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Beilage ;um Großenhainer Unterhaltung«- nn- Änzeigeblatt. Nr. IRL. Sonnabend, den TO. September 1882. 70. Jahrgang. In der Brandung des Lebens. Original-Roman von E. Heinrich«. (27. Fortsetzung.) Werneck schritt langsam weiter; — Niemand hatte das kleine Manöver bemerkt und erst, als er sich in einer der nächsten Straßen befand, beflügelte er den Schritt und eilte mit stürmisch klopfendem Herzen nach seinem Hotel, wo er sich einschloß, um ungestört das Buch zu durchblätteru. Es waren nur weuige Aufzeichnungen, größtentheils Adressen oder ähnliche unwichtige Dinge, augenscheinlich von ihrer Hand geschrieben, darin. Jetzt kamen andere Zeilen — an ihn gerichtet — es flimmerte vor seinem Blick, die Hand zitterte so heftig, daß er kaum das Buch zu halten vermochte. Diese Zeilen lauteten: „Ich bin eine Gefangene, Ihrethalben, Werneck! Der Majoratsherr will mich zwingen, einen Mann zu heirathen, den ich verachte. Retten Sie mich — ich werde heute Abend um 10 Uhr bei jener Linde mich einstellen. Angelika v. L." „O, Verhängniß!" murmelten seine Lippen beim Lesen dieses Namens, „ich sott eine Landenberg retten — Groß mutter. vergieb, ich kann nicht anders — um meinethalben als Gefangene behandelt von dieser Mumie, welche sich Kurt von Landenberg nennt — o, Du wirst sie aufnehmen, Groß mutter, gewiß, Du wirst sie nicht von Dir stoßen, die Ver wandte, welche Dein Enkel liebt." Wäre es nur erst Abend. Er klingelte, um sich einen Fahrplan bringen zu lassen. Um 11 Uhr ging der Zug nach seiner Heimath. War cs rathsam, mit ihr nach dem Bahnhof zu fahren und dort vor aller Welt Augen den Zug zu besteigen? Werneck ver warf diesen Plan. „Ich werde einen Wagen miethen und mit ihr nach der nächsten Station fahren, um dort einzusteigen", Lachte er. Dann fiel ihm wieder ein, daß der Kutscher Verdacht fassen, ihr Ruf darunter leiden könne. „Ah, so geht's", rief er lebhaft aus, „wir steigen bei dem Kutscher ein und nehmen im Vorbeigehen mein Gepäck mit." Bei der wunderlichen Situation, in welche er urplötzlich gerathen war, fiel dem jungen Doctor durchaus nicht ein, daß er, der einen Entführer verfolgte, nun selbst zu einem solchen im Handumdrehen geworden war; daß ferner Lieser Fall ganz genau Lemjenigen seiner Schwester ähnelte und er vor dem Forum der Vernunft das gleiche Urtheil zu erwarten hatte. Nein, hieran Lachte Werneck durchaus nicht, sein ganzes Wesen glich in diesem Augenblick einem Berauschten — er liebte und durfte sich sagen, von der Schönsten und Stolzesten ihres Geschlechts wieder geliebt zu werden. Gebot ihm nicht Lie Pflicht, Lie Angebetete zu retten? — Durfte er eine solche Bitte unberücksichtigt lassen, La Lie Geliebte seinetwegen ge quält wurde von ihren Peinigern, von jenem Manne, Lem er Rache geschworen? — Nein, er wäre ein Elender, wollte er hier zaghaft zurückbebcn, von niedriger Gesinnung geleitet, Las Für und Wider noch lange erwägen. „Es sei gewagt!" murmelte er entschlossen, „ich erringe sie für mich und fühle die Kraft in mir, nach dem Höchsten zu streben." Wieder klingelte er und forderte ein Adreßbuch der Residenz, um Lie Liste Ler Fuhrherren nachzuschlagen. Dann verließ er geflügelten Schritts das Hotel, suchte einen Droschkenbesitzcr auf und bestellte den Wagen zur Fahrt nach dem nächsten Stationsort, Len Preis im Voraus zahlend. „Ich werde um 10 Uhr heute Abend mit meiner Schwester hier einstcigen", bemerkte er im Fortgehen, und Ler Fuhrherr