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Das Tageblatt für Frankenberg und Hainichen : 29.05.1943
- Erscheinungsdatum
- 1943-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787001164-194305299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787001164-19430529
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787001164-19430529
- Sammlungen
- LDP: SLUB
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Das Tageblatt für Frankenberg und Hainichen
-
Jahr
1943
-
Monat
1943-05
- Tag 1943-05-29
-
Monat
1943-05
-
Jahr
1943
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Feierstunden nuG den» AMag Stark sein in »Uten Tagen Ist wahrlich keine Kunst — Doch stolz und ohne Klagen Das Bitterste ertragen. Erzwingt des Schicksals Gunst! Frei sein von allen Schwächen, Wenn es ums Letzte geht, Um Biegen oder Brechen/ Auf Hauen und auf Stechen — Nur das allein besteht! Der Stunden schwerste sieben Den Weizen von der Spreu! Was taub ist, muh zerstieben — Ins Herz fei dir geschrieben: Bleib bis zum Tod getreu! Heinrich Anacker. Dre Är/ Ze/r/ werter/ vo» ^»va»«sjc> Der Gedanke, dah meinem Arbeitskameraden und keiner Familie bei dem leisten Nachtangriff der bri tischen Mordbrenner etwas Ernstliches zugfltoßen sein könnt«, trieb mich in die abseits gelegene Stadtrand siedlung. Wie feine, dünne Bindfäden fiel der Regen. Kein «onnenstrahl zerriß den bewölkten Himmel, und mir war es, als wollte selbst di« Sonn« ihr Antlitz vor dieser ruchlosen Tat verhüllen. Noch waren die FeuerlSschzüg« bei. der Arbeit, um die letzten, wieder aufflackcrnden Brände einzudämmcn. Der Geruch von Phosphor und Schwefel erfüllte die Luft. Das tags zuvor noch friedliche Wohnviertel meiner Heimatstadt glich nunmehr einem Trümmer feld. Dort hockten und suchten noch einige Menschen unter dem Schutt, zwischen den Mauerresten, die ihnen sagten, dah an dieser Stelle einmal ihr Haus gestan den hatte. Das Gerümpel auf den Straßen wurde in Lastwagen fortgeschasft. Im Antlitz der Betroffenen spiegelte sich das nächtliche Geschehen, aber auch die ganze Härte des bestandenen Abwehrkampfcs wider. lieber Hindernisse hinweg gelangte ich an das Hau» des Kameraden, das ebenfalls dem Erdboden gleich gemacht war. Er und seine Frau waren gerade damit beschäftigt, alles noch Brauchbare unter dem Ge mäuer hervorzuholen und auf einen Karren zu laden. Schweigend reichte ich ihnen di« Hand, es war nicht an der Zeit, viel« Worte zu machen, sondern hier galt es zu helfen. Hin und wieder hörten wir, wie irgendwo ein Blindgänger krepiert« oder eine aus gebrannte Fassade zusammenstürzte. Plötzlich fiel mir ein zu fragen: „Wo habt ihr denn eure Jungens?" — „Sie werden wohl in der Nachbarschaft sein," gab nnr die Frau zur Antwort. Dann waren wir fertig mit der Arbeit. Während unserer Unterhaltung hatte ich erfahren, dah ihnen «in Bekannter am äußersten Ende der Stadt «in Zimmer überlassen würde. Dorthin wollten sie jetzt gehen. ..Würdest du mal nach den Jungens sehen?" bat mich, zum Gehen fertig, der Kamerad. „Wir kom men nach." „Gern!" sagte ich und ging, die Kinder suchen. Endlich hatte ich sie gefunden. Dor der Normaluhr, die auf einer Verkehrsinsel einer Straßenkreuzung stand, spielten sie mit anderen Kindern. Es stand mir noch do« eisern« Gerippe