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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190012301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001230
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-30
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1900
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Sonntag den 30. December 1900. Anzeige«-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reclamcn unter dein Rrdactionsftrich (4 gespalten) 75 dar den Familicnnnch- richten ^gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ziffrrnsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenaunahme 25 H (excl. Porto). Erna Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbesörderung ./e 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz iu Leipzig. 9t. Jahrgang. AWM ftr dik Mumm IM 2.Imar kldittkll wir dis Wkllm IMW Willig Alikliil 7 Uhl. Aus der Woche. Der Leib deS greisen Helden Grafen Blumenthal ist der Erde übergeben, nachdem ihm bei der Durchführung durch Berlin große äußere Ehren erwiesen worden waren. Schriftliche Beileidsbezeugungen an die Hinterbliebenen, wie sie so sinnfällig der Familie des im Kampfe gegen das Reich bewährten Landrathe a. D. Iannffen zu Theil wurden, waren nicht an die Oeffentlichkcit gelangt und auch der Reigen der ofsiciellen Kundgebungen beim Ableben des nicht nur im Jahre 1870 siegreich gewesenen preußischen Generalstabs chefs ist durch den Prinz-Regenten von Bayern eröffnet worden. Der Feldmarschall. obwohl er weder Wilhelm I. noch Bismarck in Person sonderlich nahezutreten Gelegenheit fand, war durchaus und biS zu seinem Ende ein Mann des alten Eourses und er war, so zutreffend auch die Schilderung seines Charakters als eines ' im Grunde unendlich wohlwollenden Mannes ist, ein von Mutter Natur mit der von ibm nicht ungenützten Gabe sarkastischer Urtbeilsformulirung ausgerüstet. Nach dem Tode Blumenthal s ist König Albert von Sachsen der einzige Ueberlebende der berühmten Führer aus dem großen Kriege, wie jener zugleich auch ein Soldat, der sich, wenn auch nicht in leitender Stellung, in dem deutschen Schicksalslande Schleswig-Holstein ausgezeichnet hat. Nickt auf dem Schlacht felde und auch nickt in den Anfängen derjenigen deutschen Einheitsbewegung, die zum Ziele führte, ist der Großber zog von Sachsen-Weimar hervorgetrcten. Dennoch sind die Augen aller BaterlandSfreunde mit Besorgniß auf das Kranken lager gerichtet, das der hochbetagte Monarch aufsuchen mußte. Ganz Deutschland zählt den Großherzog Carl Alexander in dankbarer Verehrung zu den BundeSfürsten, die sich in freudiger Rückhaltlosigkeit dem Reiche angeschlossen habe». Des weimarischen Herrsche S treue Sorge am das Wohl ergehen des unter Prcuyc» geeiuig.eu Deutschlands Hal cS bewirkt, daß er zum Adressaten jenes nach der Entfernung BiSmarck's ergangenen Schreibens auSersehen wurde, in dem eS heißt: „Der CourS bleibt der alte". Der CourS ist nicht der alte geblieben, aber Großherzog Carl Alexander, und darum sind heute auch außerhalb Thüringens aufrichtige Wünsche für die Wiedergencsung dieses die Gedanken und Empfindungen der ErstehungSzeit unseres jungen Reiches verkündenden Fürsten lebendig. Das Reich braucht die Unterstützung seiner geschichtlich gewordenen Glieder nothwendiger, als es sich wohl selbst der so sehr von der Auffassung des deutschen Nationalstaates als eines Bundesstaates beherrschte Fürst Bismarck jemals vor gestellt haben mag. Fühlt sich doch