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sinn und Frivolität geleistet wird, ist kaum zu glauben. Und die Räume dieser Theater sind fast stets ausverkauft. In solcher Atmosphäre müssen freilich nach und nach alle guten Eigenschaften Schiffbruch leiden. Berlin, 9. April. Heute früh 1/2? Uhr wurde der Mörder Conrad, welcher am 11. August vorigen Jahres feine Frau und seine 4 Kinder ermoroete, im Zellenge- fängniß vom Scharfrichter Krauts enthauptet. Die ganze Execution soll nach dem „Berl. Tagebl." kaum 10 Se- cunden in Anspruch genommen haben. — Für alle diejenigen, welche die Reichshauptstadt besuchen wollen, empfiehlt es sich, Pässe bei sich zu führen. Wir werden zu dieser Bemerkung durch einen Erlaß des Berliner Polizei-Präsidiums veranlaßt, welches die am 9. Juli 1878 erlassene Polizeiverordnung, betreffend die vorübergehende Paßpflichtigkeit für Berlin in Erinnerung bringt und hieran folgende Mahnung knüpft.' Im all- seitigen Interesse muß der Wunsch ausgesprochen werden, daß dieser Mahnung sowohl von den Zeitungsredakti onen, als seitens der Zeitungsleser (und rwar der ein heimischen und der auswärtigen) die gehörige Beachtung gewidmet werde, da eine strenge Handhabung der Ver ordnung vom 9. Juli 1878 in der Absicht der Polizei behörde liegt und da der für den 1. Mai d. I. — den Termin der Eröffnung der Hygiene-Ausstellung — be vorstehende Zudrang einer großen Zahl von Fremden eine solche gebieterisch erheischt. Für Personen, welche Berlin aufzusuchen beabsichtigen, wird es sich darum zur Vermeidung von Unannehmlichkeiten dringend empfehlen, Pässe oder Paßkarten mitzuführen und dadurch der ge setzlichen Vorschrift zu genügen. — Eine fröhliche Generalversammlung werden die Maurer der Stadt Naumburg und Umgegend nächstens halten. Sie haben 500—1000 neue Schornsteine in der Stadt aufzuführen, was den Hausbesitzern von der Polizei auferlegt worden ist. — In Frankfurt a. M. ist der Engros-Bierhändler Paul Stein zu 1500 Mark Geldstrafe verurtheill worden, weil er „Radeberger Bier" für „ächt Pilsener" ver kauft hat. — Mord über Mord, Verbrechen über Verbrechen! Fast kein Tag ist seit mehreren Wochen vergangen, an dem nicht eine Greuelthat geschehen wäre. Heule wird aus Hamburg wieder ein Brudermord gemeldet. Wegen einer Streitigkeit mit seiner Schwägerin erstach der Schlächtergeselle Gläser seinen Bruder und gleichzeitigen Pleister. — Bei Grebenau im Oberhefsischcn ist kürzlich ein Raubmord von einem Holzbauer an einem Handels- manne verübt worden. Der Mörder ist im Gewahrsam und seiner Schuld überführt. — Nach der Meldung von Budapester Blättern habe der Leibhusar Werecz ein Ge- ständniß abgelegt (Bestätigung bleibt abzuwarten). Die Nachforschungen nach Spanga sind bis jetzt erfolglos geblieben. — In Weimar schlug ein Meister, welchem in der großherzoglichen Kunstschule Arbeiten übertragen waren und der an zuständiger Stelle seine Forderung nicht er halten konnte, den direkten Weg ein und schickte dem Großherzog einen Zahlungsbefehl, worauf das gericht liche Verfahren eingeleitet wurde und der biedere Werk meister seine Forderung vollauf bezahlt erhielt, während einige Hofbeamtc, die es versäumt hatten, die gerechten Forderungen des Meisters zu befriedigen, nicht unbedeut ende „Nasen" davon getrogen haben. — Eine Frau in Nordhausen stach sich eine kleine Pustel aus und wischte dann darüber, um das Blut zu stillen. In der Wunde trat alsbald eine bösartn e Ver schlimmerung ein und am solgenden Tage war die Frau eine Leiche. Sie hatte an einem grünen Stoff genäht, der absärbte und von der Farbe hatte sich der Wunde eine Spur mitgetheilt, welche genügte, um eine Blutver giftung herbeizuführen. London, 7. April. (B. T.) Durch Dokumente und Briese ist nunmehr die Verbindung des in Birmingham verhafteten