Volltext Seite (XML)
Nr.18. Beiblatt znm ..Chemnilzer General-Anzelger" und zum ..Sächsische» Landboteu". 1899. Im Frühling. 2l„s Blüthenglan; und Duft gewoben Sinkt nur der Frühling an das Herz, Lin Lerchentrillerliedchen droben Und Maienglocke,, «Herwärts. In, engsten Thal — smaragd'ne Hänge, In, kleinsten Garten — veilchenduft Und in des Friedhofs kühler Lnge Schneit Blüthenschnee auf Grab und Gruft, Rein Lckchen zu gering und dunkel, Lin Blumenstern macht's lenzeslicht, Ls fällt ein Strahl von Sonnenfunkel In das betrübteste Gesicht. Rleinmüthig Herz, Du willst verzagen, wenn solch' ein Frühling Dich beglückt? Laß um Dich seine Wogen schlagen Und wirf hinweg, was Dich bedrückt! Im wunderschönen Monat Mai. Jetzt wird Alles auf den Glanz herge- rlchtet, weil das Frühjahr kommt. Droschken« Visitation haben wir nächstens auch. Ob sich freilich manches Rößl nicht beim Abfahren dcuken wird: «Herrje, wie lang wird's noch hergehen, dann tverd' ich nicht mehr als ein Ganzer im Freien, sondern Portionen- und wnrstclweise im Nestaurationslokal vorgesnhrl!" — Das ist eine andere Frage. Schade ist'S, daß nicht auch die Vehlozipeder mit ihren Besitzern, rehspecktiefe Bereitern vor- gesührt werden müssen. Wenn man da so ein paar tausend fesche Chemnitzerinnen in eleganten SportSkostümen von, feschen Hösel bis znm elegantesten Neitrock und von 70 Pfund bis zu 2'/z Zentnern auf einem Haufen bei einander sehen könnt', das gab' jedenfalls einen ganz kolossalen Zusammenlauf. So muß man eben diese Besichtigung im Einzelnen, wenn sie an Einem vorbeifahren, vornehme» und. wenn auch hie und da eine Alte und Wüste drunter ist, darüber könnte sich nur ein Barbar aufhalten; denn Radfahren hilft zwar für Speck und manches andere Gobreste; aber an seinem Geburtsschein kann eben Keiner ein Jahr heruntersahren, da hilft Alles nichts. Wenn man sich jung machen könnt', daS wär' so eine Erfindung; damit könnt' heut- zutag' Einer noch ein Geschäft machen. So ein Jugendelixirl Ich glaub', damit brächt' man Wunder zusammen! Denn alle andern Mittel helfen ja doch nicht auf die Dauer. Wenn sich Einer noch so schön die graue« Haare wegfärbt und die Falten nberschminkt und ein Gebiß auf Abzahlung kaust, daß sich ein Königstiger nicht damit zu scheniren braucht' — da- Alter schminkt sich Einer doch nicht weg; das sieht man einem Jeden an, da heißt'- Farbe bekennen! Und doch verjüngt sich Alles im Frühjahr. Schauen S' nur blos die Heirathsannoncen jetzt an! Mädchen von 16—75 Jahren kannst' in der Zeitung mit und ohne Ver mögen lesen und Wiltwer mit 2—24 Kindern thnu die reinsten Nothschrei' nach einer zweite» Auflage eheliche» Glücke-. Am Standesamt geht's natürlich auch entsprechend zu. Eine Bekannte von mir hat neulich an einem Tag drei Pärchen droben gehabt, die sie kennt; bei allen Dreien hatte se natürlich Spalier stehen müssen und sie hat sich mit lauter Lob der Braut und de- Bräutigams so überan strengt, daß fe ihre Zunge zwei Tage in der Binde hat tragen müssen. Auch auswärtige neugebackene Ehegatten machen Chemnitz be« reits auf der Hochzeitsreise unsicher. Sie werfe» sich oft verliebte Blicke zu, die schualze» wie die Knallerbsen, und manche Wirlhe schmunzeln; den» solche verliebte Leute esse» den ältesten Kalbsbraten mit einer Begeister ung, wie wenn's ein junges Backhähnche» wär'. Was auf der Welt ist, sucht sich zu ver schönern, so weit's möglich ist. Der Eine läßt sich die Hühneraugen wegschneiden; der