sogar ein so vorsichtiges und reichstreues Blatt, wie der „Schwäbische Mercur", zu der Versicherung gedrungen, daß die Reise des Grafen Bülow an die Höfe der größeren deutschen Bundesstaaten das Ergebniß gehabt habe, den gelockerten Zusammenhang zwischen ReichSrcgierung und süddeutschen Regierungen wieder berzustellen. Nach dieser, wie man au- runehmeu gezwungen ist, auf genaue Information gegründeten Versicherung ist der Zusammenhang also in gewisser Hinsicht gelockert gewesen. Ob er durch einen Reichskanzler, der sich über den Besitz eines wirklichen Verantwortlichkeits gefühls erst noch auszuweisen hat, wieder hergestellt worden ist und ob er überhaupt durch den neuen Reichs kanzler wieder hergestellt werden kann, ist noch fraglich. Denn wie man auch über den jetzt von den RegieruugSfedern so gering geschätzten Fürsten Hohenlohe denken mag, er, der bayerische Kronbeamte, mit mehr als einem deutschen Herrscherhause in Fühlung gebliebene und dabei tiesersahrene Staatsmann, ist es nicht gewesen, der den „Zusammenhang gelockert" hat, und Graf Caprivi auch nicht, dazu war der niemals aus der Staats auffassung de- unbemittelten preußischen Leutnants heraus gekommene Funktionär viel zu unbedeutend. Dem fckwäbischen Blatte ist also vorläufig nur der historiscke Theil jener Dar stellung zu glauben, und dies mit der Einschränkung, daß eS dem geschichtlichen Sackverbalte nicht vollkommen entspricht, wenn daS Blatt die Erwartung aussprechcn zu dürfen glaubt, eS sei „demnach (nach dem Ergebniß der Reise de» Kanzler-) zu erwarten, daß die süddeutschen Regierungen von jetzt an wieder einen Antheil an der Erledigung der Reichgeschäfte nehmen, wie e» zur Befestigung deS nationalen Bande» wünschenSwerth ist". Ganz so schlimm, wie eS darnach erscheint — Herr Eugen Richter meint, man könnte auf den Gedanken kommen, daß die Rundreise Bülow » einem Streik oder Boycolt der Bundesregierungen ein Ende ge macht —, ist e» jedenfalls nicht gewesen. Aber die Bermuthung ist allerdiog» zulässig, daß man sich an loyal-nationalen Stellen der Resignation hingegeben habe und daß diese» Verhalten von antinationalen ZukunstSspeculanten weidlich begünstigt worden sei. Wenn Graf Bülow in Rom, obwohl er beim Ouirinal und nicht btim Vatikan beglaubigt war, sich um die dort vornehmlich mit Hilfe von Damen, die nicht ia Rom wohne«, «» sogar nicht einmal nach Wunsch besuchen dürfen, gegen unser Reich gesponnenen Intriguen etwa» bekümmert hat, dann wird der Reichskanzler selbst nicht der Meinung sein, er könne allein und ohne daß andere Berliner Stellen aushören, den weltumspannenden Guelfen- Umtrieben in die Hände zu arbeiten, den von Wilhelm l. und BiSmarck geschaffenen bunde-politischen Zustand sichern. Iu zehn Tagen beginnt wieder die parlamentarische Arbeit. Al« Vorspiel ist die Fassung der Cbina-Vorlage, wie sie von der ReichStagSbudgetcommission beschlossen wurde, veröffentlicht worden. Ferner wird — aber nicht einmal halbamtlich — versichert, die Canal-Vorlage werde dem nun aüf den 8. Januar «nberufruea preußischen Landtage gleich bei seinem Zusammentritte zugehen und eine Ver schleppung dieser letzteren Angelegenheit sei nicht zu befürchten. Da» sollte un» freuen, aber e» regen sich Gegner, die lange ruhig waren: die Interessent«« , de» Mosel-Saar-CanalS, di» das Wasser ihre» Herzen» »_tzi« große Vorlage mit bineingelenkt zu sehen wünschen. Die „Köln. Ztg.", die diese Forderung dieser Tage vertreten bat, läuft Gefahr, ungeachtet