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unterhaltungs- uns Intelligenz-Blatt. XXIII. Jahrg Sonnabends, den 5. September 1835 Be r m i s ch t es. Der Vertrag wegen Anschluß des Herzogkhums Nassau am Zollverein ist bereits, Mm Zweck der Ratification, von Berlin in Cassel angekommen. Fürst Günther von Schwarzburg-Sondershausen, seit mehrern Wochen gefährlich krank, hat, aus Rück sicht auf seinen Gesundheits-Zustand und sein hohes Alter (er ist 75 Jahre alt), am 19. August d. I. Zu Gunsten seines Sohnes, des Erbprinzen Gün ther, die Regierung niedergelegt. Der junge Fürst, der bis jetzt in Arnstadt seinen Wohnsitz hatte, hielt am Listen v. M. seinen Einzug in Sondershausen. In Rheinbaiern kostet der Schoppen Wein von geringeren Sorten jetzt nur 1 Kreuzer, da es an Fässern für den reichen Segen dieses Jahres fehlt. In Cassel hat sich unter mehrern andern das seltsame Gerücht verbreitet, eine Kammerjüngfer der Landgrasin von Rotenburg habe wegen einer verheimlichten Schwangerschaft das Schloß Roten burg verlassen müssen. Wenn der König von Spanien sich in seine Gemacher zurückzieht, so läßt er -— nach altem Brauch — sein Gefolge zurück und schreitet allein an der Leibwache vorbei, welche ihm die militairi- schen Ehren erweist ; hierauf passirt das Gefolge, nachdem die Wache wieder ihre gewöhnliche Hal tung angenommen hat. Ferdinand beobachtete die ses Eeremoniel genau, und auch Christine verstieß nicht dagegen, außer vor einigen Wochen in Mun- noz Gesellschaft. Sey es aus Unachtsamkeit, aus Ermüdung nach einem langen Spaziergange, oder weil der Liebling seine Macht erproben wollte, er behielt den Arm der Königin und grüßte stolz auf die Wache, seine frühem Kameraden, herab, welche das Gewehr präsemirte. Man kann sich denken, welche Bemerkungen dies Benehmen veranlaßte. Am folgenden Lage trat derselbe Fall ein z am drit ten aber kommandirte ein Brigadier, dreister als seine Kameraden: Still gestanden! statt: Präsentirt das Gewehr! Eine Viertelstunde später wurde die Wache abgelöst und nach Madrid geschickt, wo sie vor ein Kriegsgericht gestellt werden soll; die ent rüstete Königin ist entschlossen, an ihr ein abschre ckendes Beispiel aufzustellen. , Bei Gewappe erschoß ein Bauer durch einen Freudensthuß bei der Hochzeit den Bräutigam, als er sich eben zu Tische setzen wollte. In der ganzen Türkei wird jetzt die Lankaster- sche Unterrichts-Methode getrieben. Die Pariser Höllenmaschine ist schon auf den englischen Theatern in einem Schauspiele, betitelt: «der Tod des Marschalls Mortier», erschienen. Eine schon mehr vorgekommene wahnwitzige Scene ist vor Kurzem wieder in Dublin vmgefal- len. In Irland herrscht nämlich der Aberglaube, wenn sich zwei Leichenzüge zu gleicher Zeit einem Begrabnißplatze nähern, so sey die Leiche, welche zuletzt durch die Kirchhofsthüre eingehe, verdammt, aus einem weit entlegenen Brunnen mit einem ganz durchlöcherten Eimer Wasser zu schöpfen, um damit die armen Seelen im Fegfeuer anzufeuchten. Neulich näherten sich zwei Leichenzüge zu glei cher Zeit dem Thor^ eines Dubliner Kirchhofes; beide fetzten sich nun in Trab, um zuerst hinein zu kommen, stießen aber am Thore an einander. Im Augenblicke lagen die Särge auf der Straße, und die Sargtrager bearbeiteten sich einander mit Knitteln , Peitschen , Steinen rc.; auch sogar die begleitenden Geistlichen wurden bedeutend durch geprügelt , und die Rauferei endigte erst, als die eine Parthei gänzlich in die Flucht geschlagen war. Aber diese schnoben nach Rache. Am andern LaK, wo. ihre Sieger abermals eine Leiche begleiteten, sielen sie über dieselben her, zertrümmerten Lm