nickte befriedigt. Was sollte der Doctor mittlerweile beginnen? Er lief eine Weile in der Stadt umher und begab sich dann zurück ins Hotel, um das Diner einzunehmen, Zeitungen zu lesen und Billard zu spielen. Don dem brasilianischen Oberst war noch keine Nachricht eingelaufen. Er versuchte es, seine Gedanken an Liesen seltsamen Mann zu concentriren, über Lie Beweg gründe seines Handelns, sowie dessen Beziehungen zu der Großmutter nachzugrübeln — umsonst, all' sein Denken war beherrscht von der einen sinnverwirrenden Thatsachc, daß sie, Lie ihm so unerreichbar wie Lie Sterne geschienen, ihn er wählt hatte zu ihrem Ritter — Laß sie ihm folgen, von ihrer Sonnenhöhe hcrabste'gen wollte zu ihm. Ein heftiges Zittern überfiel ihn bei Liefern GeLanken, er gcLachte unwillkürlich der ernsten Mahnung der Großmutter, die jede Mesalliance für ein schweres Unglück erklärt. „Sie stand in geistiger Hinsicht zu hoch über dem Gatten", dachte er, sich beruhigend, „das ist nicht mein Fall; auch fließt dasselbe Blut in meinen Adern, auch ich entstamme Ler Familie LanLenberg." Ein sonniges Lächeln Les Glücks überflog Las schöne Antlitz des jungen Mannes. In seinen GeLanken hielt er eine solche VerbinLung für eine Fügung des Himmels, für "ne göttliche Sühne. „Großmutter", flüsterte er, „so räche ich Dich, so sott Dein Name wieder leuchten in Lem stolzen Geschlecht Deiner Almen. O. unsere Zeit ist anLers geworden, zu den Männern Ler Wissenschaft neigen Lie Fürstcntöchter sich herab — die Aerzte führen Prinzessinnen an ihren häuslichen Herd." Seine Augen leuchteten im freudigen Triumph, und die Zaghaftigkeit war geschwunden. XIV. u m son st. Wie wollte Angelika von Landenberg ihrem Gefängniß entkommen? Wie ihr gegebenes Wort, um 10 Uhr unter Ler Linde auf dem großen Platz zu sein, erfüllen? Man brachte das Diner nach ihrem Zimmer, wohin Graf Wildhagen sie des Anstandes halber führte, und er klärte sie für krank. Auf ihr Klingeln erschien stets der Oheim, welcher ihr schließlich mittheilte, daß sie sich zur Abreise be reit halten müsse, da Graf Kurt mit ihnen um 11 Uhr Abends abrcisen wolle. Die Tante Obernitz sei nach soeben empfangenem Telegramme krank geworden und könne zu dem verabredeten Rendezvous nicht eintreffen. „Ich werde bereit sein", versetzte die Comtesse ruhig, „wenn man mir um 9 Uhr meine Zofe schickt." Der Graf versprach es und ließ seine Nichte allein. — Angelika packte mit bewunderungswürdiger Ruhe eine Reise tasche mit dem nothwendigstcn Bedarf, wählte aus ihren Juwelen die Schmuckgegenstände, welche sie von ihrer Mutter geerbt hatte und verschloß die übrigen Brillanten sorgfältig. Um 9 Uhr erschien die Zofe, um ihre Befehle entgegen- zunehmen. „Rosi", sagte sie leise, „warst Du gern bei mir?" Das Mädchen blickte sie erstaunt an. „Wie sollte ich nicht, meine gnädige Comtesse!" „Nimm dies zur Erinnerung an mich, Rosi, ich bitte Dich um einen großen Dienst." Sie gab der Zofe einen hübschen Ring. „O, Comiesse sind so gütig", stammelte das Mädchen be stürzt, „befehlen Sie über mich." „Bringe mir Deinen Mantel und Hut", fuhr Angelika leise fort, „ich muß um 10 Uhr einen Gang machen —Du kannst aus meiner Garderobe nach Belieben Dir auswählen, was Dein Herz begehrt. Du wirst bemerkt haben, Rosi, daß der Graf mich wie eine Gefangene hält —" „O, gnädigste Comtesse", flüsterte die Zofe zitternd, „der Herr Graf wird mich der Polizei übergeben —" „Ich werde an ihn schreiben, Kind. Du kannst deshalb ganz ruhig sein, Dir wird