ihres kuror canalicus zu den Landräthen geworfen zu werden. Vor einiger Zeit verzeichneten wir unter starkem Vor behalte das Gerücht, in der Zollfrage solle der Einzeltarif grundsätzlich acceptirt, für gewisse landwirthfchafiliche Erzeugnisse aber (Getreide, Vieh u. s. w.) ein Doppel tarif gewählt werden. DaS Gerücht scheint be gründet gewesen ^u sein. Denn jetzt schreibt die „Schles. Zeitung", man tonne mit einer an Sicherheit grenzenden Bestimmtheit annehmen, „daß die Einrichtung des Doppel tarifs für diejenigen Waarengruppen, für welche die Inter essenten ein entscheidendes Gewickt auf sie legen, auch eingefübrt werden wird". Die „Schles. Ztg." ist gemäßigt agrarisch. Da kann eö nickt Wunder nehmen, daß sie prophezeiend be merkt, die Gefahr für eine befriedigende Verständigung drohe nicht von freihändlerischer, sondern von extrem agrarischer Seite. DaS war von jeher die Ansicht aller verständigen Leute. Die Wirren in China. Dem „Ostasiat. Lloyd" wird über die Gefangennahme »es Fanatais Ttng-Pnng iu Paotingfu mitgctheilt: In Paotingfu waren im Sommer die Boxerunruhen aus gebrochen; hier waren zuerst Missionare und christliche Chinesen ermordet worden. Heute ist Paotingfu, das Boxernest, in unfern Händen und das Strafgericht soll hcreinbrechen. Ein amerika nischer Missionar Green mit Frau und einer Tochter, dec die Greuel überlebt hat, konnte die ersten Fingerzeige geben, und ein- Reihe hoher Mandar »en, der Fische Obcerichte, >>" . chinesische Overst wurden lerhoffet und verhör:. der Verhöre stellte sich jedoch heraus, daß das Haupt ln r gan..n Christen- und Fremdenverfolgung in Paotingfu wahrscheinlich kern Geringerer, als der Fangtai Paotingfus und Tschilis Ting-Dung war. Er wurde mit großer Bestimmtheit bezichtigt, die Boxerbewegung begünstigt, wenn nicht angezetrelt, seinen Namen unter die Aufrufe der Boxer gesetzt und besonders das Todesurtheil über verschiedene Missionare ausgesprochen zu haben. Am 23. October Abends wurde deshalb seine Ver haftung beschlossen. Ting-Uung wohnte im Schatzmeisters- Damen. Hier befand sich auch der von den Verbündeten bei der Besetzung der Stadt vorgefundene Schatz: vier Häuser voll Silber und Kupferkäsch. Die Häuser, die acht Meter breit und vier Meter lang, zu ebener Erde lagen und starke, massive Mauern hatten, waren sämmtlich mit doppelten, schweren Thoren geschützt, vor denen noch ein starkes Gittcrthor lag; ebenso waren die Fenster stark vergittert. Der Schatz, der von dem deutschen Commando einstweilen beschlagnahmt ist, wird von einer deutschen Officierwache bewacht. Abends spät begab sich Major v. Brixen-Hahn, Chef der internationalen Polizei in Paotingfu, mit einem französischen Capitän, dem Chef der fran zösischen Polizei, auf diese Wacke und beauftragte Leutnant Düsterberg, den wachthabenden Officier, ihn bei der Verhaftung zu unterstützen. Dieser ließ nun die Ausgänge des Fwanz- hauses, so gut es ging, besetzen. Alle zu besetzen, war trotz der 16 Mann, die zur Verfügung standen, unmöglich; der Finanz-Damen ist außerordentlich umfangreich, hat über 18 ver schiedene Höfe und unzählige Aus- und Eingänge. Als Leut nant Düsterberg mit einem Unterofficier und zwei Mann darauf dem Major v. Brixen und dem Capitän folgte, hatten diese den Fangtai bereits gefunden und begaben sich mit ihm ins Der- sammlungszimmer. Hier hatte jedenfalls noch eine Sitzung stattfinden sollen, es waren Sitze, Thee und Reis für etwa sieben Personen hergerichtet. Major v. Brixen