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Nr. 4 PAPIER-ZEITUNG 111 Hand- und maschinengeschöpfte Papiere Kleine Mitteilung aus Abteilung 3 für papier- und textiltechnische Prüfungen. Vom Vorsteher der Abteilung, Prof. W. Herzberg Das Materialprüfungsamt hat auf Veranlassung des Vereins Deutscher Papierfabrikanten eine Anzahl von Rauhrandpapieren 1 ) untersucht, die teils nach dem alten Handverfahren aus der Bütte geschöpft, teils auf Schöpfmaschinen hergestellt waren. Es sollte ermittelt werden, ob die sichere Feststellung der Herstellungsart beider Papiere an der Hand untrüglicher Unterscheidungsmerkmale möglich ist. Veranlassung zum Aufwerfen dieser Frage gab der Umstand, daß maschinengeschöpfte Papiere vielfach als handgeschöpfte ge handelt werden, und daß selbst erfahrene Handpapiermacher nicht in der Lage waren, maschinengeschöpfte und handgeschöpfte Papiere sicher voneinander zu unterscheiden. Da sie sich bei ihren Ver suchen lediglich auf äußere Merkmale stützten, sollte das Material prüfungsamt feststellen, ob vielleicht die inneren Eigenschaften so verschieden sind, daß sie die Unterscheidung beider Papierarten sicher ermöglichen. Die Ergebnisse der daraufhin ausgeführten Prüfungen sind vom erwähnten Verein in der Papier-Zeitung 1909, S. 3634 und im Wochenblatt für Papierfabrikation 1909, S. 3821 ver öffentlicht; sie haben gezeigt, daß die inneren Eigenschaften der geprüften beiden Papierarten derartig ineinander übergingen, daß eine zweifelsfreie Unterscheidung nicht möglich war. Die Trennung auf Grund äußerer Merkmale hat das Amt nicht versucht, da es ihm hierzu an praktischer Erfahrung fehlt. Die Bekanntgabe dieser Versuchsergebnisse erregte weit gehendes Interesse in der Fachwelt, und auch das Ausland befaßte sich in seiner Fachpresse mit der aufgeworfenen Frage und den ausgeführten Versuchen. Auf eine dieser Aeußerungcn soll im nachfolgenden näher eingegangen werden, da sie in der Frage der Unterscheidungsmöglichkeit beider Papierarten einen Standpunkt einnimmt, der die Fachkreise irreführen und leicht zu unliebsamen Erörterungen beim Handel mit Rauhrandpapieren führen kann. . The Wörlds Paper Trade Review bringt in ihrer Nr. 4 (Jahr gang 1910 S. 1) zunächst einen kurzen Bericht über die im Material prüfungsamt ausgeführten Versuche. Im Anschluß hieran gibt das Blatt dann in Nr. 5, S. 26, eine Aeußerung aus dem Briefkasten der Nr. 3 des Paper Trade Journal 2 ), S. 35, die die Unterscheidungs möglichkeit zwischen echtem Handpapier und auf der Maschine hergestelltem Rauhrandpapier behandelt, wie folgt wieder: „Kürzlich wurde in der Worlds Paper Trade Review ein Bericht über Versuche deutscher Professoren, ausgeführt für den Verein Deutscher Papierfabrikanten, veröffentlicht, die sich auf die Unter scheidung von echtem und imitiertem Handpapicr bezogen („real and imitation „hand-made" papers"). B Die deutschen Professoren waren der Ansicht, daß es kein zu verlässiges Verfahren zur Feststellung der Herstellungsart gäbe, und zogen eS vor, die Angelegenheit in die Hände der praktischen Sachverständigen zu legen. Wir weisen darauf hin, daß in dem New-York Paper Trade Journal ein Mitarbeiter feststellt, daß es nicht sehr schwierig ist, Handpapiere von Maschinenpapieren („,handmade paper and ma- chine-made“) zu unterscheiden. Es gibt, führt er aus, mehrere Eigenschaften, die sie in so hohem Maße unterscheiden, daß auch jemand, der mit der Herstellung dieser Papiere nicht vertraut ist, sie leicht unterscheiden könnte. Die Durchsicht („lookthrough") z. B. ist gänzlich verschieden. Das auf der Maschine hergestellte Papier zeigt gewöhnlich eine schön geschlossene („„fairly close") Durchsicht, während das echte Hand papier sehr wolkig und ungleichmäßig („scraggy and uneven") ist. Der größte Unterschied zwischen den beiden Papierarten liegt in der Festigkeit, da echtes Handpapier selten aus anderem Material als aus den allerbesten Lumpen hergestellt wird; es ist beim Zerreißen sehr viel fester als das auf der Maschine hergestellte und kann in der Hand wiederholt zusammengeballt („„crumpled") werden, ohne Löcher zu zeigen, wie das mit der Maschine hergestellte. Das Aussehen oder die Oberfläche ist bei echtem Handpapier gewöhnlich auf beiden Seiten gleich, während das auf der Maschine hergestellte gewöhnlich eine sehr deutliche Siebmarke zeigt. Obgleich das echte Handpapier nicht so gleichmäßig, klar und griffig ist wie das mit der Maschine hergestellte, ist es viel dauerhafter und teurer, und gewöhnlich gibt der Preisunterschied dem Käufer die Mög lichkeit, festzustellen, daß ein großer Unterschied besteht." 