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dem Rathhause eine Menge Rittmeister, Kapitäne, Leutnante und andere Militär- personen, um die schleunige Ablieferung der „Rationen und Portionen" zu erlangen. Das Fleisch müsse, da man sich hier nicht aufhalte, gekocht oder gebraten geliefert werden. Auf Anordnung des Rathes war zum Glück bei den Fleischern das Rindfleisch bereits in großen Kesseln gekocht, die „Schöpsenkeule" aber gebraten worden, und so konnte die Lieferung rasch bewerkstelligt werden. „In großen Wannen auf vierspännigen Wagen wurde das gekochte und gebratene Fleisch" ins Lager gefahren, „wie denn auch immer ein Wagen nach dem andern mit Brode, Biere, Brandewein, Heu, Hafer, Häckerling und dergleichen Bedürfnissen dahin abging." Gerade, als es an Bier zu fehlen begann, traf glücklicherweise Bier aus Frankenberg ein, „welches gar balde seine Liebhaber fand." Um 5 Uhr brach zunächst die Kavallerie auf und marschirte vom Nikolaithor aus auf dem Graben herum nach dem Johannisthor und nach der Freiberger Straße. Schlag 6 Uhr folgte die Infanterie. Sie nahm ihren Weg durch die Stadt, „mit geschultertem Gewehre, jedoch ohne Rührung des Spieles, zum Niclasthore herein, über den Roß-, Holz- und Kornmarkl, durch die Johannisgasse zum Thore hinaus nach der Freiberger Straße." Das war der Anfang der Kriegsunruhen in Chemnitz. Die nächste Zeit, etwa anderthalb Monat, blieb die Stadt von Truppen durchzügen und Einquartierungen verschont. Die Lieferungen dagegen an Getreide, Stroh, Heu und Lebensmitteln dauerten ununterbrochen fort. So manches auch erinnerte die friedlicher Ruhe entrissenen Bürger, daß sie mitten im Kriege lebten. So erschien Ende September der preußische Oberst von Mayer, um für ein Frei korps zu werben. Er hatte früher in sächsischen Diensten gestanden und war, nachdem er einen Grafen von Vitzthum im Duell erschossen hatte, in preußische getreten. Ueberall, an den Thoren, an allen Ecken, ließ er sein Werbepatent anschlagen. Er versprach, daß 1. der Freitruppe gleich den übrigen Königlich preußischen Truppen ihre Löhnung, Brot, große und kleine „Mondirung" gegeben werden würde, daß 2. aus „allerhöchster Königlicher Gnade" alle gemachte Beute, „und wenn es 1000 Thaler wären", jeder für sich behalten und frei nach Belieben veräußern dürfe und daß 3. nach Beendigung des Krieges jeder, der nicht Lust habe, weiter zu dienen, den Abschied oder auch sogleich bei seiner Anwerbung eine Kapitulation auf 3 oder 4 Jahre erhalten könne, daß dagegen alle, die weiter dienen würden, alles, was ihnen vorstehend versprochen würde, unverändert weiter genießen sollten. Die Werbung hatte guten Erfolg. Arbeitsscheues Gesindel in Menge ließ sich anwerben und mußte zunächst auf Stadlunkosten einquartiert und verpflegt werden. Ferner hatte die Stadt im November 24 Mann zu Schanzarbeiten in Reitzenhain zu stellen. Ein Fest des Friedens lenkte indes für einige Tage die besorgten Blicke der Chemnitzer von der Unruhe der Zeit ab: am Reformationstage fand die feierliche Einweihung der neuen Johanniskirche statt. Die genauen Berichte der Chronisten über diese Feier bekunden deutlich, welch' freudigen Antheil die gesummte Bürgerschaft an dem kirchlichen Feste nahm. Doch schon am 7. November wieder gemahnte ein Eceigniß die Bewohnerschaft an den Krieg und setzte die Gemüther in Erregung und Bestürzung: der Rathsherr und Acciseinspektor Dittel wurde von preußischen Soldaten verhaftet und als Kriegs gefangener nach Freiberg fortgeführt, um von da später nach der Citadelle in Magdeburg gebracht zu werden. Wie bald verlautete, sollte er die Flucht von Rekruten begünstigt haben. 6 Jahre und 4 Monate, „bis zum wiederhergestelllen Frieden", saß er als Gefangener auf der Citadelle in Magdeburg. Alle Bittgesuche des Raths um seine Freilassung waren vergeblich. — Bereits auch wurden neue Ein quartierungen angekündigt, und wirklich, am 16. November, rückten ein Regiment Preußen unter Befehl des Generals Knobloch in Chemnitz ein, um Winter-