stellte durch einen fran zösisch sprechenden Boy des Fangtai fest, daß der Gefangene wirklich der Gesuchte sei, ließ darauf den Verhafteten bestimmen, in welchem Zimmer er schlafen wolle, und übergab ihn dann der Wache. Der Verhaftete wurde darauf in das von ihm be stimmte Zimmer geführt und vor diesem wurden zwei Posten aufgestellt, und zwar der eine so, daß er durch ein Glasfenster jede Bewegung des Verhafteten verfolgen konnte. Dieser, ein dicker Kerl mit abstoßenden, häßlichen Gesichtszügen, benahm sich feige und ekelhaft. Er jammerte, rang die Hände; bald lief er verzweifelt umher, bald setzte er sich, stützte den Kopf in die Hände und stöhnte. Auch hier paarte sich Grausamkeit wieder einmal mit Feigheit. Schließlich legte er sich auf sein Bett und versuchte zu schlafen. Mitten in der Nacht kam plötzlich der Adjutant Sir Gaselee's, des englischen Obercommandirenden, weil sich die „Damen" deS Verhafteten bei diesem beschwert hätten, sie würden von deutschen Soldaten belästigt. Leutnant Düsterberg, dem die edle Weiblichkeit Ting-Dung's bis dahin gar nicht zu Gesicht gekommen war, ebensowenig wie seinen Soldaten, erwiderte darauf ganz richtig, daß, wenn von etwa 20 Mann ein großer Damen nach einem Verbrecher abgesucht würde, keine besondere Rücksicht genommen werden könnte, worauf der Engländer befriedigt fortging, nach kurzer Zeit aber zurückkam und den Rath gab, auf den Verhafteten gut Acht zu geben, daß er nicht Selbstmord verübe und so in einer bei den Chinesen sehr beliebten Art sich der Verantwortung für seine Greuelthaten entzöge. Hier ist Selbstmord kein Muth, sondern wirklich einmal Feigheit. Leutnant Düsterberg dankte für diesen Wink und begab sich in das Zimmer des Fangtais, der unterdessen wieder aufgestanden war und emsig schrieb. Düsterberg nahm ihm daS Geschreibsel weg, was Ting-Dung sich jammernd gefallen ließ, und ließ au» dem Zimmer alles entfernen, womit man Selbstmordgedanken irgendwie in die Praxis übersetzen konnte, schärfte auch dem Posten strengste Auf merksamkeit und Beobachtung des Verhafteten ein. Dieser lebte denn auch am andern Morgen noch vergnügt und jammerte sogar kläglich noch Chau-Chau (Essen), waS ihm aber nicht verabreicht wurde. Seine Damen, für die sich der englische General so galant bemüht hatte, waren übrigens des Morgens aus einem unbewachten Ausgange, mit großen Palleten beladen, spurlos verschwunden. Eben'» waren 200 bi» 300 chinesisch«/Soldaten, anscheinend zwei verschiedenen Regimentern ««gehörend, di» noch im Finanzhause lagen, spurlos verschwunden, nachdem man ihnen die Seitengewehre und sonstigen Waffen abgenommen hatte. Um 9 Uhr erschien der französische Capitän Tefsien im Auftrage des Majors von Brixen, um den Verhafteten abzuholen. Dieser stieg in eine Sänfte und wurde von einer deutschen Escorte zu dem französischen Höchstcommandirenden, General Bailloud, gebracht, der ihn bis Vollstreckung des Urtheils in .Haft behält. Hoffentlich lernen die Chinesen hieraus, wie mächtig ihre höchsten Mandarinen sind. * London, 29. December. (Tel.) „Daily News" berichten aus Shanghai unter dem 28. December: Der englische Generalkonsul Warren bat aus Peking den chinesischen Text der Frieden sbedingungen mit dem Auf trage erhalte», sich mit dem deutschen Generalkonsul Dr. Knappe ins Vernehmen zu setzen und die Friedens bedingungen officiell dem Vicekönig Liulunji zu über mitteln. Warren und Knappe reisten am 27. December nach Nanking, um ihre Mission bei Liukunji