28 Zu Anfang des Winters hatten die Kaiserlichen Truppen den ganzen erz- gebirgischen Kreis bis zur Freiberger Mulde in ihren Händen. Jenseits der Mulde standen die Preußen. Daher hatte Chemnitz den Winter 1761—1762 nur Kaiserliche als Gäste. So zog am 27. November das Kaiserliche Infanterieregiment „Prinz Karl von Lothringen" unter Befehl des Obersten von Schorlemer in der Stadt ein. 5 bis 6 Mann kamen in ein Haus zu liegen Alle Soldaten hatten strengsten Befehl, Niemandem „das Geringste in den Weg zu legen, von Niemandem etwas zu fordern." An Sonn- und Feiertagen hielten sie ihren Gottesdienst auf freiem Markte, später auf dem Rathhause „oben auf dem großen Saale." Nach einigen Tagen trafen weitere Truppen ein, daß schließlich in Stadt und Umgegend 20 000 Mann Kaiserliche Völker standen. In Chemnitz wohnte damals der „königlich polnische und kurfürstlich sächsische Prinz Albert, und zwar im Herrmann'schen Hause". Auch andere hohe Offiziere lagen hier. Zu Ehren des Prinzen wurde im Lpceum eine Schulfeier abgehallen, bei der 4 Schüler Reden hielten und der „Höchstdieselben beigewohnt". Bei der Ziegelscheune auf dem Anger wurde die Felobäckerei angelegt, 5 Backöfen wurden errichtet und hier für das ganze Korps das Brot gebacken. Das Gewandhaus wurde Heu- und Strohmagazin. In dieses mußten besonders die Bauern aus dem Altenburgischen viel liefern. Zu Anfang des neuen Jahres, am 5. Januar 1762/rückten sämmtliche Kaiserliche Truppen aus der Umgegend nach dem von den Preußen bedrohten Altenburg ab. Am 21. folgte auch nach achlwöchigem Aufenthalte in Chemnitz das Lothring'sche Regiment. „Nur die Weiber und die Bagage blieb hier." Bis Anfang Mai herrschte fortgesetzt lebhafte Bewegung unter den Truppen. Die Preußen machten von Leipzig aus Vorstöße gegen die von den Kaiserlichen besetzten Gtzbieistheile westlich und nördlich von Chemnitz, und wiederholt kam es zu blutigen Kämpfen. Vielfach wurden preußische Kriegsgefangene durch Chemnitz gebracht. Eine Unterbrechung erfuhr das kriegerische Treiben am 29. Januar durch die Begrüßung des sächsischen Kurprinzen Christian Leopold, der mit Gemahlin und 3 Prinzessinnen auf der Durchreise nach Dresden Abends 8 Uhr anlangte. Unter einer Bedeckung von sächsischen Dragonern und Kaiserlichen Husaren kam er von München, seinem bisherigen Aufenthalte. Bei der Ankunft hatten mehrere Hundert Bürger auf dem Haupt- und Roßmarkte Aufstellung genommen, auf dem Markt, Roß- und Topfmarkt und der Johannisstraße waren „alle Fenster mit Lichtern illuminirt". Nachdem der Prinz im Herrmann'schen Hause abgestiegen war, empfing er den Rath und die Geistlichkeit in Audienz und hielt hierauf „offene Tafel". 11 Uhr Nachts setzte er seine Reise fort. Zu einem entscheidenden Kampfe zwischen den Kaiserlichen und den Preußen kam es am I I. Mai bei Döbeln, zu einem Kampfe, „welcher sehr scharf gewesen." Die Kaiserlichen unterlagen. Noch am Abend trafen Haufen von Flüchtigen ein und lagerten auf dein Anger. Auch eine Menge Gepäckwagen kam von Döbeln her. Noch mehr Truppen kamen am 12., „alles zerstreut", und blieben sofort unter freiem Himmel, noch mehr auch Gepäck. Am nächsten Tage, 10 Uhr Vor mittags, traf sogar ein Korps von der Reichsarmee ein, das Anfang Mai auf seinem Zuge nach Freiberg Chemnitz berührt hatte. Es bezog an der Freibergerstraße, am Zeifigwald hin bis nach Gablenz, ein Lager und „ruinirte sehr vieles Getreioe". Bereits Nachmittags rückte es wiever ab, über Zschopau nach Böhmen. Auch alle Kaiserlichen brachen auf. Mit einem Male war verloren, was die Kaiserlichen den Winter hindurch in Besitz gehabt hatten. Die Theuerung war seit dem letzten Winter immer fühlbarer geworden. Der Scheffel Korn kostete 8 bis 9 Thaler, die Kanne Bier 1 Groschen, 1 Kanne gewöhnlicher Kornbranntwein 12 bis 14 Groschen, 1 Paar „Mannsschuhe" 3 Thaler 8 Groschen. Dazu herrschte den ganzen Winter hindurch große Kälte