der Uhr, die Scheiben waren * vo» Orior „Guck dir doch mal die Misteck« an und verkaufe sie, wenn sie ein Dummer haben will!" Das waren die letzten Worte, die Thomas Wille seinem Freunde Heinz Wiegand zurief, als sich der Zug in Bewegung setzte, der Wille auf eine längere Dienstreise führte. Einige Tage später machte sich Wiegand auf den Weg, um erst einmal das Stück Land zu besichtigen, an dem Wille scheinbar wenig und ihm, Wiegand, schon gar nichts gelegen war. Das im Jahre 1917 zerschossene rechte Bein schmerzte heftig, als der alte Maschinenmeister vom Bahnhof aus den steilen Weg hochstieg. Aber herrlich schien die Frühlingssonne, die Vögel sangen in Busch und Baum. Und als Wiegand auf der Höhe angekommen war und Um blick hielt, grüßten gar nicht weit im Süden die Türme der Stadt. Weiter marschierte der alte Mann dem Walde zu. Und da lag auch schon rechts das Stückchen Land, wohl tausend Quadratmeter, schön tm Viereck, gekennzeichnet durch eine Stange mit ei em Lappen daran, wie es Wille beschrieben hatte. Nmgs herum schlossen sich Aecker und Gärten an, gepflügt und geebnet, teilweise schon bestellt. Aber wie eine Wüstenei lag Willes Stückchen. Die Nachbarn hatten Steine daraufgeworfen. Brachland war es, verkom men, migepflegt, nutzlos. Schwerfällig erhob sich eine Krähe und flog dem nahen Walde zu. Eilig, kn großen Sätzen entfloh ein Hase. Mißmutig betrachtete Wiegand das Land. Und kaum dankte er für den Gruß eines jungen Mannes, der aus dem Walde gekommen war und neben ihm stehen blieb. „Schade um das schöne Land!" sagte der junge Maim. „Es liegt nun drei Jahre brach, oder gar vier!" — „Ich verstehe auch nichts davon!" brunnnte Wiegand. „Genau so wenig wie mein Freund Wille. Aber geben Sie mir doch einen Rat!" Denn bei näherer Musterung des Fremden hatte Wiegand herausgefunden, daß es sich wohl um einen Bauern burschen handelte, der da neben ihm stand, die Pfeife stopfte und umständlich kn Brand setzte. „Wenn Sie es befahlen", fuhr der Bursche fort, „dann will ich das Stück pflügen und was sonst noch dazu gehört." Wiegand dachte nach. Dann sagte er: „Na gut. Was es kostet, bezahle ich. Brach darf das Feld ja jetzt nickt bleiben. Machen Sie, was Sie für gut halten!" Er gab dem Burschen seine Anschrift, dann ging Wie gand seiner Wegs. Ein Stück durch den Wald, dann dem Bahnhof zu, und bald war er wieder in der Stadt, und gleich schrieb er seinem Freunde Wille einer, langen Brief über das Land am Walde und über de» Baueruburschen, der es in Schuß bringen wolle. Und daß die Kosten natürlich auf seine, Willes, Rech nung kämen.' Doch es war merkwürdig: Nun fand der alte Wie gand in der kleinen Stadt keine Ruh« mehr. Die täglichen Spaziergänge durch die Straßen und An lagen waren ihm zum Ueberdruß geworden. Ihn lockt« das Stück Land am Walde oben. Und trotz sein«, Alters und de» zerschossenen Beines fühlte er, daß «r etwas schaffen könne. Und er erinnerte sich an den Hellen Sang der Bögel da oben, an den herben Geruch des Frühling» am Wald« und di« bestellten Felder. Vier Tage später stand Wiegand, den sein Bein diesmal gar nicht schmerzte, wiederum am Brachland des Freundes. Da zogen zwei Ochsen eins Egge über das gepflügte Feld. Pfeifend begleitete der Bauern bursch« das Gespann. Und freudig nahm er