auSzurichten. I)r. Knappe wird gelegentlich seiner Anwesenheit in Nanking daS unter dem Consul v. Oertzcn stehende neue deutsche Cvnsulat eröffnen. (Wiederholt.) * New Port, 29. December. (Tel.) Eine Depesche des „Herald" aus Peking besagt, der kaiserliche Hof babe in einer Note bezüglich der gemeinsamen Note der Gesandten angefragt, ob die Taknsorts geschleift nnd die Prinzen enthauptet werden sollen, und welchen Platz die Mächte zu besetzen beabsichtigen. Der Krieg in Südafrika. ^lu; London wird uns von 28. December geschrieben: Ta c- beim besten W.llen m.t allen schneidigen Ope rationen, Marsche», Angriffen uud „Verfolgungen", welche die englischen Generäle in Scene setzen, nicht ge lingen will, die Boeren zu Paaren zu treiben und zur „Pacisication" zu zwingen, so versucht Lord Kitchener es noch einmal nach Roberts'schem Muster mit einer milden Proclamation, in der er den BurgberS, welche sofort die Waffen.nicderlcgen, schöne Versprechungen macht, WaS aber wobt ganz und gar verlorene Liebesmühe sein wird. Er sagt da, daß dieBoeren, die sich übergeben wollen, mit ihren Familien in „GouvernementS-Lagern" leben sollen, bis daS Aufhören deS Guerilla Krieges cö ermöglicht, ihnen die Rückkehr nach ihren Heimstätten und Farmen (wohl nur soweit dieselben nicht von den englischen Soldaten nieverzebrannt worden sind) zu gestatten. Also einfach Gefangene „mit ihren Familien" sollen sie sein, die BurgberS, wclcke den Engländern endlich zu Gefallen sein wollen. Das hat wenig Verlockendes für die flotten und kühnen Reiter an sich, die nun einmal Alles andere in die Schanze geschlagen haben, um den Kampf um die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Vaterlandes bis aufs Messer fortzusetzen, zumal gerade jetzt die Chancen der Engländer ganz bedeutend gesunken sind. — Wenn man die Publikationen des Londoner KricgSamteS liest, verschärft sich der Eindruck mit jedem Tage, daß die Nachrichten vom Kriegsschauplatz«, die der Engländer zu Hause aufgetischt be kommt, in geradezu unverfrorener und impertinenter Weise zurechtgekockt uud abgebrüht werden, um der ungeduldigen und mißtrauischen Nation den nörhigen Sand in die Augen zu streuen und den Katzenjammer, der längst auf den wüsten Khakirausch gefolgt ist, nicht zum vollen Ausdrucke kommen zu lassen. — Die letzten Depeschen Kitckener's leisten in dieser Hin sicht geradezu Großartiges und werden auch entspreckend von der Mehrzahl der Londoner Morgenblättcr ausgeschlachtet. Die Boeren sind natürlich überall im Nachtheil, werden überall zurückzewvrfen, überall auseinanvergejagt und sind in ihren Operationen selbstredend in keiner Weise noch ernst zu nehmen, während die klugen und geschickten eng lischen Generäle natürlich mit tödtlicher Sicherheit überall das Richtige treffen und tbun. Zugegeben wird allerdings, daß die Boeren an allen Ecken und Kanten activ sind und den Engländern Schwierigkeiten machen, aber, wenn man dem Kriegsamte und dea Reuter'scden Depeschen Glauben schenken soll, so ist ihre Thäligkeit vollständig fruchtlos und bringt ihnen selbst nur empfindliche Verluste und Niederlagen. Die verschiedenen kleinen Gefechte, von denen überhaupt die Rede ist, lassen aber lies blicken und geben in ihrer Gesammtheit ein Bild, dessen Cvlorit durchaus kein Compliment für die Engländer ist. Im Ti ansvaal haben die Boeren einen Angriff auf den kleinen Ort BokSburg gemacht, wurde» aber von der dort stationirten Polizeitruppe, wie Kitchener meldet, zurückgeschlagen