1) Es erscheint zweckmäßig, für die Gruppe der Handpapiere und deren Nachahmungen verschiedener Art, denen sämtlich der rauhe Rand charakteristisch ist, eine gemeinsame Bezeichnung zu schaffen, um leichter von ihnen reden zu können. Die Bezeichnung „Rauhrandpapier" dürfte geeignet und treffend sein. 2) Auf Grund folgender Aufforderung: Please give me a method, by which I can teil a hand-made paper from a machine-made one. Die Worlds Paper Trade Review wird durch diese Veröffent lichung manchen ihrer Leser zu der Annahme verleitet haben, daß das Materialprüfungsamt bei Abgabe seines Gutachtens bekannte Unterscheidungsmerkmale der beiden Papierarten nicht berück sichtigt oder leicht auffindbare nicht ermittelt hat. Diese Anschauung scheint auch, nach Absatz 3 der Aeußerung zu urteilen, die Redaktion selbst zu haben. Nun bezieht sich aber die Antwort im Paper Trade Journal nicht auf die Unterscheidung von hand- und maschinengeschöpften Papieren, von der die Begutachtung des Materialprüfungsamtes allein spricht, sondern auf Handpapiere und auf der Langsieb- und Rundsiebmaschine hergestellte Rauhrandpapiere, ein Umstand, den das englische Blatt übersehen hat. Die Ausführungen des Paper Trade Journal können somit als Material gegenüber dem Standpunkt des Materialprüfungsamtes überhaupt nicht in Frage kommen. Damit könnte die Angelegenheit als abgetan gelten; die Antwort enthält aber auch an sich fast so viel Unrichtigkeiten wie Behaup tungen, so daß es auffallend erscheint, daß sie von zwei angesehenen Fachblättern ohne Einwendungen abgedruckt werden konnten. Im Interesse der englischen und amerikanischen Leser dieser Zei tungen sei daher nachfolgendes ausgeführt: Die Durchsicht gibt keinen Anhalt zur Unterscheidung von Hand- und Maschinenpapier. Schöne geschlossene Durchsicht findet sich nicht nur bei Maschinenpapieren, sondern auch beim Handpapier, und wolkige und ungleichmäßige Durchsicht ist kein charakteristisches Merkmal für Handpapier, findet sich vielmehr oft auch in sehr ausgeprägter Weise beim Maschinenpapier. Die Festigkeit an sich bietet ebenfalls keine Handhabe zur Unterscheidung beider Papierarten. Die Behauptung, daß Hand papiere sehr viel fester sind als Maschinenpapiere, zeigt einen merk würdigen Mangel an Sachkenntnis. Es gibt sehr feste Handpapiere und sehr feste Maschinenpapiere, und ferner von beiden Arten Pa piere mit geringer Festigkeit. Die höchsten im Materialprüfungsamt bei Prüfung von Papier ermittelten Festigkeitswerte wurden bei Maschinenpapier fest gestellt. Auch die Behauptung, daß man Handpapier mit der Hand wiederholt zusammenballen kann, ohne daß es Löcher zeigt, Ma schinenpapier nicht, trifft nicht zu. Es gibt Maschinenpapiere, die man sehr oft und stark zusammenballen und reiben kann, ohne daß sie Löcher zeigen, und Handpapiere, namentlich solche mit starker tierischer Oberflächenleimung, die bei dieser Behandlung schon nach ganz kurzer Zeit brechen. Die Behauptung, daß das echte Handpapier viel dauerhafter ist als das Maschinenpapier, ist in dieser allgemeinen Fassung eben falls zu beanstanden. Die Dauerhaftigkeit verschiedener Papiere unter sonst gleichen Umständen hängt ab von der Art und Güte der Rohstoffe, von der Zweckmäßigkeit und Sorgfalt der Verarbeitung und von den Eigen schaften des fertigen Erzeugnisses, nicht aber von der Art der Her stellung. Es kann somit Maschinenpapiere geben, die Handpapiere in der Ausdauerfähigkeit bei weitem übertreffen und umgekehrt, je nach dem Rohmaterial und seiner Verarbeitung. Daß der Preis der Papiere kein einwandfreies Merkmal für ihre Herstellungsart sein kann, braucht wohl nicht erst betont zu werden; denn wäre er als solcher anerkannt, so würden wohl Stellen, die Täuschungen beabsichtigen, nicht zögern, ihren Vorteil hieraus zu ziehen. In Nr. 6 der Paper Trade Review macht dann H. Bowers noch zwei Vorschläge zur Unterscheidung echter und nachgeahmter Handpapiere. 1. Wenn man einen Bogen echtes Handpapier gegen helles Licht horizontal in Augenhöhe hält, so werden auf der Oberfläche scheinbare Unebenheiten sichtbar werden, welche tatsächlich nicht vorhanden sind. Diese Erscheinung fehlt vollkommen bei den auf der Maschine hergestellten Papieren oder bei maschinengeschöpftem (mould-made) Papier. 2. Man knifft eine Ecke des Bogens um, falzt scharf mit dem Daumennagel nach und bringt das Stück dann wieder in seine ur sprüngliche Lage. Wenn man nun über den Kniff mit dem Nagel streicht oder über ihn wegschreibt, so findet weder der Nagel noch die Feder an der Kniffstelle bei echtem Handpapier einen Wider stand, wohl aber bei nachgeahmtem. Bei der Ausführung dieser beiden Versuche mit den 23 in der Papier-Zeitung und im Wochenblatt an den erwähnten Stellen näher beschriebenen Papieren hat sich kein Unterschied zwischen den hand- und maschinengeschöpften Proben gezeigt, so daß also auch diese beiden Vorschläge keine Möglichkeit zur Trennung der beiden Papiersorten bieten. (Mitteilungen aus dem Kgl. Materialprüfungs- amt zu Groß-Lichterfelde West. Jg. 1911, 7. u. 8. Heft.)