Volltext Seite (XML)
gewohnt und war am 30. Dezember verstorben. Drei Tage tag er auf einem Paradebette aufgebahrt. Am Begräbnißtage Nachmittags 4 Uhr wurde die Leiche unter dem Geläute sämmtlicher Glocken in einem mit schwarzen Tuch überzogenen Trauerwagen von der Wohnung über die Bach bis zur Kirchthür gefahren, neben dem Wagen schritten dabei 16 Unteroffiziere, dahinter fuhren 42 Kutschen, sämmtlich von Offizieren eingenommen. Am Eingänge zur Kirche hoben die Unteroffiziere den Sarg vom Wagen und trugen ihn vor den Altar, auf dem 200 Lichter brannteu. Die Begräbnißfeier eröffnete eine Trauermusik, dann hielt der Feldprediger des Regiments die Leichenrede und der hiesige Superintendent sprach den Segen. Mit abermaliger Trauermusik schloß die Beisetzungsfeierlichkeit. Mit banger Sorge trat die Bürgerschaft von Chemnitz über die Schwelle des neuen Jahres. Mancher wohl ahnte, daß alles, was bisher die Stadt gelitten hatte, nur der Beginn aller Leiden und Drangsale sei. Schon am 9. Januar 1757 mußte die Bürgerschaft wieder aus dem Nathhause erscheinen, denn wieder sollte die Stadt 16 Mann zum preußischen Heere stellen. Sie wurden denn ausgelesen — jeder diesmal von 70 Zoll Länge. Bis zum 15. behielt man sie auf dem Nathhause, dann wurden sie nach Halle gebracht. Am 2. Februar trafen gegen 800 Rekruten aus Brandenburg und Westphalen ein, um den beiden hier stehenden Regimentern zugetheilt zu werden. Da sie nicht im Freien einexerziert iverden konnten, wurden die Fleischbänke unter dem Gewandhause herausgerissen So war zunächst Platz für die Rekruten von Herzog Ferdinand's Regiment geschafft. Für die des Knobloch'schen Regiments mußte ein Exerzierhaus auf dem Roßmarkle erbaut werden, 112 Ellen lang, 30 Ellen breit. Zur Sicherung gegen einen feindlichen Ueberfall errichteten im Februar die preußischen Truppen eine größere Anzahl sogenannter Lärmstangen, und zwar an der Zschopauerstraße, auf dem Kaßberge und auf dem Hüttenberge vor dem Nikolaithore. Die Stangen waren dicht mit Pech überzogen und mit Stroh umwickelt. Tag und Nacht hatten bei jeder Stange drei Bürger zu wachen. Sorge um die Wehr haftigkeit der Stadt war auch der Grund, weshalb der Prinz Moritz von Dessau Anfang März die Errichtung einer großen Schanze auf dem Kaßberg der Pforte gegenüber befahl. Auf den Kaßberg mußte für die Beförderung der Kanonen eine Straße, über die Chemnitz vor der Pforte nahe am Wehrteiche eine Brücke gebaut werden, über die mir Pferd und Wagen gefahren werden konnte — „welches sehr viel Arbeit kostete." Täglich arbeiteten 200 Amtsunterthanen „zur Frohne" und 20 Mann aus der Stadt. Auch Sonntags und die Osterfeierlage über durften sie die Arbeit nicht aussetzen. Für die Schanzpfähle und „spanischen Reiter" wurden 1500 Stämme gefällt. — Ende Februar traf Prinz Ferdinand von Preußen, Bruder Friedrich's des Großen, ein. Er nahm seine Wohnung in Packbusch's Haufe auf der Klosterstraße. — In die größte Bestürzung geriet!) die ganze Stadt, als plötzlich am 18. März Abends 7 Uhr preußische Unteroffiziere in den Häusern herumgingen, mit Gewalt die jungen Leute, „Bürger und Burschen", forlführlen, 32 an Zahl, und nach der Hauptwache brachten. Kein Wunder, wenn dieses Verfahren überall ein „erstaunliches Lamentiren verursachte." Andern Tags, früh 8 Uhr, wurden die jungen Leute dem Herzog Ferdinand vorgestellt, von diesem aber nach kurzer Besichtigung „auf vieles Bitten" und als zu klein wieder freigelassen. Nur ein Tagelöhner, der sehr lang war, wurve behalten. So ging der Winter von 1756 zu 1757 zu Ende. Große Ansprüche waren bereits an Chemnitz gestellt worden Die Verpflegung zweier Regimenter 5 Monate lang — bis in den April hinein —, die vielen Bauten waren eine harte Probe der Leistungsfähigkeit unseres Chemnitz. Dazu kamen noch allerhand Lieferungen. So halten im Laufe des Winters Hunderte von Scheffeln an Getreide, an die hundert Centner Heu und eine Menge Stroh beschafft werden müssen, alles im Gesammtiverthe von 1086 Thalern.