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184 PAPIER-ZEITUNG Nr. 6 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Stenographisches Protokoll der Verhandlungen in der siebenten Hauptversammlung am 17. und 18. November 1911 im Papierhaus in Berlin Fortsetzung zu Nr. 5 S. 146 Vorsitzender: Meine Herren! Die Rednerliste ist erschöpft, und wir können nunmehr zu den Referaten und Vorträgen über gehen, und ich bitte zuerst Herrn Prof. Dr. Schwalbe, uns seinen Vortrag über Zellstoffbleiche zu halten. Zellstoffbleiche Prof. Dr. Schwalbe: Meine Herren! Vor mehreren Jahren hat der Vorstand beschlossen, neben den Vorträgen auf der Hauptversammlung auch Referate über Tagesfragen in der Papier- und Zellstoffchemie zu veranlassen. Vor zwei Jahren ist dieser Beschluß zum ersten Mal in die Tat umgesetzt worden dadurch, daß wir ein Referat und Korreferat über Harzleimung hatten, und wir haben die Harzleimung seit der Zeit ständig im Auge behalten als eines der wichtigsten Themata der Zellstoff und Papierchemie. Heute soll ich Ihnen über die Zellstoffbleiche referieren. Ich glaube, daß auch dieses Thema augenblicklich sehr aktuell ist, wenn man berücksichtigt, daß seit einer Reihe von Jahren neue Verfahren auf den Markt gekommen sind, die den Papiermacher nicht mehr lediglich vom Chlorkalk ab hängig machen, sondern die gestatten, durch eine entsprechende Anlage Chlor und Aetznatronlauge aus Kochsalz zu gewinnen und diese beiden Produkte nach Belieben miteinander zu kombinieren oder das Chlorgas mit Kalkmilch zu vereinigen, um dadurch den sogenannten flüssigen Chlorkalk zu erzeugen. Wenn dieses Referat sich folgerichtig entwickeln soll, so muß ich beginnen mit dem Zweck der Bleiche. Wir haben uns seit jeher in der Vorstellung bewegt: die Farbstoffe, die in den Stoffen enthalten sind, sollen beseitigt werden. Aber es sind jedenfalls nur Bruchteile von Prozenten an Farbstoff in dem zu bleichender. Material. Wir haben bei den Zellstoffen, insbesondere den Holzzellstoffen noch die weitere Aufgabe, die Reste der In- krusten soweit zu beseitigen, daß wir nachher Zellstoffasern er halten, die nicht an der Luft vergilben, daß wir also das Lignin zum allergrößten Teil aus der Faser entfernen. Wenn wir solche Zellstoffe bleichen wollen, so müssen sie eine Vorbehandlung durchmachen. Beabsichtigen wir Hadern zu bleichen, so müssen wir sie vorher kochen, und das Ziel, welches wir dabei verfolgen ist: die Fette zu verseifen und, soweit solche Fette wie Mineralöle und Pflanzenwachse unverseifbar sind, diese Stoffe wenigstens zu emulsionieren. Sie sollen durch gleich zeitig anwesende Seifenlösung veranlaßt werden, sich von der Faser zu trennen und sich in die Ablauge zu begeben. Schon beim Kochen können wir die Faser für den Bleich vorgang stark schädigen, falls fettsaures Eisen und Magnesia entstehen. Diese Verunreinigungen wirken in zweierlei Weise. Einmal ist die Faser nicht mehr so leicht durchdringlich für die Bleich lösung; wir müssen aber ferner befürchten, daß die Stoffe, wenn sie im fertigen Papier noch enthalten sind, eine starke Gilbung hervorrufen. Es sind bei der Gilbung Kalk und Magnesia durch aus nicht gleichwertig, wie man sich durch Versuche überzeugen kann. Das fettsaure Magnesia gilbt sehr viel stärker, als es der fettsaure Kalk tut. Die weiteren Schäden, die durch eine schlechte Vorbe handlung entstehen können, betreffen die Gegenwart von fremden Metallen. Es läßt sich kaum vermeiden, daß aus der Holländer-Armatur oder durch unsorgfältige Sortierung Metall teile in den Stoff gelangen. Diese sind außerordentlich schädlich, denn sie wirken katalytisch auf die zugesetzte Bleichlösung; wir müssen befürchten, daß sich die Bleichlösung zersetzt, ohne daß diese ihren Bleichzweck erfüllt hätte. Wir sollten daher die Halbstoffe möglichst frei von Metall oder Oxyden halten. Wenn wir die Zellstoffe etwas näher betrachten, so haben wir bei dem Natronzellstoff zu berücksichtigen, daß ziemlich viel Alkali darin sein kann. Wir haben bei der eigentlichen Bleiche dafür zu sorgen, daß dieses Alkali durch Säure neutralisiert wird,, damit nicht eine Verzögerung des Bleichprozesses ein tritt. Bei dem Sulfitzellstoff haben wir zu kämpfen mit einer organischen Substanz, die auch Schwefelsäure verschlingt, so weit sie nicht von dem Oxydationsmittel Chlor bzw. Sauerstoff aufgefressen worden ist. Wenn wir die Unterschiede in der Bleichbarkeit zwischen Zellstoff und Hadern erklären wollen, so kann man viclleicht geltend machen, daß die Baumwoll- fasern verhältnismäßig weite Faserkanäle besitzen, während