und verschwanden dann so schnell wi« sie gekommen waren. Nun liegt aber dieses BokSburg nur ganze sieben englische Meilen östlich von Johannesburg, nnd die Boeren waren sogar im Stande, die Maschinerie in verschiedenen Minen in der Nachbarschaft gründlich zu zerstören, nnd wenn der britische Obercommanvierende oder da« Londoner KriegSamt mit ge machter Gleichgiltigkeit über die Tbatsacke hinwegscdlüpft, daß der Feind schon direct vor den Thoren von Johannesburg steht, nnd dort Zeit hat, empfindlichen Schaden anzurichten, so belügen sie sich nur selbst, — sonst aber Niemandem. Auch die Stadt Utrecht wurde von den Boeren am zweiten Weih- nachtstage attackirt, wie e« beißt ohne Erfolg, aber diese und ähnliche Thatsachen beweisen aufs Neue, wie groß und umfangreich die aggressive Initiative der TranSvaaler ist und wie viel Unannehmlichkeiten sie den Engländern bereitet. Im Uebrizen scheinen in dem ganzen Bezirke von Pretoria und Johannesburg die feltdiensttauglicben englischen Truppen so dünn gesät zu sein, daß Kitchener und sein Hauptquartier ganz und gar nicht im Stande sind, durchgreifende Maß regeln zu treffen und den verhältnißmäßig kleinen „Bauden" der Boeren erfolgreich und nachhaltig entgegen zu treten, von großen, fegenden Overationrn ganz zu schweigen. E« tritt immer klarer zu Tage, daß ein ganz unverbältnißmäßig großer Procentsatz deS britischen Militärs an den Verbindungs linien verzettelt und zerstreut sein oder in den unzähligen Hospitälern fieberkrank und verwundet darnieder liegen mnß, wenn auch speciell von der letzteren Tbatsache nur wenig Officiellcs hier in England in die Oeffentlickkeit kommt. Das würde die Nation und ganz besonders die Steuerzahler, a»S deren Tasche die ungeheuren Krieqskosten gezahlt werden müssen, allzusehr entmutbigen und vielleicht doch schließlich zu offener Opposition gegen die unversöhnliche Politik und Kriegs luit der Regierung treiben. lieber die Bewegungen deS den Engländern nachgerade unheimlich werdenden Generals De Wel werden ebenfalls schöngefärbte und entstellte Berichte all libitum aufgetischt. DaS Fangenspielcn zwischen ihm und seinem „Verfolger" General Knox nimmt anscheinend ungestörten Fortgang, wobei aber die ärgerliche Enttäuschung ebenso unaufhörlich auf Seiten der Engländer ist, und hoffentlich auch bleibt. — DeWet schlug dem Herrn Knox abermals ein derbes Scknippckcn, als er nach verschiedenen, für den letzteren ungünstigen Scharmützeln am Vetstuß die Tabanchu-Lady-Brant«Liuie der Engländer durchbrach und ungehindert auf der Straße nach Smithfield bis zu den Ellu Leeuwkopbergen vordrang, wo er auf die zum Schutze der Capcolonie süd wärts gesandten englischen Brigaden der Obersten White, Pilcher nnd Barker stieß und natürlich sofort von diesen heftig engagirt wurde. Bis zur Stunde liegen über den AuSgang dieses Kampfes noch keine weiteren Nachrichten vor: Es heißt nur, daß Tc Wet in einer starken Position in der Nähe desLecuwkop auöhält und imllcbrigcn „hofft, wieder nach dem Süden durchzubrechcn". — Wie Kitchener zu der In formation über diese „Hoffnung" de Wel'S kommt, isi natür lich -in Rätdsel, beweist aber wieder einmal, in welchen Ge meinplätzen sich der englische Ober-General ergeht, wenn er beim bcsteu Wille: nichts Besseres zu berichten bat und doch so tbun muß, als ob er ganz genau Bescheid wüßte. Dem „Reuter-Bureau" ist die sensationelle Nachricht zu verdanken, die übrigens ganz ernsthaft von allen Blättern, von der „Times" bis