da» Paket Tabak kn Empfang, das ihm Wiegand mkt- gebracht hatte. An der Straß« lag eine dlcke Walze, und Wiegand wartete so lange, bis das Feld, später gewalzt, glatt vor ihm lag wke «kn Tisch. Und gar nicht mehr abstach von der Nachbarschaft. Gegen Abend zog der Mts seinen Geldbeutel und «ntlohnte den Bauernsohn, erstaunt über dke Billigkeit der Arbeit. Und von nun an kannte man kn der Stadt den alten Wiegand fast nicht mehr wieder. Von Samenhand lung ging er zu Samenhandlung und kaufte Säme reien. Einen Spaten, eine Hacke und eine Hark« schafft« er an. Dann fuhr er tagtäglich hinaus zu dem Stückchen Land am Walde. Kaum vier Wochen waren vergangen, da war das Stück Brachland ein kleiner Garten mit Stachel- und Johannisbeersträuchern und einem Kirsch- und Birnbaum, und der alte Mann war ein Kleingärtner geworden, wie er im Buche stand. Im Hochsommer kehrte Thomas Wille zurück. So nebenbei kamen die Freunde am nächsten Tage auf das Stück Land Mn Walde zu sprechen. Und Wiegand überredete Wille, es ihm zu verkaufen. Der war einverstanden. Dem Wiegand aber schmerzte sein Nein nicht mehr — — Sein Leben hatte «inen neuen Inhalt gewonnen. von dem Luftdruck zertrümmert. Der Aelteste hielt das herausgeschleuderte Uhrwerk mit den Zeigern in der Hand und mühte sich, dies« vorwärts zu drehen. „Die Zeit geht doch weiter!" schalt er. „Ganz recht, ermunterte ich ihn. „Nach den Zeigern ist es fünf Minuten vor zwölf, und wir haben jetzt zwei Uhr." Verwundert sahen sie mich an und gaben mir die Hand. „Das bekoinmt der Tommy doch heiiiiqezahlt, Onkel, wohl?" tat der Kleiner« ganz verständnisvoll. „Darauf könnt ihr euch verlassen!" bestärkte ich ihn in seinem Glauben, nahm beide Knaben bei der Hand und folgte ihren Eitern, die schon von einer Seitenstraße winkten. Eng verbunden wußte ich mich den Geprüften. Ne ben mir gingen die Knaben, die nach ihrer Bewäh rungsprobe das Wort des Mutigen gefunden: „Die Zeit geht weiter!" An ^uefcr/ole von von j^ecic/ril« Es gab gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in den zivilisierten Ländern der Erde wohl kaum ein be deutendes VarietL, auf dessen Brettern der weltbekannt« Zauberkünstler Bellachini nicht schon gestanden und sein Publikum „bezaubert" hatte. Aber wenn er auch der Meister der „Zauberei" war, so weit ging seine Kunst doch nicht, dah er sich ein wenig Ruhe in sein Privat leben Hineinzaubern konnte. Selbst in Freundeskreisen, wo er sich sehen ließ, bestürmte man ihn. „Meister, zeigen Sie uns ein Kunststück!" Ms er wieder einmal von einer längeren Gastspiel reise zurückkam, empfing ihn seine Frau auf dem Bahn hof und brachte es ihm schonend bei, daß gerade an diesem Tage die Verlobungsfcier einer Nichte statt- finde, an der auch sie, um nicht unhöflich zu erscheinen, t«Ilnehmen müßten. So mußte also Bellachini auch an diesem Abend in seinen Frack steig«». Nur mit Mühe konnte er wäh rend des Essens seine Müdigkeit unterdrücken. Da plötzlich — als gerad« die Nachspeise herumgereicht wurde — sagte jemand: „Herr Bellachini, bitte, nur ein Heines Kunststück!" Bellachini packte die Wut. Aber Zauberkünstler müssen in erster Linie sich selbst beherrschen können; man merkte ihm nichts an. Dann stand er aus: „Ich bin bereit, Ihnen etwas zu zeigen, rvas vor Ihnen noch lein