Whitehead mit den in Lcndon Festgenom- menen erwiesen, welche Alle aus Amerika kamen. Gestern Abend erhielt die Polizei die sichere Mittheilung von der Absendung einer ungeheuren Quantität von Spreng stoffen aus Liverpool nach Landon. Dieselben sind bis her nicht gefunden. Am Abend jedoch fand die Polizei eine Höllenmaschine gefährlichster Art. Die Sache wurde für fo wichtig gehalten, daß der Polizeipräsident aus der Oper gerufen wurde. — Die fenisch-amerikanischen Blätter lobpreisen die Tynamithelden in wildester Sprache. Johann Most, welcher bekanntlich alle Monarchen be droht, erklärt wieder einmal bestimmt, des Czaren Krön ung werde nicht ohne Katastrophe ablaufen. — Das zweite Kriegsgericht in Paris hat den Sol daten Lesövre vom 85. Infanterie-Regiment zum Tode verurtheill, weil er sich thätlich an seinem Vorgesetzten im Dienste vergriffen hat. Lefivre, zu 5jührigem Kerker wegen Desertion vom Kriegsgericht zu Bourges vcrur- theilt, büßt in Bicetre (Paris) seine Strafe ab; dort gericth er einer Kleinigkeit halber fo in Wmh gegen einen ihn beaufsichtigende Sergeanten, daß er diesem eine Ohrfeige mit den Worten: „du langweilst mich schon lange genug" versetzte. Vor den Major geführt, erklärte Lesevre, weit entfernt, über fein Benehmen Reue zu zeigen, die Ohrfeige fei nur eine kleine Abschlagszahlung. „Er mag sich vor mir in Acht nehmen," fetzte er in drohen dem Tone hinzu. Tas Todesurtheil Lesevres wurde ein stimmig beschlossen. — In Bologna wird in den Tagen vcm 12. bis zum 25. August d. I. eine von dem dortigen land- wiuhfchaftlichcn Vereine angeregte und von der Königs. italienischen Regierung unterstützte „internationale Preis ausstellung von Maschinen sür die Bearbeitung des Hanfes auf dem Lande" stattfinden. Programm dieser Ausstellung ist der Handels- und Gewerbekammer Zittau zugegangen und kann von Interessenten auf dem Bureau genannter Kammer, in Zittau, Bautznsrstraße 7 I. bis zum 15. April eingesehen werden. — Zu Boston in den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird am 1. September d. I. eine aus schließlich für fremde Manufaktur-, Kunst- und Industrie- Produkte bestimmte Ausstellung eröffnet werden, deren Dauer auf den Zeitraum von mindestens drei Monaten bemessen ist. Das von einem privaten Vereine geleitete Unternehmen hat die Genehmigung der Behörden des Staates Massachusetts erhallen; eine besondere Congceß- akte sichert den Ausstellungsgütern die Steuerfreiheit. Weitere Auskunft wird auf den amerikanischen Consu- laten in Deutschland ertheilt. Das Programm und der Plan dieser Ausstellung wird in einiger Zeit auch der Handels- und Gewerbekammer Zittau zur Einsichtnahme für Interessenten zugehen. Wolks- und Landwirthschaftliches. Dresden, 10. April. Der Auftrieb vom gestrigen Schlachtviehmarkte bezifferte sich mit 394 Rindern, 914 Schweinen (722 Land- und 192 Uugarschweine), 865 Hammeln und 170 Kälbern. Diesem ziemlich starken Auftriebe stand zwar ein mittelmäßiger Besuch seitens hiesiger wie auswärtiger Fleischer gegenüber, auch waren die regelmäßig hier kaufenden Exporteure am Platze, trotzdem jedoch gestaltete sich der Geschäftsgang zu einem ausgeprägt flauen, denn sämmtliche Fleischer klagten über geringen Umsatz ihrer Waaren, während andererseits die Viehhändler unisono darin übereinstimmten, daß die Einkaufspreise noch immer viel zu hohe im Verhältniß zum Erlöse seien. Gestern machte sich dies Mißverhält- niß ganz besonders geltend, da die Preise wesentliche Reduktion erfuhren, sodaß ein großer Theil Händler nicht unwesentliche Verluste erlitten haben dürfte. Unter solchen Umständen, da sowohl Fleischer wie Viehhändler gerechten Grund zur Klage hatten, konnte sich kein rechtes Geschäft entwickeln und wurden infolge dessen nur geringe Abschlüsse erzielt. Beste