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Großenhayner unterhalmngs und Intelligenz-Blatt. . - - - - ' - - . ' - -- - ... ....... ... .... 42. Stück. XlV.Zahrg. Sonnabends / den 14-October 1826. Mutterliebe und Verzweiflung. (Beschluß.) Das Kind hatte sich satt gegessen, es war mu- thig und froh, es schlug Brümmerchen, erzählte den Kleinen der Sergeantin von den Hottopferdchen, und dem Weine und dem Kuchen; die Mutter verschlang den kleinen Jungen mit ihren Blicke». Es war ihre letzte glückliche Stunde. Dann nahm sie ihn auf den Arm, und ließ ihn von der Groß mutter Abschied nehmen. Die Sergeantin frug, wo sie noch hin wolle. «Ich will noch zu Jemand gehen» , antwortete sie ruhig, «der mir gewiß helfen wird.» Sie drückte, was sie sonst beim gewöhnlichen Wegge hen nie zu thun pflegte, der Sergeantin die Hand und ging. Als sie zur Stadt hinaus war, schlug sie einen Fußsteig, nach dem Fusse zu, ein. Fast bei jedem Schritte herzte und küßte sie das Kind. Alle, die ihr begegneten, freuten sich des schönen Mäd chens und des lustigen dicken Junens. Auch ich begegnete ihr. Sie, sonst so freundlich, grüßte kalt, und eilte an mir vorüber. Der kleine fröh liche Karl quikte laut auf, er kannte meine Bon bons aufs Haar. Hätte ich ihm doch einen auf den langen Weg mitgegeben! Ich hatte aber nichts bei mir. Am Ufer— ein Schäfer stand jenseits des Flus ses bei seiner weidenden Heerde. Er sah den gan zen Auftritt, ohne von dem Mädchen bemerkt zu werden, und er war so überrascht, daß er zu spat an Störung dachte. — Am Ufer legte sie den kleinen Jungen in das blühende Gras, sie nahm eine Stange vom nahen Zaune, und untersuchte an verschiedenen Orten die Tiefe des Flusses. Als sie die zum gräßlichen Zwecke häßlichste Stelle gefun den hatte, knieete sie neben dem Kinde nieder, und betete laut und lange. Sie rang die Hände hinauf zu dem, der unsere Thaten, auch die ge- heimstcn, richtet. Dann nahm sie das Kind , und ging zweimal an die furchtbare Stelle, Zweimal ging sie wiÄ>er zurück, und umschlang das Kind und drückte es fest an sich, und übergoß es mit den heißesten Küssen der verzweifelnden Mutterliebe. Zum dritten mal endlich ging sie wieder auf die Schauerstelle, sie drehte sich, daß sie den Fluß im Rücken hatte, und stürzte sich rückwärts mit dem Kinde in den Strom. Jetzt schrie der Schäfer laut auf, aber zu spät. Sie war verschwunden. Er eilte den Fluß hinab, um Leute zur Rettung zu suchen, da kam die Schreckliche wieder zum Bor schein, das todte Kind fest an die tobte Brust ge klammert. Am Abend erst wurde sie aufgefangen. Alle Versuche, Mutter und Kind , in das Leben zurück zu rufen, sind fruchtlos geblieben. Die ganze Stadt weiß die Geschichte. Die Diener der Gerechtigkeit wissen sie Alle, und doch ist seit Jahresfrist dem verbrecherischen W. noch kein Haar gekrümmt. Marie! Kleiner von den Wellen Verschlungener! habt ihr keine Racher?