nichts geschehen, da der Graf jeden Skandal vermeiden muß. Späterhin kannst Du wieder in meinen Dienst treten, Rosi! Ich werde Dir meine Adresse zurücklassen. Sprich", drängte sie ungeduldig, „es hängt mein Glück und Leben daran." „Nun wohl, ich gehorche", sprach Lie Zofe entschlossen, „die gnädige Comtesse find meine Gebieterin, was kann mir geschehen?" „Du schweigst darüber, Rosi?" „Wie das Grab." Rosi schlüpfte hinaus, um das Verlangte zu holen. „Wenn sie mich nur gleich mitnehmen wollte". Lachte sie, „wer hätte Las von der stolzen Comtesse geglaubt — hat Lie auch endlich ihr Herz entdeckt." Sie kehrte rasch mit Mantel und Hut zurück — Rosi war bedeutend kleiner als Lie Comtesse, Loch mußte aus Ler Noth eine Tugend gemacht werden. „Comtesse müssen ein wenig gebückt gehen — wie eine alte Dame. So, das geht, man erkennt sie ganz gewiß nicht. — O, gnädige Comtesse, wäre es nicht besser, mich gleich mitzunehmen?" Angelika blickte sie nachdenklich an. War es in der That nicht besser, in Rosis Begleitung den Rubikon zu überschreiten? „Das wäre ein Trost für mich, Rosi— wie solches aber bewerkstelligen?" „O, Comtesse, die Geschichte würde sich prächtig machen lassen. Ich habe eine alte Verwandte bei mir zum Besuch, kann sie Loch hinausbegleiten und ihr eine Strecke Las Geleite geben! Comtesse müssen meinen Arm freilich nehmen." „Ich Lanke Dir, Rosi!" nickte Angelika zufrieLen, „Lie Sache muß geben, ich gelte für Deine Verwandte, vor 10 Uhr wird Ler Graf jedenfalls wieder kommen. Du bittest mich in seiner Gegenwart um die Erlaubniß, Deine Verwandte zu begleiten, was ich natürlich mit dem Hinweis sogleich zurück- zukchren, kurz gestatte. Werde aber vorher noch Deiner Dienste bedürfen, um uns die Thür offen zu halten. Das Ucbrige müssen wir unserm Glücksstern anheimstellen. Rosi eilte jetzt in ihr Zimmer, um eiligst auch für sich das Nothwcndigste einzupacken, ohne Verdacht zu erregen; sie verschloß dann ihre übrigen Sachen und kehrte zur Comtesse zurück, welche mit fliegender Feder einige Zeilen aufs Papier warf, dieselben siegelte und mit der Adresse des Grafen Wild- Hagen versah. Sie hatte nur noch Zeit, das Briefchen zu ver bergen, als sie Schritte und ein leises Klopfen vernahm. „Der Herr Graf", flüsterte Rosi, „ich habe Lie Tkür ver riegelt." „Oeffne!" gebot Lie Comtesse laut. Sie saß vor einer Toilette im Schlafzimmer. als Ler Graf eintrat. „Ich bitte nur um zwei Worte, liebe Angelika!" rief er ihr zu, „Onkel Kurt bittet Dich, mit uns zu soupiren." „BeLaure sehr, Oheim, ich habe keine Neigung zum Essen unL noch recht viel zu orLnen und zu packen, um zur rechten Zeit fertig zu sein." „Das könnte Deine Zofe sehr gut besorgen", meinte der Gras ungeLulLig. „Sie hat auch für sich noch zu packen; bitte. Onkel. laß mich zufrieLen, sonst reise ich nicht mit Euch." „Ach, gnädigste Comtesse", bat jetzt Rosi, sich Lemütbig nähernd, „dürfte ich meine alte Verwandte, welche bei mir zum Besuch ist, eine Strecke nach Hause geleiten? Sie ist alt und schwach — ich werde mit Windeseile zurückkehren." „Auch Las noch", rief Angelika, kaum Len Kopf wendend, „geh — ich gebe Dir eine Viertelstunde, und Lie sofortige Entlassung, wenn Du dann nicht hier bist —" Sie warf einen Blick auf die Uhr. „Bald 10 Uhr, Du kennst meinen Willen. Noch einen Augenblick, Rosi, Deine Verwandte mag so lange warten. Frisire mich erst — ich kann mich so nicht auf die Reise be geben." Sie blickte den Grasen an, der sich sofort entfernte. Er durfte