Mensch gesehen, und nach Ihnen auch kein Mensch wieder sehen wird, wenn Sie mir versprechen, mich für den Rest des Abends in Ruh« zu lassen. „Wir versprechen — wir versprechen!" schwirrten die Stimmen durcheinander. „Sie sehen hi«r in meiner Hand eine Knackmandel," sagte Bellachini, „ich zerbr«che sie ... Sie sehen den Kem, den bi» zu diesem Augenblick di« Natur vor menschlichen Blicken verborgen hielt!" Dann steckt« «r seelenruhig di« Mandel in den Mund: „Schmeckt vor- »üglich,", sagte er, „und niemals mehr wird ein«» Menschen Auge diesen Kern erblicken!" ^paritsc/re Gesammelt von Hans B. Wagenseil. Gutes, das man uns tut, schreiben wir in den Sand; Böses ritzten wir in den Felsen ein. * Ein Hund, der Geld hat, mutz mit »Herr Hund' angeredet werden. * Lernen ist wie stromaufwärts rudern: wer »ich« vorwärtskommt, wird zurückgetrieben. -i- Wer wenig gesehen hat vom Leben, mutz sich viel wundern. * Ohne unsere eigene Mithilfe kann uns niemand vernichten. Hessen 5re . Das Wartheland ist eines der für unsere Er- nährung wichtigsten Gebiete. So konnte der Brot getreidebedarf des Altreiches für nahezu einen vollen Monat aus dem Wartheland gedeckt wer- den. Bet Speisekartoffeln sind die Verladungen in den letzten 3 Jahren um 40 vH gestiegen. Der Transport von Schlachtvieh über die Grenzen des Warthelandes konnte in einem Jahr um 38 vH gesteigert werden, die Milcherfassuna in 2 Jahren um 3S vH und die Abgabe von Butter an das Altreich in der gleichen Zeit um 1300 vH. * Im Generalgouvernement sind in verschiedenen Gebieten Anbauoersuche mit Sojabohnen vorge- nommen worden. Dl« Sojabohne ist von außer ordentlicher Wichtigkeit für die Ernüdr>>"»cz^- die Sojabohne sehr vl«r Nährstoffe enthält. Sie setzt sich zusammen aus 36 vH Roheiweib, 18 vH Fett, 20 vH Kohlehydraten, 8 vH mineralischen Bestandteilen, 1,6 bis 2 vH Lezithin, 8 vH Roh- faser und 14 vH Wasser. s- kimmMsMW Roman von Harald Baumgarten Urheber-Rechtsschutz: Larl-Duncker-Verlag, Berlin L4 «Nachdruck verboten) Alles Blut wich ans Holtons Gesicht. Erregt sprang «r auf und schob dl« Papier«, dis auf d«m Schreibtisch lag«», mit nervösen Bewegungen durcheinander. „Sie haben also erfahren, daß «s sich um meins Braut —, bah es sich um Fräulein Falck handelt?" „Gewiß. Es war eine nahellsgende Schlußfolge rung, Herr Doktor." Riskier zog einen Bleistift und fein Notizbuch aus der Tasche. „Wo haben Sie sich zwischen halb zehn und zehn Uhr am Montag abend aufgehalten?" Thomas beugte sich vor. „Ich? Wo ich mich auf gehalten Habs? Was bedeutet diese Frage?" gab er atemlos zurück. In einem dienstlichen Ton kam dke Antwort: „Ich bitte Sie, meins Fragen zu beantworten, Herr Doktor." Verwirrt setzte sich Thonras nieder. Seine Brauen zogen sich finster zusammen. „Ein Verhör also." „Ich bitte Sks nochmals, alle müßigen Kombina- Honen auszuschalten. Ich möchte Tatsachen hören, weiter nichts." Zorn stieg kn Thomas' Augen. Aber er bezwang sich. „Ich sah Herrn Breest mit meiner Braut um haib zehn Uhr zusammen vor dem Zeit. Daraus dreiste Ich mich um und ging in de» Zirkus zurück. „Wksso wußten Sie, dah es genau halb zehn war?" „Ich bötte die Musst zu dem Auftritt der Ge- fchwister Junghoff, die Punkt halb zehn Uhr kn dke Manege reiten. Ich kenne das Programm genau." „Sehr put!" Wedler