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Martha. Roma» »ach dem Englischen van Jennh PivrkolvSka. (Fortsetzung.) ^^Df/vartha wähnte sich allein, als sie sv sinkend die hübschen I^ Glockenblumen pflückte; doch ans dem breiten Waldwege kam ein schöner junger Mann daher. Er blieb stehen und beobachtete ein paar Minuten lang in stummer Bewunderung das schöne goldhaarige Mädchen. Plötzlich wandte Martha sich um, und eine tiefe Gült färbte ihr schönes Antlitz. Mit dem Hute in der Hand ging der junge Mann auf Martha zu und verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor ihr, als wäre sie eine Königin. „Verzeihung, wenn ich Sie erschreckt habe," sprach er, „aber ich habe mich hier im Walde verirrt und kann den Weg zur Landstraße nicht finden. Hätten Sie wohl die Güte, mich zurechtzuweisen?" „Sie müssen dort den Weg zur Rechten einschlagen," antwortete Martha, und ihre Augen begegneten dem schönsten, edelsten Ge sicht, das sie je gesehen hatte. Statt aber nun seines Wegs ruhig weiterzugehen, zögerte der junge Mann noch. „Die Wälder hier sind so herrlich," sprach er weiter, „wie ich sic noch kaum schöner gesehen hatte. Gehören dieselben zur Bergs- dorfer gräflichen Besitzung?" Martha antwortete mit einer stummen Neigung des Kopfes, denn noch hatte sie die Sprache nicht wiedererlangt. Wer war dieser schöne Fremde? Woher kam er? „Sie verlieren Ihre Blumen," sagte er galant, indem er sich bückte und sie wieder aufhob. „Ich hörte Sie soeben ein reizendes Lied singen, das ich noch nicht kenne," sprach er weiter, „von wem ist es?" Marthas Schüch ternheit schwand, und sie erzählte ihm, daß sie es tags zu vor gelesen habe und nicht aus dem Ge dächtnis bringen könne. Sein Auge ruhte fest auf ihren edlen Zügen, sein Ohr war entzückt von dem Klang ih rer Stimme. Gab es wohl ein schöne res Bild, wie die milden Strahlen durch das grüne Laub fielen und ans ihrem schönen Ant litz und goldenen Haar hell erglänz ten? Nie vergaß er sie, wie sie so da stand: den Blick ge senkt und die klei nen Weißen Hände vollGlockenblumen „Wollen Sie unr eine dieser Blumen geben?" fragte er, „alsErinnerung an den schönsten Mor gen, den ich je erlebt, und an das lieblichste Gesicht, das ich je gesehen habe'—nur eine einzige?" Halb schüchtern, halb lächelnd reichte sie ihm die gewünschte Blume; sein Gesicht erglühte, als er sie ans ihren Händen nahm; noch mehr Worte zitterten auf seinen Lippen, gern hätte er Un gesagt, wie schön, wie lieblich, wie anmutig sie sei, und daß er sie nie vergessen könne; gern hätte er sie nach ihrem Namen gefragt, wo sie wohne und warum sie sv allein in dem dichten Walde umher- streiste, aber er that nichts von alledem — mit einer stummen, ehrerbietigen Verbeugung verließ er sie. — Martha kehrte heim; aber das Leben war ein anderes für sie geworden. Etwas Neues, Schönes mischte sich bei Tag in ihre Gedanken, bei Nacht in ihre Träume. Sie wußte nicht, warum das Gesicht, daß sie an jenem Morgen im Walde gesehen, ihr be ständig vor Augen schwebte, warum der Ton jener Stimme ihr immer in den Ohren klang, warum ein jedes Wort, das er ge sprochen, in ihrem Herzen lebte. Sie wußte nicht, daß an jenem Maimorgen das erste Glied zu einer Kette geschmiedet wurde, die sie für ihr ganzes Leben binden sollte; die Bergsdorfer Wälder sollen ihr ebenso verhängnisvoll werden, wie einst ihrer schönen jungen Mutter. „Du bist ein sonderbarer Mensch," sagte Herbert von Kalborn zu seinem Freunde, dem jungen Grafen von Roddeck, „daß Dich nichts befriedigen kann? Was willst Du mehr? Du bist jnng, hübsch, reich und ohne Schulden. Da sieh' mich an — mich armen Kerl, mein ganzes Einkommen reicht nicht aus, um meine Cigarren davon zu bezahlen; ich stecke bis über die Ohren in Schulden, alles geht mir schief, und bei alledem bin ich wohl glücklicher wie Du." „Ach, laß mich in Ruh', ich bin ver stimmt," erwiderte mürrisch der junge Graf. — „Sosagemirdoch nur, woran es Dir fehlt!" sprach jener weiter, „selbst eine schöne, junge Frau kannst Du haben — Du brauchst nur zuzugreifen." Des Grafen Ant litz verfinsterte sich bei diesen Worten nur noch mehr. „Alles, was Dil da sagst, ist ja sehr wahr,Freund, "ver setzte er, „und doch kann ich Dir ver sichern, daß ich gern Titel, Rang, Reich tum und alles, was ich in dieserWelt be sitze, hingeben wür de, wenn ich dadurch frei würde!" „Frei! — wovon denn?" fragte Her bert erstaunt. Schloß Rottcnstci». (Mit Texi.)