packpapieren ver schiedener Art verwendet. Ihr Verbrauch ging jedoch nach Erfin dung des Braunholzschliffes und Herstellung von Holzzellulose, also nach Einführung von Patentpack-(Braunholz-), Zellulosepack- und sogenannten Kraftpapieren stark zurück. Allerdings sind heute noch Packpapiere bester Beschaffenheit im Handel, an die eben ganz besondere Ansprüche gestellt werden, und zu deren Herstellung deshalb weder Sulfit- noch Sulfatzellulose verwendet werden kann, jedoch ist für diese Papiere auch die Jute faser ausgeschlossen; ich meine die echten Manila-Kabelpapiere. Der Grund der Nichtverwendung genannter Rohstoffe zu diesen Papieren liegt nicht etwa in der Festigkeit der betreffenden Fasern, denn ich habe z. B. aus bleichbarer weicher Sulfatzellulose hergestellte Papiere untersucht, die 7800 Meter Reißlänge und 4,2 v. H. Dehnung im Mittel aufwiesen, die also fester und dehnbarer waren, als es von diesen Papieren gewöhnlich verlangt wird. Der Grund dieses Ausschlusses liegt vielmehr auf ganz* anderem Gebiet. Ich werde hierauf voraussichtlich in der nächsten Haupt versammlung in Berlin oder in einer Zweigvereins-Sitzung in Wien zurückkommen. Auch nach Einführung der Holzzellulose wurde Jutestoff noch in gebleichtem, oder besser gesagt, in 1 gebleichtem Zustand zu verschiedenen Papiersorten, hauptsächlich mittelfeinen Papieren, vielfach verwendet. Aber auch da wurde die Jute nach und nach verdrängt, einesteils infolge des Preisrückganges der Holzzellulose und andererseits wegen der stetig gewachsenen Ansprüche an die Grundweiße und die Reinheit dieser Papiere. Diesen erhöhten An forderungen ist es wohl in erster Linie zuzuschreiben, daß die Jute bis jetzt zu holzfreien Papieren fast keine oder nur geringe Ver wendung gefunden hat. Jeder Fachmann, der sich mit Bleichen von Jute befaßt hat, kennt ja die Schwierigkeiten, welche damit verbunden sind. Bereits vor etwa 40 Jahren versuchten in- und ausländische Papierfabrikanten Jutelumpen vollkommen weiß zu bleichen, und man legte schon damals das Hauptgewicht auf die Kochung dieser Lumpen. Doch auf welche Weise im Hadernkocher TauchJgekocht wurde, ob mit höheren oder niedrigeren Temperaturen, ob mit grö ßeren oder kleineren Prozentsätzen Kalk oder Soda, längerer oder kürzerer Kochzeit, der Jutestoff ließ sich nur sehr schwer bleichen, und es wurden große Mengen Chlorkalk’verbraucht. TDabei'dürfte die Weiße jener gebleichten Jute nur ungefähr mit einer % ge bleichten Sulfatzellulose von heute zu vergleichen sein. Im Jahre 1895 wurde das DRP 89585 für ein Jutekoch- und Bleichverfahren erteilt. I Dem Wortlaut dieser - 'Patentschrift nach wird die Jute in der bisher üblichen Weise mit Aetzkalk (oder Soda) gekocht, gewaschen und zu" Halbzeug gemahlen," sodann 'aus dem Halbzeugholländer in Abtropfkästen abgelassen. Der so entwässerte Stoff soll dann entweder nochmals in den Kocher eingetragen und mit einer Seifenlauge von bestimmter Zusammensetzung etwa 1 Stunde und bei rd. 312 Atmosphären Druck gekocht werden, oder er wird aus den Abtropfkästen in einen oberhalb des Bleichholländers befindlichen Behälter gebracht, in diesem mit der Seifenlauge in gleicher Weise behandelt und dann in den Bleichholländer entleert. Der springende Punkt bei diesem Verfahren ist also die Be handlung mit der Seifenlauge, die mit oder ohne Dampfdruck vor genommen werden soll. Dieses sehr umständliche Verfahren'dürfte zur Herstellung eines gut aufgeschlossenen, weiß gebleichten Stoffes kaum geeignet sein. Es ist ja lediglich ein Reinigungsverfahren, das die Fasern, soweit dies nicht bereits bei der Kochung mit Aetzkalk geschehen ist, von Del, Fett und Schmiere befreien soll. Was kann also dieses Verfahren für einen Einfluß auf das Aufschließen der Bastfaser und auf deren Bleiche ausüben ? Uebrigens ist aus der Patentschrift nicht zu ersehen, welcher Prozentsatz Chlorkalk zu einer vollkommenen Weißbleiche erfor derlich sein soll. Nach Angaben in Hofmanns Handbuch würden nach vorausgegangener Gasbleiche rd. 7 v. H. Chlorkalk hierzu genügen. Nun wenn dies möglich wäre, so hätte dies Verfahren wohl allgemeine Anwendung gefunden. Trotz meiner vielfachen Bemühungen konnte ich aber nicht ermitteln, ob und wo es ange wendet wurde und zurzeit noch wird. Auch andere Verfahren wurden noch bekannt. 