Rinder wurden pro Ztr. Fleisch mit 60—63 Mittelsorte mit 51—54 geringe Qualität dagegen mit 27 bezahlt, erfuhren also durch weg eine 5—6proz. Preisermäßigung und hinterließen ausnahmslos erhebliche Ueberslände. Eine beinahe gleiche Preisreduktion machte sich bei Hammeln gellend, von denen engl. Lämmer pro Paar im Gewichte zu 50 Kilo Fleisch 69—72 ^l, Landhammel in der gleichen Schwere 60—63 ^k, Bracken 30 galten. Auch hierin ver blieben vielfache Ueberslände. Englische Landschweine, sowie Schlesier wurden gleichfalls zu niedrigeren Preisen ausgeboten, da ein Posten von 86 Stück seinen schweren Mecklenburgern den ersteren erhebliche Konkurrenz machte. Landschweine englischer Kreuzung stellten sich deshalb auf 54—57 Schlesier auf 51—54 pro Ztr. Schlacht gewicht. Mecklenburger wurden bei 35—40 Pfd. Tara mit 56 ^l, Bakoruer bei gleicher Tara mit 58—62 pro Ztr. lebendes Gewicht notirt. Oswiciner, Russen und sonstige Nassen ausländischer Züchtung fehlten in folge der Grenzsperre zwischen Rußland und Oesterreich mit Deutschland gänzlich. Der Kälbermarkt verlies sehr schleppend, doch behaupteten dieselben vorwöchige Preise, d. h. das Kilo Fleisch bester Qualität kostete 100 während leichtere Waare schon mit 85 abgegeben wurde. Eisen sür Obstbäume. In den amerikanischen Fach schriften lesen wir, daß ein Besitzer von großartigen Obstkulturen in Amerika durch vergleichende Versuche die Ersahrung gemacht habe, daß Eisen ein vorzüglicher Dünger für Obstbäume, besonders aber sür Birnen ist. Bäume, welche viele Jahre hindurch unfruchtbar geblieben waren, trugen viele und schöne Früchte, als der Boden an den Wurzeln mit Eisenseil- oder Drahtspänen ver mischt wurde. Bei Birnenbäumen, die vorher Früchte trugen, welche stets grindig und rissig waren, verloren sich diese unangenehmen Eigenschaften, als denselben eine Eisendüngung gegeben wi rde. Auch sranzösische Gärtner werden eine Eisendüngung an und haben durch wieder holte Anwendung von schwacher Eisenvitriolauflösung, womit die Wurzeln begossen und die Blätter bespritzt wurden (auf 1 Liter Wasser 1—1V2 Gr. Eisenvitriol), eine beträchtliche Vergrößerung der Früchte erreicht. Die amerikanische Ersahrung scheint demnach bewährt zu sein und dürfte Eisenvitriol in obiger Lösung als bester Er setz sür Eisenfeilspäne dienen und jedenfalls schneller wirken. Schönen Schnittlauch zu ziehen. Vor Allem sollte man ihn alle 2—3 Jahre zertheilen und versetzen. Er verlangt einen nicht zu schweren, fetten, aber nicht frisch gedüngten Boden und eine Lage, in der er während der Scmmermonate nicht den Strahlen der Mittagssonne ausgesetzt ist. Ein gutes Mittel, um ihn zum üppigen Wachslhum zu bringen, ist das Ueberstreuen mit Ruß zeckig im Frühjahre, oder auch mit Kaffeesatz. Um wäh rend des Sommers stets frischen, zarten Schnittlauch zu haben, schneidet man ihn dicht an der Erde ab, bedeckt ihn mt halbverfaultcr Mistbeet- oder anderer Dungerde und begießt diese fleißig. Man halte sich mehrere Stöcke, um mit dem Schneiden wechseln zu können, weil sich der Schnittlauch bald erschöpft, wenn man ihn zu stark be nutzt. — Salicylsäure in Veilchen. Der französische Chemiker Mandelin hat das Vorkommen der Salicylsäure in ge ruchlosen Ackerveilchen und im Stiefmütterchen nachge wiesen. Die Menge derselben schwankt zwischen 0,o,z bis 0,144 Proz., ist also gar nicht unansehnlich. Viola, trioolor (Stiefmütterchen) hatte von jeher auch unter dem Namen Dreifaltigkeits- oder Freisamkraut, als Volks- Heilmittel einen guten Ruf und es ist doch bemerkens- werth, daß das Volk von der heilkräftigen Wirkung der Salicylsäure unbewußt Gebrauch gemacht hat, viele Jahrhunderte bevor die Salicylsäure überhaupt bekannt war. — Eine Doppelehe oder keine. Erzählung von A. Werner. 