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Nr. Ui. Beiblatt zum .Chemnitzer General-Anzeiger" und'zum'„Sachstscheik Läüdboten". Lenz. wenn die winterstürme schweigen, Blüthen nicken von den Zweigen, Rings ertönt gar süßer Schall — Dann beginnt ein froher Neigen Und man feiert überall Lenz, den schönsten Karneval. Lin Srantlverlier. Der geistig nicht sehr entwickelte Sohn eines Berliner Handwerkers hatte bei dem im Geschäft seines Paters verkehrenden Publikum wohl hier und da Gelegenheit, Dativ und Accnsativ richtig anzuwenden, er war jedoch in der in seinem Kreise üblichen Sprechweise anf- grwachscn und so geschah es sehr häufig, daß er beide verwechselte. Diese Verwechselung brachte ihn an einem Ballabend der heimlich geliebten Tochter eines gutsituirten Mannes gegenüber in arge Verlegenheiten. „Jnädiges Fräulein!" sagte er nach einer langen holperigen Vorrede, ans welcher man allen falls herausschälen konnte, daß er mit Heirathsgedanken umgehe, „würde es Sie recht sein, mir Ihren Verlobte» zu nennen?" „Meinen Verlobten? Ja, sehr gern würde ich ihn nennen, aber ich habe keinen Ver lobten." „Entschuldigen Sie, ich wollte man blos fragen, ob ich Ihnen meine Verlobte nennen darf?" „So — Sie sind verlobt? Dann gratulire ich." Dem jungen Manne wurde hierbei etwas schwül und in dieser Ver fassung fand er erst recht nicht die richtige Form zu einer halbwegs passenden Erklärung. „Verzeihe» Sie meine Zerstreutheit und er lauben Sie mich die Frage: Darf ick mir Ihren Vater verstellen und darf ick ihm fragen, ob er mir seinen Schwiegersohn nennen will?" DaS junge Mädchen, klar darüber, um was es sich eigentlich handelte, sagte lächelnd: „Ich kann es Ihnen nicht verwehren, weun Sie sich meinem Vater vorstellcn wollen, Frauchen spricht von Bad und Reisen, Neuer Trieb erwacht in Greisen, Jüngling wird erstaunlich dreist, Dichter sinnt auf neue weisen, Zeder fühlt den Lenz, zumeist — Der, den 's in den Gliedern reißt. glaube aber, Sie kennen meinen Vater längst, er ist hier im Ballsaale!" und dabei lief sie kichernd davon. Nach kurzer Zeit traf der Brautwerber mit dem Vater des Mädchen- zu sammen. Sie kamen in's G.spräch, der Alte war dem Sohne seines Geschäftsfreunde- gegenüber sehr herablassend und dies er munterte den jungen Helden zu eine», Sturm- lauf ans das Vaterherz. „Bitte Ihnen um Verzeihung, wenn ick die etwas »»passende Jelegenhcit zu die Frage benähe, ob ick mir Ihrer Fräulein Tochter nähern darf — kurz jcsagt: ob es Sic recht wäre, wenn ich Ihnen meinen Schwiegervater nennen darf?" Der Alte verstand sofort, wo dies hinaus wollte, sagte aber ausweichend: „Ach! Sie sind »er« hcirathet? Freut mich! Wer ist den» Ihr Herr Schwiegervater?" Der junge Mann stotterte in wachsender Verlegenheit: „I wol Ick bin man noch jar nich verheirathet, habe aber die Absicht, mir zu verhcirathen und er laube mich deshalb kurz die Bitte auszu- sprcchen: Ncmocn Sie mir Ihren Schwieger sohn!" „Ja — aber ich habe keinen Schwiegersohn!" Aengstlicher geworden durch die kurze Abweisung, platzte der Heiraths- kandidat, wie um die ganze Angelegenheit mit einem Schlage in'S Reine zu bringe», mit de» Worten heraus: „Möchte Ihnen nicht er zürnen, muß Sie aber doch noch sagen, daß Fräulein Tochter mich jefäüt und daß ick mir mit die Hoffnung schmeichle, nieinen Schwieger vater Sie zu neunen." Da er hierauf keine Antwort erhielt, wurde ihm plötzlich klar, daß er etwas Unpassendes gesagt haben muffe, al-