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Mittwoch, den 29. Ium , Ir. 147. —' 4» >56 -- -- -Litt ^5>S - >Mr4r'.s?riz .n'.-u^irn Freiberger Anzeiger Tage-latt. „Die Verlornen." (Schluß.) Der Herr Verfasser schildert nun mit tiefem psychologischem Blicke die unglückliche Lage dieser Verlornen, und zwar — 4venn man diesen Ausdruck hier gebrauchen darf — nicht blos Ler passiven, sondern auch der aktiven Sünder und bietet Sce- nen zur Betrachtung dar, welche von höchst erschütternder Natur sind (Seite 11—25). Nachgewiesen ist insbesondere, daß nicht Llos in Hinsicht auf diese Versunkenen und Verlorenen selbst — obschon ihr Elend, ihre moralische Erstorbenheit dringend dazu auffordern — sondern namentlich auch in Berücksichtigung des Einflusses, den sie ausüben auf Andere, innerhalb der Straf anstalt, wie außerhalb derselben schleunige und dringende Hilfe Noth thue. „Was thun wir nun" — fährt der Herr Verfasser (S. 25) siort — „was thun wir für die Entlassenen? Wenn wir uns diese Frage recht gewissenhaft beantworten, so muß sich uns die Aeberzeugung aufdringen, daß es an der so überaus noth- N) endigen Hilfe für die Entlassenen in derThatbis zetzt noch fehlt. Man wird — heißt es weiter — auf obige Frage zunächst «Inhalten, daß allerdings für jene Unglücklichen so Manches geschehe. Es ist dieß nicht in "Abrede zu stellen. Wir thun «twas; aber näher beleuchtet, wird das, was geschieht, gär sehr an Bedeutung verlieren, und wir müssen uns eingestehen, daß «s fast soviel als Nichts ist. Es ist wahr, im Vergleiche zu sonst ist ein regeres In teresse für diese Schattenpartieen der bürgerlichen Gesellschaft bemerkbar. Man beschäftigt sich mit den verschiedenen Straf- theorieen und Strafsystemen, man wirft einen ernsten Blick auf das Gefängnißwesen und die Strafanstalten. Man nimmt mit Entsetzen wahr, daß das Verbrechen im Steigen begriffen ist, daß die Zahl der Verbrecher sich in einem, das Verhältniß der zunehmenden Bevölkerung überschreitenden Grade vermehrt. Nun klagen wir, declamiren nnd reden von der zunehmenden Verdorbenheit der Zeit. Wir sprechen und schreibe« über die Mittel, die zur Umänderung angewendet werden müßten. Das ist recht gut, aber es ist noch lange nicht genug; es ist nament lich dann fast so gut als Nichts, wenn wir es eben bei dem Reden und Schreiben bewenden lassen, wenn wir, wie dieß so häufig zu geschehen pflegt, die Schuld auf andere Schultern schieben und selbst Nichts thun." Nachdem nun die Ausstellungen, welche man in dieser Be ziehung namentlich gegen die Strafanstalten überhaupt, sowie insbesondere gegen das davon geltend« System (namentlich d-S Gemrinschaftssystem) u. s. w. erwähnt und einer genauen Prü fung unterworfen worden, wendet der Herr Verfasser sich zu Denen, „welche sich eifriger bezeigen, nnd nicht blos mit Be merkungen begnügen, sondern Hand an'S Werk legen und doch Etwas thun. Wir haben Vereine für Versorgung der Entlassenen. Aber eS will uns dünken, als wenn auch diese. Vereine an Dem, woran das Vereinswesen überhaupt zu. lei den scheint, kränkelten, als wenn in ihnen auch viel Fon« und wenig Geist, viel Reden und wenig Handeln, viel Berichten und wenig Erfolg, 'viel Geschrei und wenig Wolle gefunden, würde." -. .5 - ' Die unbedeutende Wirksamkeit dieser Vereine zu zeige«, ist der Zweck der Ausführungen S.32 — 41 der genannte« Schrift. Aber wir lassen cs leider — heißt eS sodann weiter — nicht bei dem zu wenig oder bei dem gar nichts Thun bewenden, nein^ wir thun oft mehr als Nichts. „Hier ist vor Allem daS Vorurtheil, das uralte, tief eingewurzelte Vorurtheil, welches tausendfaches Uebel erzeugt und tausendfache Schuld gebiert.— Der entlassene Gefangene steht als ehr- und rechtlos dä^ alb ein ausgestoßenes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, der Verachtung, dem Mißtrauen und neuem Verdacht PrM gege ben, wobei ost zu allen diesen indirekten Versuchungen die di rekte Versuchung hinzutritt, wenn die Entlassenen mit An deren, mit welchen sie im Gefängnisse oder im Strafhause ge wesen sind, zusammentreffen" (S. 42 — 45). Hieran schließen sich Betrachtungen über die Kämpfe der Entlassenen mit staatlichen Institutionen, die ihnen selbst dann, wenn sie vom besten Willen beseelt sind, große Hindernisse in den Weg legen, wobei namentlich zwei Punkte hervorgehoben werden: die polizeiliche Überwachung der Entlassenen unddle gesetzlichen Bestimmungen, die sie für immerwährende Zelte« der bürgerlichen Ehrenrechte berauben (S. 45 — 49). : „Es muß geholfen werden" — heißt eshiernächst^vriter — „durchgreifend geholfen werden. Aber wie muß die Hilfe kommen? Wir haben den Schaden blos gedeckt und das Uebel offen gezeigt. Das ist nicht genug, das ist das Leich teste. Die schwerste Pflicht bleibt noch zu erfüllen. Wir müs sen forschen und sehen, wie die Heilung deS Uebels nützlich sei. Und das ist eine schwere Aufgabe, so schwer, daß wir verzagen würden, zü der Lösung derselben etwa« beiz «tragen, wenn wir nicht da Rath und Licht fänden, wo in allen Dingen, di« das Heil der Menschheit angehen, Nath und Licht zu finden ist, in Christo. Auf die Mittel, die zur Hilfe gewöhnlich in Bor-