machte sich eine Notiz. „Wie kamen Cie da-u, den Zirkus zu verlassen? Ver muteten Sie, daß lich Fräulein Falck mit Herrn Breest treffen wollte?" Thomas sah starr vor sich hi». „Ich fand Viktoria nicht auf ihrem Platz kn der Loge. Ich wurde un ruhig. Um de» Weg zwischen den vollbesetzte» Zu- kchanerrekßen am Haupteingang zu vermeiden, wählt« ich de» Ausgcmg O." „Sie sahen also Herm Breest mit Fräulein Falck miammen. Weshalb verzichteten Sie auf eins Aus sprache?' „Ich rahm mir vor, bas später nachznholsn — unter vier Annen mit Peter Breest." „Sie dreisten sich also um. Gingen Sie an Ihren Platz Im Zkrkn? -urück?" „Nein. Ich ging durch den Rundgang. Mein Gott — ich war so erregt und überlegte, was ich tun sollte." „Trafen Sie nicht Im Rundgang Thiele?" Thomas begriff. Seins groß«, starke Hand ballte lßb. „Ich traf niemand im Rundgangl" Seins Stimme wurde laut. „Ich verließ den Jirkus sehr bald durch dm Stnllausgang »ob bk» bann auf dem Feld auf n-d ad gelnufm. Als «» zehn Uhr schlug, konnte ich gerade noch sehen, wie sich Peter Breest von Fräu- lein Faick verabschiedete." „Sie nahmen also nur an, dah sich die beiden die ganze Zeit über vor Eingang v aufgehalten haben? Bei Ihrer gestrigen Aussage aber behaup teten Sie, die beiden ununterbrochsn beobachtet zu haben. Wie wollen Sie beweisen, dah Peter Breest die halbe Stunde mit Fräulein Falck vor Eingang l) gestanden hat?" Li» bitteres Lachen. „Niemand, der die beiden sah, konnte di« Möglichkeit eines anderen Gedankens über haupt erwägen." „Die Aussprache zwischen Ihnen und Peter Breest fand im Musiksalon in Anwesenheit von Fräulein Falck statt?" Plötzlich griff der Kriminalrat in seine Brusttasche und legte einen Zettel vor Thomas auf den Schreib tisch hin. „Sie verloren dort eine» der Ausschnitt«, Herr Doktor. Haben Sie diesen alten Prozeh gegen Ihren Freund ins Treffen geführt?" In fiebriger Elle überlegte Thoma«. Was be zweckten diese Fragen? „Die begreifliche Erregung", saate sr heiser. Risdler nahm den Zcltungsabschnltt wieder an sich. „Ich habe inzwischen sämtliche Nummern der „Ea- zctta di Napoli" bekommen. In dem Prozeh wurde Ihr Raine nicht erwähnt. Herr Doktor Holten. Wke kommt es nun, daß der Weinreisende Thiel« mit diesen Zeitungsausschnitten nicht Herrn Breest, sondern Cie zu bedrohen versuchte? Wke kommt es, dah Sie bereit waren, Thiel« «fne groß« Summe außer den tausend Mark für lein Schwelgen zu bezahlen?" Thoma? lprang auf. Poltemd siel der Stuhl hinter lhm zu Boden. Jetzt war sie da, dl« Stunde, vor Ker er sich immer gefürchtet hatte. Jetzt war «r lm elgenen Netz gefangen. Er bih die Zähne auf dl« Unterlippe. Aber der unwiderstehliche Drang, sich endlich von dielen» bösen Alp zu befreien, den «kn unheilvolles Schicksal Ihm aufgezwungen hatte, löste sekne Lsppcn. Befremdet mustert« ihn Rledler. Thomas hatte den Kopf erhöhen. Ruhig und ernst blickte er den Krlminalrat an. D«r knabenhafte Zug um seine» Mund war verschwunden. Ein entschlos sener, willensstarksr Mensch sprach. „Äe haben recht. Thiel« bedrohte mich. Unk mein Fehler war, daß Ich Ilm nicht genau so behänd eite, wie Peter Breest «s getan bat. Aber es sollte wohl alles so kommen." Ein müdes Lächeln fplelts um seinen Mund. Er setzte sich dem Krlminalrat gegenüber. Den Kopf In