Volltext Seite (XML)
17 Mehrfach wurden Gefangene hier ein- oder durchgebracht, am !6. März auch 12 Mann „Moscowitter" (Russen), „welche sie in Pommern gefangen bekommen." Fühlbarer wurden im Frühjahre die Folgen eines größeren Kampfes an der Grenze Böhmens. Mitte April nämlich fanden iiber Chemnitz starke Truppenbewegungen statt. So zogen am 12. zahlreiche Jnfanterieregimenter, aus ihren Winterquartieren in Dresden und Freiberg kommend, durch die Stadt. In die Umgegend kam ein ganzes Korps zu stehen und in Chemnitz selber waren nicht weniger als 4 Generäle einquartiert, von Hülsen, von Klitzing, von Grabow und von Aschersleben. Ferner mußten mehrere Hundert Leute aus den umliegenden Dörfern und Aemtern zu Schanzarbeit an die Grenze, und viele Bauernwagen mußten gestellt werden. Auch 3 Bataillone der in der Stadt liegenden Truppen rückten mit aus. Alles galt einem Kampfe an Böhmens Grenze, am Haßberg. Am 1. Osterfeier tage trugen dort die Preußen einen vollen Sieg davon. Bald spürte Chemnitz die Folgen. Am 1. Osterfeiertage nämlich, den 15. April, kam eine „Estaffelle" und meldete, daß alsbald 1800 Mann kaiserliche Kriegsgefangene eintreffen würden. Sofort mußten aufs Rathhaus, auf die Accise und die lateinische Schule Stroh geschafft und ferner für 1 General und 550 Offiziere Quartiere in Bereitschaft gesetzt werden. Am nächsten Tage, Nachmittags 3 Uhr, trafen die Gefangenen ein, unter Bedeckung eines Bataillons vom Grabow'schen Regiment. Darunter waren der Kaiserliche Generalmajor Reichart und 44 Offiziere. Auch 3 Pulverwagen, 3 fliegende Fahnen und 3 Kanonen kamen mit. Die Gesamml- zahl der Gefangenen betrug etwa 1500. Sie wurden „alle in Parade hier eingebracht; die Preußen gingen zur Seite und die Gefangenen, worunter sehr viele Blessirte waren, in der Mitte. Alle marschirten auf dem Markte auf und bekam ein jeder 1 Brot." Hinterdrein folgten viele Wagen mit verwundeten Kaiserlichen wie auch Preußen, die ebenfalls einquartiert wurden. 600 von den Gefangenen wurden im Rathhaus unlergebracht, 100 auf der Accise, 500 in der Lateinschule und über 200 unter dem Gewandhaus, „wo vorher Pferde gestanden hatten." Die „jungen Bürger" hatten an diesen Stellen die Wache zu versorgen, auf Feuer und Licht Achtung zu geben und aufzuwarten. Täglich lösten sie einander ab. Die für die Kranken und Verwundeten gebrauchten Arzneimittel wurden auf Stadtunkosten aus der hiesigen Apotheke entnommen. Viele von den Gefangenen traten in preußische Dienste. Am 18. April kamen auf 36 Wagen neue Verwundete, 126 Genieine und 14 Offiziere. Sie wurden in den Bürger häusern einquartierl. Zugleich mit ihnen trafen mehrere Wagen mit erbeuteten Gewehren ein. Am 23. April, nach einwöchigem Aufenthalte, wurden sämmtliche Gefangene, 1525 Gemeine, 1 General und 55 Offiziere, unter starker Bedeckung von Kavallerie nach Dresden weiter befördert. Die Einquartierung war vom Frühjahre an bald stärker, bald schwächer. Am 22. Februar halte General von Knobloch die Stadt verlassen und war nach Thüringen gegangen, wo er den Befehl eines Korps übernahm. An seine Stelle trat General von Klitzing. Das Knobloch'sche Regiment selber verließ Chemnitz am 27. April. Dafür rückte schon 1 Stunde später das Füselierregiment von Bredow ein. Am 29. traf zum dritten Male Prinz Heinrich hier ein, ging aber schon am nächsten Tage mit den oben genannten 4 Generälen nach Zwickau. Ihnen folgte am >. Mai früh 5 Uhr das Bredow'sche Füselier regiment. Am Nachmittag trafen dafür in Stadt und Vorstädten so zahlreiche Truppen ein, daß in manchem Haus 18 bis 20 Mann lagen. Zugleich marschirten viele Regimenter nach Zwickau durch. Am 3. Mai gingen sämmtliche Truppen weiter „und wurde die Stadt völlig leer." Zweifellos war wieder ein größerer Schlag gegen die Reichsarmee in Baiern geplant.