Lie Thüre jetzt nicht verschließen und faßte auch keinen Argwohn. Rosi verriegelte die Thür. „Jetzt rasch, die Zeit ist um", flüsterte Angelika, und in wenigen Minuten war die Metamorphose vollendet. Sie nahmen die leichten Taschen unter den Mantel — die Com tesse legte den Brief auf ihren Toiletten«Tisch und die ge bückte Stellung annehmend, verließen Beide, tief veschleiert, das Zimmer. Auf dem Corridor war es augenblicklich sehr still. Sie konnten im gegenüberliegenden Salon die scharfe Stimme des Grafen Kurt vernehmen. Einige Kellner blickten den beiden sonderbaren Gestalten verwundert nach und machten ihre Glossen. Man hielt sie indeß nirgends an. Jetzt befanden sie sich auf der Straße, die Comtesse ließ den Arm ihrer Begleiterin los und eilte der Linde zu. Vom nahen Thurm schlug es zehn. vr. Werneck war bereits am Platze. Er trat zurück, als die beiden Frauen nahten. „Ich bins, Herr Doctor!" flüsterte Angelika athemlos, „meine Zofe begleitet mich. Fort, fort, bevor man meine Flucht bemerkt." Er reichte ihr schweigend den Arm und führte sie rasch Lurch verschiedene Straßen bis zu dem Hause des Kutschers, wo der verschlossene Wagen bereits ihrer harrte. Die Zofe mußte mit einsteigen, wodurch dem bösen Leu mund der schärfste Stachel genommen wurde, und so ging es rasch vorwärts durch Lie stille, dunkle Nacht. Als sie die Stadt verlassen hatten und die Chaussee eine Unterhaltung ermöglichte, beugte sich der Doctor zu der Com tesse und fragte leise: „Wohin befehlen Sie, Gnädigste?" „Welchen Plan haben Sie gefaßt, Doctor?" „Ich beabsichtige, diesen Wagen bis zur nächsten Station und von da an den Zug zu benutzen." „Meine beiden Oheime werden mit demselben Zuge fahren", versetzte Angelika, „wenn sie uns erblicken?" „Dann werden wir dort bleiben, und mit Lem folgenden Zug erst Weiterreisen; derselbe führt uns allerdings den ent gegengesetzten Weg, was in diesem Falle freilich auch dringend geboten wäre." „Und welches Endziel haben Sie ins Auge gefaßt?" „Das Haus meiner Großmutter, Comtesse!" „Melanies Haus", flüsterte sie vor sich hin. „wie wird sie mich, die Nichte Kurts von Landenberg, aufnehmen?" „Grübeln Sie nicht darüber, Comtesse", bat Werneck leise und zärtlich, „schenken Sie mir volles, ungetheiltes Vertrauen." „Habe ich das nicht bereits gethan?" „Ich danke Ihnen aus Herzensgrund dafür." Die Zofe hatte von dieser leisen Unterhaltung kein Wort vernommen, obwohl ihre Neugierde auf einen höchst bedenk lichen Punkt gestiegen war. Wer mochte dieser geheimnißvolle Unbekannte, den sie am Tage allerdings bereits in der Ge sellschaft ihrer Herrschaft gesehen, sein? <— Was mochte er vorstellen in der menschlichen Gesellschaft? — Sie zerbrach sich vergebens den Kopf über die geradezu wunderbare Um wandlung ihrer stolzen Gebieterin und fühlte sich doch wiederum ganz glücklich in dem romantischen Gedanken, die Theilnehmerin einer solchen geheimnißvollen Entführung zu sein. So gelangte der Wagen zur ersten Station, wo er die Passagiere am Bahnhof absetzte und mit einem reichen Trink geld zurückfuhr. (Fortsetzung folgt.) 3000 Mark sind gegen gute Sicherheit zu 5 o/o auszuleihen. Adressen unter M*. in der Exped. d. Bl. niederzulegen. Haus-Verkauf. 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Nächsten Montag, alS den L. Oetober, soll der Ba« der Wetznitz-Mülbitzer Grenz-rücke auf dem Wege von Großenhain nach Rostig Mittag- 1 Uhr an Ort und Stelle an den Mindestfordernden vergeben werden. Grntze, Gem.-Vorst.