1. In dem mit dem größten Komfort ausgestatteten Wohnzimmer eines schloßähnlichen Hauses in London befanden sich in der Nachmittagsstnnde eines heiteren Sommertages drei Personen, welche der gebildeten Ge sellschaft angehörten. Auf einem eleganten Divan faß die Gräfin von Seyton, mit einer seinen Stickerei beschäftigt und neben ihr ihre Schwester Mary, ein junges Mädchen von un gefähr zwanzig Jahren. Ihr ehrwürdiger Vater, John Harley, faß Beiden gegenüber, in einem Buche lesend, welches sich auf die religiösen Verhältnisse der Hochkirche in England bezog. Der alte Herr, dem schon weiße Locken um die hohe, geistvolle Stirn wehten, war früher Rektor in Devonshire gewesen und, seit einigen Jahren pensionirt, lebte er mit seiner jüngsten Tochter Mary in dem Hause seiner ältesten Tochter, der Gräfin Clara von Seyton. Letztere, die erst vor einigen Monaten das achtund- zwanzigste Jahr überschritten, war seit fünf Monaten die Wittwe des Grafen Arthur von Seyton, mit dem sie in dec glücklichsten Ehe gelebt hatte, aus der drei Kinder, ein Knabe und zwei Mädchen hervorgegangen waren. Obschon die Trauer um 'hren zweiten Gatten, denn die Gräfin war, als sie noch in erster Jugendblüthe stand, schon einmal und zwar sehr unglücklich verheirathet gewesen, ihre Wangen gebleicht und ihrem Antlitz ein schwermüthiges Gepräge verliehen, zählte sie doch noch immer zu den bewundertsten Schönheiten Londons, und Mater und Bildhauer hatten sich beeifert, ihre feinen, tadellosen Züge dec Nachwelt zu überliefern. In der ernsten Zeit, nach dem an einem typhösen Fieber erfolgten Ableben ihres zweiten Gatten, des Grafen Arthur von Seyton, hatte sie sich namenlos unglücklich und der Verzweiflung nahe gefühlt. Wie hätte das bei ihrer weichen Seele auch anders sein können, zumal sie als junges Mädchen Arthur schon innig geliebt hatte und nur durch unglückselige Verhältnisse Jahre lang von ihm getrennt worden war. Die Trostworte ihres alten Vaters, die innige Theilnahme ihrer Schwester Mary und vor Allem die Mutterliebe zu ihren in Jugend und Schönheit blühenden Kindern, hatten die Heftigkeit ihres Schmerzes wenigstens soweit gemildert, daß sie äußerlich ziemlich ruhig zu erscheinen vermochte, wenn auch die liefe Wunde, welche das Schicksal ihr geschlagen, vielleicht nie vernarben konnte. Aber der Strom ihres Lebens, der seit einigen Monaten im Kreise ihrer Lieben friedlich dahingeflvssen war, sollte auf einmal stürmische, schwarze Wellen schlagen. Clara von Seyton wollte eben aufstehen, um sich an dem Anblicke ihrer Kinder auszuheitern, welche im Nebenzimmer unter der Aussicht einer erfahrenen Wärterin spielten, als ein goldbetreßter Diener eintrat und ihr eine auf einem silbernen Teller liegende Karte präsentirte. Lady Seyton las die Karte. Dieselbe trug den Namen „Edward Chilton." Die Gräfin besann sich. Sie erinnerte sich diesen Namen schon einmal gehört oder auch gelesen zu haben. Sich dem Diener zuwendend, sagte sie: „Führen Sie den Herrn nur hier herein, ich stehe zu seinen Diensten." Der Diener schüttelte den Kopf. „Nein, Mylady, das darf ich nicht." „Und weßhalb nicht?" „Weil der Herr mit Mylady allein zu sprechen wünscht." Clara Seytons Züge drückten Erstaunen aus. „Allein, sagte er wirklich allein?" „Ja, Mylady. Er bestand darauf." Die Gräfin überlegte. Was konnte der Fremde ihr mitzutheilen haben? Sie fühlte plötzlich ein stärker es Klopfen ihres Herzens und eine Art von banger Ahnung durchzitterte sie. Sie wußte selbst nicht, warum der Name Chilton einen so unangenehmen Eindruck auf sie machte. Nach einem Augenblicke des Zögerns bekämpfte sie ihre Aufregung. „Führe den Herrn Chilton ins Sprechzimmer. Ich werde dort sogleich erscheinen." Der Diener entfernte sich. Wenige Sekunden später folgte ihm die Lady. Ihr Vater und ihre Schwester erwarteten, daß sie bald zurück-