zum „Expreß" abgetruckt und be sprochen wird, daß „De Wet und Steijn willens sind, sich zu übergeben unter der Bedingung, daß die Rebellen auf der Capcolonie nickt bestraft, und sie selbst samml ihren Unterführern nicht außer Landes depvrtirt werden." Mit solchen albernen Lügen wird daS englilche Publicum und die übrige Welt in dem Augenblick gefüttert, wo De Wet im besten Zuge ist, die Sache der Boeren wieder hoch zu bringen, und wo er einen glänzenden Erfolg nach dem anderen zu ver zeichnen hat. Ein Commentar ist überflüssig. Johannesburg, 27. December. („Reuter s Bureau") 1—500 Boeren unter Benviljoen haben mit einem Maxim geschütz eine englische Abtheilung von 24 Mann in der Nähe von MooderSsontein angegriffen. Tie Stellung wurde tapfer vertbeidigt, bis Verstärkungen von BokSburg eintrafen, die den Feind vertrieben. Den Boeren gelang eS, wie bereits kurz gemeldet, die Batterien von Newklcinfontein und CbimeS zu beschädigen und den Posten zu vernichten. Sie versuchte auch, die Cyanidwerke in Brand zu stecken, dock wurde da» Feuer von den Kaffern gelöscht. * LtanSerton, 27. December. („Reuters Bureau.") Gestern kam eS zwölf Meilen östlich von St an der ton zu einem Gefecht zwischen 200 Boeren und 150 Briten, die Nahrungsmittel aus einer Farm fortschaffen wollten. Auf britischer Seite wurden zwei Mann verwundet, doch ge lang es ihnen, die Nahrungsmittel mitzunehmen. * London, 29. December. (Tel.) Ein Telegramm Lord Kitchener aus Pretoria vom 28. December bringt: „Während eine in der Nähe Graytingstad operirende Abtheilung unter Oberst Calville in ein Gefecht mit dem Feind verwickelt war, griff eiue andere feindliche Abtheilung Calville'S Train an. Eine Compagnie mit einem Geschütz unter Capitän Radclyffe schlug den Feind zurück. Radclyffe und «in anderer Capitän wurden verwundet, acht Mann getödtet, 27 verwundet, 20 werden vermißt. Lüchener fügt hinzu, dir Compagnie habe sich sehr tapfer gehalten. (Bei dieser Verlustliste sollen die Boeren zurückgeschlagen worden sein? O, Kitchener I) * Rom, 29. December. Laut einer Zeitungsmeldung aus Messina ankert dort der französische Dampfer „Afgha nistan", der, mit einer Kohlenladung aus Marseille kom mend, am Cap Pelora aufgelaufen war. Bei den LoS- bringungSarbeiten entdeckte man unter einer Kohlenschicht be deutende Waffenmenaen, auch Geschütze, die, wie man glaubt, für die Boeren bestimmt waren. — Der mit Depeschen Schalk BurghcrS für Präsident Krüger hier durchreisende Boerencommandant Gr oder Botha äußerte sich sehr zu versichtlich über die Zukunft der Boeren, die den Krieg noch jahrelang aushalten könnte«. Die Engländer könnten das nördliche Transvaal unmöglich einuehmen und den nationalen Geist der Boeren nie bezwingen. Die Erhebung der Afrikanter sei von langer Hand vor bereitet und werde immer mehr um sich greifen. (Voss. Ztg.) Die „«apttaliften". Aus Capstadt wird eine Broschüre nebst Begleitschreiben verbreitet, welche sich als Protest der aus Transvaal geflüchteten und a u » g r w i e s e n e n Engländer (Uitlanders) gegen die Thatsache darstellt, daß die Gesetz gebung in den von den englischen Truppen besetzten Distrikten den Capitalisten in die Hand arbeitet. Die „Südafrikanische Correspondenz" knüpft an diese Broschüre einen längeren Com- mentar, dem wir Folgende» entnehmen: Es handelt sich natürlich um nichts Anderes, als um Jo hannesburg und seine Goldminen. Die Goldminen, der klingend»
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