die Zellstoffkanäle der Zellstoffaser sehr eng sind, wodurch die Diffusions- und Absorptionsvorgänge eine Aenderung er fahren können. Es ist ja bekannt, daß in dem Verhalten von Hadern und Zellstoff ein sehr großer Unterschied besteht. Wenn wir die Bleichfähigkeit eines Stoffes feststellen wollen, so wird da ge wöhnlich bei dem Holzzellstoff ein Versuch mit Chlorkalklösung gemacht und nach der eintretenden Rotbraunfärbung ungefähr beurteilt, ob die Bleiche normal verlaufen wird oder nicht, ferner, welche Mengen von Bleichmitteln wir zusetzen müssen. Nach der Vorbehandlung der Ware kommt in Betracht das Wasser. Es ist ja klar, daß ein Wasser, dieser angeblich indifferente Körper, umso besser ist, je reiner es ist. Besonders eisen- und salzfrei muß es sein, denn sowohl Eisen wie Salze können störend einwirken. Je weicher das Wasser ist, desto besser wird die Bleichlösung in die Ware einzudringen ver mögen. Das Wasser muß aber auch frei von organischen Sub stanzen sein, die Chlor verzehren. Es muß aber auch'darauf ge achtet werden, daß die Oxydation dieser organischen Stoffe nicht zur Bildung stark gefärbter Stoffe führt. Wenn wir jetzt zur Betrachtung der Arten der Bleichlösung übergehen, so haben wir da in erster Linie das Chlor in sehr verschiedenen Formen der Anwendung. Die Anwendung als Gas ist etwas obsolet geworden. Man wendet es nur noch in der Bleiche der Flachsabfälle an, wo das Chlor den bestimmten Zweck hat, die holzigen Bestandteile aufzuschließen. Ferner haben wir es zu tun mit dem Calciumhypochlorit in der Form des Chlorkalks und des flüssigen Chlorkalks. Dann kommt in Frage das Natriumhypochlorit sowie das Magnesiumhypochlorit, das in England heute noch als sehr vorteilhaftes Bleichmittel betrachtet wird, dagegen auf dem Kontinent nicht mehr in Anwendung ist. Man ist eben da verschiedener Meinung, ob tatsächlich, wie es in England noch von Beadle behauptet wird, das Magnesiumhypochlorit eine günstigere Bleichwirkung aus üben kann als das Cälciumhypochlorit. Bleichmittel, wie Kaliumpermanganat und Superoxyde, dürften als Bleichmittel zu teuer sein, höchstens könnten sie eine Bleiche vollenden, die mit Chlorkalk nicht oder nur schwer durch geführt werden kann. Wenn wir eine Bleichlösung aus Chlorkalk herstellen, so haben wir bei dem Chlorkalk mit sehr unangenehmen Rückständen zu kämpfen. Es haben allerdings die Bemühungen der Technik dazu geführt, daß diese Rückstände Chlorkalk nur noch in Spuren enthalten. Ich möchte diesbezüglich auf einen Vortrag des Herrn Direktor Sembritzki verweisen, den er vor 2 Jahren auf unserer Hauptversammlung hielt und der sich auch mit dieser Frage beschäftigte. Die Chlorkalkrückstände enthalten neben den Chlorspuren auch noch Aetzkalk, und dieser ist nicht ganz harmlos. Wegen der Beseitigung der Chlorspuren möchte ich erinnern an das Verfahren von Reinitzer, der vorgeschlagen hat, diese Bleich rückstände wenn möglich mit Sulfitablauge zu vermischen, so daß durch Wechselwirkung von Chlor und freier schwefliger Säure erreicht wird, daß die Sulfitlaugen freie schweflige Säure nicht mehr enthalten, und der Chlorkalkrückstand die schäd lichen Chlorspuren verliert. Wir kämen jetzt zu der Haltbarkeit nicht nur der Chlor kalk-Bleichlösung sondern der Bleichlösungen ganz allgemein. Für eine Bleichlösung ist es von Vorteil, wenn sie keiner Bewegung ausgesetzt wird. Der schädliche Einfluß der Bewegung erklärt sich bei der Chlorkalklösung dadurch, daß die Bewegung eine schützende Haut von Calciumkarbonat zerstört. Lassen wir Luft zur Bleichlösung treten, so wirkt nicht nur die Kohlen säure der Luft, sondern auch die Luft selbst zersetzend in der Richtung, daß Chlor neben unterchloriger Säure entsteht, und daß bei länger andauernder Einwirkung steigende Mengen von Chlor und abnehmende Mengen von unterchloriger Säure er zeugt werden. Es ist also erforderlich, daß wir die Bleichlösung nicht unnötig bewegen. Wir müssen sie ferner auch vor Licht schützen, denn das Licht übt eine gefährliche Wirkung auf die Bleichlösung aus, ja es kann eine Bleichlösung zum totalen Zerfall bringen. Als drittes Moment von Einfluß auf die Haltbarkeit der Bleichlösungen möchte ich die Metalle hervorheben. Sie ver ringern die Haltbarkeit. Es sind Nickel, Kupfer, Mangan, Eisen, Blei und Bronze als schädlich für die Bleichlösung nachge wiesen. Ferner kommt als schädlich in Frage die Wärme, die von der Bleichlösung ebenfalls ferngehalten werden muß. In der Wärme beschleunigt sich eine Reaktion, die in der Kälte nur sehr langsam vor sich geht, nämlich die Chloratbildung