dl« Hank stützend, sann er ln sich hinein. Und während er sprach, durchiebts er wieder jene Ge- ichehnisse, dis ihn so ost bedrückt hatten. Die heiße Tonne Nsapei« lag auf der Nuinsnstakt Pompeji. Peter und er hatten die neuen Ausgrabungen besich tigt. Nun streiften sie ziellos durch dl« abgelegenen Häuserreste. Das Hohs Gras reichte ihnen bis über dis Knie. Groß« Smaragkeidschsen huschten au» Ke» Löchern der Mauern unk sonnten sich. In der Fern« schickte der Vesuv die Pinie seine» Rauchkeg«!« ln dl« fast unbewegt« Luft. Ueb-rltrömond von Lebenslust, brellet« Pst« wett dis Anne a«, ak» wollt, «r Sonne, Berg« und Meer umfassen. „Ist das Leben nicht schön, Thomas?" Er selbst war so voller Uebermut gewesen, daß er einen Sprung über «in« niedrige, zerbröckelte Mauer »nachte, die einst Ken Garten eines römischen Sena tors begrenzt hatte. Da sah er Augiolkna — — Sie lag lang aus- gestreckt, die Arme unter Kem Kopf verschränkt, In dem hohen Gras. Ihr tiefgebräuntes, liebliches Kinder gesicht mit dein blauschwarzen Haar lachte di« beiden Fremden an, und ein süßer, roter Mund bestätigt« voller Inbrunst: „Sl, signorila, vita e bella!" Welch berauschende Stunden, da sie mit dem fremden Mädchen durch dis Ruknenstadt schlenderten. Angkolina hing sich an Peters Arm. Geschmeidig wie «ine Gerte, auf schlanken Beinen, dis der kurze Rock kaum bis zum Knie bedeckte, lief sie neben ihm her — — War er neidisch, weil Peter der Glücklichere war? Ach nein, wer hätte Peter widerstehen können? Dem jungen, übermütigen Peter Breest! Unk doch hätte er gewünscht, daß Angiolinas dunkel glänzende Augen auch ihn angesehen hätten Thoma» Holten ließ die Hand sinken. Er machte «ln« Pause, bevor er fortfuhr: „Wir gingen mit Angkolina ln dl« Taverne, dle alle Besucher Pom pejis anlockt. Eln paar Straßsmnusikantsn sangen. Roter Wein schimmerte ln Ken Gläsern. Lacrimae Christi vom Abhang des Vesuvs. Was soll ich viele Motte machen? Ich weiß nur» «ins. Ich war be rauscht von meiner elgenen Jugend, von Angiolinas Laiben, von der Sonn« und dein West». Am gleichen Abend saßen wir schon kn dem kleinen Zirkus Deranl, ln dem Angloltna als Schulrektettn auftrat." Holte» stand auf. Dle Ettnnenlng leuchtete noch jetzt ln seinen Zügen, sß- trieb ihn ruhelos hin und her. „Dl« nächsten zwei Wochen waren wke ein Traun,. Peter unk kch wohnten kn einem Hotel äm Monts Calvario. Dairn zog Peter aus, kn eine be scheidene Albergo in der Nähe des Zirkus, wo Ihn Anglokkna ungestört besuchen konnte. Abends saßen wlr oft mif dem Balkon, der zu seinem Zimmer gehörte. Cs war eine enge Gasse. Uns gegenüber lag ekne Nähstube. Die Fenster standen offen und wir hörtm dke kleinen Näherinnen bei der Arbeit singen. Mi« verzaubert ging ich »ach Kiesen Stunden in mein Hotel zurück. Ich war traurig, ohne daß mein Kum mer geschmerzt hätte. Ich liebt« A-ngkolst>a und gönnte sie doch dem Freunde. Dann kam'der Abend — —" Thomas Holten stockt«. Er sah auf Rledler» Hand dl« kurz« No- ilzen ln eln Buch machte. Sekne Mienen verdüstetten sich. „Es muß wohl Schicksal gewesen fest», nicht nur el» dummer Zufall. Ich hab« foul«! darüber ge grübelt, ob ich dl« Schuld dam» trüg«. Klarheit wnnt« lch nie gewinn«». Der letzt« Abend in Neapel. Ich hatte mein« Rech nung im Hotel beglichen und