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Tagevlattz ',! UN Sr. 1W Mittwoch, den 17. August !/6 rNl :ln^S m;4 5^nzxtjl^oe iUrG Z7^ Ws.. rEtt',j ',-i --'iür^Krä mtM^sttW rrs iHüf Vs, Freiberger Anzeiger Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an de« Wochentagen nur kü Nachmittag 3 Uhr für die nächst erscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennige« dnechmt. Die ProMe über die Thnlvng der Türkei. „Man theile die zerfallende Türkei unter die europäischen Großmächte" — so lautet der Vorschlag, der schon seit Jahr hunderten allemal dann auftaucht, so oft sich für Europa im Osten lästige Ereignisse und die Klagen der unterdrückten Chri sten erheben. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Ausführung manchen Vortheil bieten und manche Hindernisse beseitigen könnte. Die Schwierigkeit, den christlichen Bevölkerungen unter der Herr schaft des fremden türkischen Stammes Gleichberechtigung, Bil dung, Wohlstand und Freiheit zu sichern, wäre allerdings ra dikal gehoben, wenn man das ganze Türkcnreich zerstörte, den Grvßherr mit seinen Pascha's auf Pension setzte und die Län der des Halbmondes christlichen Staaten einverleibte. Mit einem Schlage wäre der gegenseitigen Eifersucht, den Erbschafts- und Bergrößerungsgelüsten der Großmächte jeder Boden entzogen. Jeder Staat hätte in jenem großen Abkommen sein Erbtheil und die neue Ordnung der Dinge würde sich auf den Rechts titel eines förmlichen Vertrags gründen. Das Werk der nmm Organisation und Verwaltung gäbe den Staaten hin reichende Beschäftigung und zugleich würden neue Quellen des Erwerbs und der Speculation eröffnet und dem alternden Eu ropa frische verjüngende Kräfte zugeführt. Auch den Bewohnern der Türkei könnte jene Umgestaltung nicht minder von Nutzen sein. Der Proceß der Civilisation wäre durch die Verschmelzung jener schönen Landschaften mit dm übrigen Culturstaaten am schnellsten in Fluß zu bringen. DaS Hauptland würde den neuen Provinzen Gesetze, Behörden und tüchtige Beamte liefern — es könnte sie mit Capital, Ar beitskraft und Bildungsanftalten unterstützen. Bald müßten unter dem Schutz richtiger StaatSeinrichtungen Ackerbau, Han del, Gewerbe und Schulen aufblühen, Credit und Unterneh mungsgeist würden sich entwickeln und dir Wohlfahrt sich auf «ine niegekannte Stufe erheben. Für die große Frage: Wer soll in der zu regenerirenden Türkei herrschen, die 3 Millionen Türken oder die H Millionen christliche Rajahs? wäre ein ver mittelnder Ausweg gefunden, indem bei eine« Zuteilung jener Länder an die übrigen christlichen Staaten keiner der beiden uneinigen Stämme herrschen würde, sondern der Regent und die staatlichen Gewalten der neuen Hauptlande. Schade, daß jenen schönen Plänen Mr e ins fehlt däü' Recht und die Ausführbarkeit. Zunächst darf nicht verkannt werden, daß eine TheftuNg der Türkei unter die fünf Hauptmächte schon darum unausführ bar wäre, weil England, Frankreich und Preußen, die utan doch mit bedenken müßte, viele hundert Meilen von der Türkei ent fernt sind und daß nur Rußland und Oesterreich alsangren- zende Staaten ohne große Beschwer einen Zuwachs att Länder- gebiet behaupten könnten. Für abgelegene Staaten würde dtt' Aufwand an Militär- und Verwaltungskräften so kostspielig sein," daß die Brühe höher zu stehen käme, als das Fleisch. ' Sehen wir aber von dieser physischen Schwierigkeit üb Md betrachten jene Angelegenheit von einer andern Seite. Es ge hört zu den schädlichsten politischen Jrtthümern, daß man nach Bedürfnissen, nach Gedanken und Gefühlen die Staaten ohne Mühe zertrümmern und ins Leben rufen kann. Wer im Geiste schon die Präfrrten, die Amtshauptleute und die Gendarmen der Civilisation in den reizenden Bergthälern und an dem pa- rMefisch goldnen Horn in voller Thätigkeit walten sieht, der vergißt, daß man einen neuen Bau nicht errichten kann, st lange auf dem Bauplatze das alte Gebäude nicht abgebro chen ist. Alle Merkmale deuten darauf hin, daß die Quadern, auf denen die Pforte ruht, vom Zahne der Zeit tief zerfressen find. Mauern und Fundamente beginnen zu wanken, der Kalk fällt überall von den Wänden, zum Dach dringt der Regen herein — aber das riesige Schloß steht immer noch, seine grauen Zin nen und Thürme sind baufällig, aber noch nicht zerbrochen. Die eifrigsten Baumeister kommen noch etwas zu früh, wenn, sie den Raum bereits vermessen und Lie Pfähle einschlagrn, Wb sich eine Reihe zierlicher Gebäude im modernen Styl rrheM soll. — Wenn der Staat des Halbmondes auch unfähig ist, sich nach den Forderungen der christlichen Cultur zu regenrrireN und seinem Untergange mit starken Schritten entgrgtttgrht, st kann doch nichts irriger sein, als die Meinung, daß er bereits im Reiche der Dinge nicht mehr existirt. Die schöne Erbschaft welche man theilen will, ist noch nicht fällig geworden, der Eigenthümer ist krank, er hat aber noch Kräfte and Hekftt ge nug, um der Beulelust entgrgenzutreten, die st unverschämt iss, ihm bei lebendigen Leibe seiner Habe zu berauben. So gering auch die Bildung der verkommenen