7 Die Schwierigkeit, Jute ebenso leicht wie andere Pflanzen faser weiß zu bleichen, besteht darin, daß sich ihre Eigen schaften von denen der anderen wesentlich unterscheiden. Schon Cross & Bevan stellten fest, daß die Jutefaser die Zellulose nicht in der gewöhnlichen Form enthält, sondern als Derivate derselben, bekannt unter der Bezeichnung Bastose; während die Zellulose zu den Kohlenhydraten gehört, stellt die Bastose einen Uebergang zu den aromatischen Verbindungen dar. Wird Jute mit starken Chlorkalklösungen behandelt, so entstehen gewisse Chlorverbin dungen. Durch Zusatz von Alkalien zersetzt sich dann die Bastose in unlösliche Zellulose und lösliche Stoffe, die zur Gruppe der Gerb säure gehören. Hieraus erklärt es sich auch, daß z. B. auf ungebleichte Jute basische Anilinfarbstoffe bedeutend leichter aufziehen als auf andere Faserstoffe, und selbst bei den tiefsten Farbtönen eine sonst unbe dingt notwendige Beize mittels Tannin vollkommen überflüssig ist. Jute ist gegen starke mineralische Säuren sehr empfindlich, deshalb soll zu ihrem Bleichen und Färben keine Schwefelsäure verwendet werden. Nach Cross & Bevan hat man sogar schon be obachtet, daß Jute auf der Verschiffung von Ostindien nach Europa durch längere Einwirkung von Meerwasser verdorben, also zersetzt wurde. Auch wird ein Jeder bemerkt haben, daß die Jute-Emballage des Aluminiumsulfates bei längerem Lagern durch den Inhalt zer stört wird. Bevor ich nun fortfahre, über die Behandlung der Jute zur Herstellung gebleichten Halbstoffes zu sprechen, möchte ich die Frage stellen: Kann Jute bei den heutigen hohen Ansprüchen, die selbst an gewöhnliche holzfreie Papiere gestellt werden, hinsichtlich Qualität und Erzeugungskosten des gebleichten Stoffes vorteilhaft als Ersatz von gebleichter Holzzellulose für bestimmte Papiere ver wendet werden ? Nach meiner Ueberzeugung ist diese Frage ohne weiteres zu bejahen, allerdings unter folgender Voraussetzung: Das Kochen der Jutehadern darf nicht wie früher mit Aetzkalk, Aetznatron oder kalzinierter Soda bei etwa 2% Atm. Druck vorgenommen werden (bei welchem Verfahren das Aufschließen der Bastfasern zum großen Teil einer starken Chlorbehandlung überlassen bleibt, und der ge bleichte Stoff meist noch Schäben aufweist), sondern nach einem Koch verfahren, welches vollkommenes Aufschließen der Bastfasern gewährleistet. Ich lasse jetzt einige Flaschen herumgehen, die ge kochte und gebleichte Jute sowie Ablauge enthalten. Leider sind mir auf der; Reise einige Flaschen zerbrochen, die ich hier in Berlin ersetzen mußte. Vergleichen Sie bitte Probe I mit den Proben II und Ila. Probe I wurde mit etwa 20 v.H. Aetzkalk etwa 12Stunden, die Proben II dagegen nach einem neuen Verfahren mit besonderer Lauge bei höherem Druck etwa 10 Stunden gekocht. Auf das Ver fahren kann ich heute nicht näher eingehen. Beide Proben enthalten das gleiche Rohmaterial, nämlich sogenannte schwarze Jute, wie sie zu den Säcken für schwefelsaure Tonerde, überhaupt für Pack zwecke, verwendet wird. Während Probe I sehr dunkles Aussehen hat, ist die Farbe des Halbstoffes der Proben II hellgelb; er könnte beinahe für vorgebleichten Stoff gehalten werden. Die Proben II und 1 Ila unterscheiden sich nur sehr wenig in der Farbe, der Stoff der einen wurde nur etwas weicher gekocht als der der’anderen. Die Flaschen'III und IV enthalten Ablauge von der Kochung. Die Jute wurde vor dem eigentlichen Kochen durch Behandlung mit einer schwachen Aetznatronlösung gereinigt. Die Koch-Ablauge hat, wie Sie sehen, ähnliches Aussehen wie die bei der Sulfitkochung des Holzes entstehende. Der nach dem neuen Verfahren gekochte Stoff läßt sich bei sachgemäßem Vorgang viel leichter bleichen, und die Ausbeute an gebleichtem Stoff ist wesentlich größer als nach dem alten Verfahren. Außer der Bleiche mit Chlor, die bei der Jute sehr vorsichtig erfolgen muß, kommen zwei Methoden zur Anwendung. 3 1. Bleiche mit Chlor und Kaliumpermanganat, 2» Bleiche ohne Chlor, mit Kaliumpermanganat allein.