mein« Koffer bereit? an Bord der „Titta di Napoli" gebracht, dle lm Mor- gengrane» den Hafen verlassen sollt«, um nach Ora» zu fahren. Dott erwartet« mich mein Vater. Von Peter und «ngiokina hatte kch nrkch bereit» verah- Mchet." Thoma« strich sich die blond« Haarsträhne aus der Stirn und starrt« M der getäfelten Deck« des Büros hinauf. „Sehen Sie, das war wohl di« entscheidend« Sekunde, in der ich den Entschluß faßte, noch einmal in die Stadt zurüctzukehren. Ich konnte nicht absahren, ohne Angiolina »roch einmal gesehen zu haben. Ich traf sie und Peter in der Kantine des Zirkus Veranl. Der Tlown Verani sah an ihrem Tisch. Er gab Wein aus, weil er ein Engagement an einen großen Zirkus bekommen hatte, Ker nach Siw- amerika reiste. Ich war in einer senttinentalen Stim mung und trank. Plötzlich, ich weih nicht mehr, wie es kam, entspann sich zwischen Peter und Angkolina ein Zank. Ein Zank, wie er so häufig unter jungen Liebenden ausbricht. Angiolina warf ihr Elas « Boden, daß es zerklkrtte, schrie, daß sie Peter Haff« und ihn nie »nehr sehen wolle. Ohne auf unser« Beschwichtigungen zu hören, lief sie hinaus. Pete« rannte hinter ihr her. Auch ich ging kurz darauf. Es war schon spät. Das Leben rn den Gassen Neapels war erstorben." Thomas Holten atmete schwer. Er schloß die Augen, in seinen Mienen arbeitet« es. Wie schon so oft, durchlebte er diese kurzen Stunden so klar und ohne alle Schatte», die Kis Erinnerung über fern« Dinge wirft, daß er meint«, jetzt kn diesem Augenblick wie der durch die Gaffen Neapels zu streifen. Der Mond schien hell und das Meer rauschte im wannen Nachtwind. Dke Rosenstöcke neigten sich unter der Last ihrer Blumen. Ihr süßer, betörender Duft füllte di« Straßen. Glitzernd hingen die Stern« am Himmel. Wke ekn schwarzer Klotz drohte da« Castell dell'Ovo. Ekne Uhr schlug — — Thomas spürte, wie fest» Herz sich zuscimmenkrampfte. , Er wiegte den Kopf hin und her. „'Weshalb mußt« ich in jener Nacht Angiolina treffen? Sie kam au« einer engen Gasse auf mich zu. Ihre erste Frag« ivar gleich: „Hast du Peter gesehen?" Ich "schüttelt« den Kopf. j ! H Sie war noch immer außer sich. Ich blieb an ihrer Seite unk tröstet« sie. Ich weiß nicht, n»k« lang« ich mit Angiolina durch die Nacht gegangen bin. Ich weih nur, daß wir «ine» Berg lsinauf- stieg«» unk an, Rand eines Abhanges stehen blieben. Di« Lichter Capris schimmerten weit in der Ferne. Der schwere Wein kreiste in meinem Blut. Ich wollte Ken Arm um Angiolina legen — — sie drängte mich zurück und lief sott . Plötzlich gab Ka los« Geröll unter ihren Füßen nach — sie stolpert«, und ehe ich bei ihr sein konnte, stürzte sie in die Tiefe." Totenblaß lehnte sich Thoma? an dle Wand. „Di« Stunden, dle nun folgten, waren die schrecklichste« meine? Lebens. Ich hatte noch nichts durchgemacht. Ich ivar unerfahren, zweiundzwanzlg Jahre alt. I« emcm Hause ausgewachsen, kn dem es mir Strenge, Ehrbarkeit und Pflicht gab. Zurrst war kch wke er- startt. Dann schrie ich um Hilfe. Ich rast« de» Abhang hinunier, zerriß mir die Kleider. Als ich «nkllch an dem zerklüfteten Strand angekammen war, sprang ich ins Wasser. Ich war wie von Sinnen, nur von d«m einen Gedanken beherrscht, Angiolina M rett«». (Fortsetzung folgt.)
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