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Redaktioneller Teil. Xr 259, 6. November 1918. Der Verlag hat aus dieser Entwicklung nur insoweit Nutzen ziehen können, als er sich mit schöner und Geschenkliteratur be> schästigt. Und auch diese Verleger haben an der Räumung ihrer Lager nicht immer reine Freude, da sie sich heute schon viel fach der Unmöglichkeit gegenübersehen, sie wieder zu ergänzen. Von den Zeitschriften leiden besonders in immer steigendem Maße diejenigen Not, deren Inserenten wegen Mangels an Waren und Rohstoffen ihre Aufträge nicht mehr erneuern und deren Leser aus dem gleichen Grunde ihre berufliche Arbeit unterbrochen oder aufgegeben haben. Zahlreiche Zeitschriften waren infolgedessen bereits zum Eingehen gezwungen, und wei tere werden ihnen, angesichts der Unmöglichkeit, die fortgesetzt steigenden Herstellungs- »nd Vcrscndnngskosten mit den Ein nahmen in Einklang zu bringen, folgen müssen. Nicht ohne weiteres darf nun aus der Steigerung der Um- säyc des Sortiments und einer verhältnismäßig kleinen Gruppe der Verlags auf eine entsprechende Erhöhung des Reingewinns geschlossen werden. Nur die reinen Vertriebskosten werden sich nach der Art der vorwiegend verlangten Unterhaltungs literatur im Sortiment nicht wesentlich gesteigert haben, wäh rend mit einer, teilweise säst phantastischen Steigerung aller an deren Geschäftsunkosten gerechnet werden muß, wie Ihnen ja allzu bekannt ist, als daß ich im einzelnen darauf eingehen müßte. Trotz des Anscheins einer Hochkonjunktur im Buchhan del wissen wir deshalb heute noch nicht, wie das Endresultat sein wird, und wenn wir uns vergegenwärtigen, daß vor dem Kriege der Sortimentsbuchhandel einen im Vergleich zu vielen anderen Kleinhandelszweigen sehr kümmerlichen Erwerb dar« stellte, und daß wir seit Jahrzehnten unablässig bemüht gewesen sind, nach Mitteln und Wegen zu seiner Hebung zu forschen, so haben wir alle Veranlassung, aus seine Kräftigung für die Zu kunst alle Sorgfalt zu verwenden, zumal heute noch nicht abzu sehen ist, ob nicht auch in unserem Berufe ein so großer Waren mangel eintritt, daß die Umsätze wieder erheblich zurückgehen. Das Fehlen zahlreicher begehrter Bücher und die Wahrschein lichkeit, daß die noch immer nicht behobene und vermutlich auch nicht so bald zu behebende Papiernot einerseits wie die Ver mehrung der Schwierigkeiten der Buchherstellung andererseits die Lieferungsmöglichkeit immer mehr einschränkt, hat heute schon zu einer Umgestaltung der Wirtschaftsform des Sortiments ge führt. Die Bedeutnng der Kommissions-Lieferung ist immer mehr zurückgegangen, während der Sortimenter durch die er freuliche Entwicklung des reinen Kassengeschäfts und den steigen den Umsatz überhaupt mehr als früher in die Lage kam, gegen Barzahlung fürs Lager einzukaufen. Stieg dadurch einerseits der Brutto-Nutzcn, so vermehrte sich doch auch das Risiko. Jeden falls sehen wir aber, daß diese Verhältnisse uns den in anderen Handelszweigen üblichen Vcrkehrsformen immer mehr an nähern. Haben doch in diesem Jahre bereits zahlreiche Sorti menter die Musterlager der Leipziger Papiermessc und die Aus stellungen der Barsorlimenter besucht und große Abschlüsse ge tätigt, und die Verleger, deren Reisevertreter früher nicht immer mit eitel Herzlichkeit empfangen wurden, erfreuen sich jetzt selbst des Besuches hamsternder Sortimenter. Ist die Wertung des Buches als Geschenkartikel im Publi kum gestiegen, so ist es kein Wunder, daß es auch die Augen vieler Kleinhändler anderer Zweige auf sich" gezogen hat, deren bisher vertriebene Waren nicht mehr oder nur noch in beschränk tem Maße erhältlich sind. Das Buch taucht heute schon in den Schaufenstern in Gesellschaft aller möglichen anderen Artikel auf, die bisher auch nicht in einem entfernten Verwandtschafts verhältnis zum Buchhandel gestanden haben. So mancher Händler wird wieder durch den Besuch der Papiermessc in Leip zig dazu angeregt worden sein, sich dem Handel mit Büchern zu zuwenden, und wenn wir auch zurzeit dringenderer Sorgen halber die vor dem Kriege mit Eifer, wenn auch bisher ohne Erfolg behandelte Auchbuchhändlerfrage zurückstcllen mußten, so wird sie sich uns späterhin umsomehr aufdrängen. Ob und wie es möglich sein wird, den Wettbewerb dieser Exi stenzen, die naturgemäß nur einen mühe- und kostenlosen Buch vertrieb betreiben, wieder auszuschallen, wird der Gegenstand ernster Sorge sein müssen. Eng verknüpft mit dieser Erscheinung ist die Tatsache, daß auch die Zahl der Firmen, die durch Aufnahme ln das Buchhändler-Adreßbuch den Anschluß an den Buch handel suchen, immer mehr ansteigt. In den Berichtsjahren sind uns vom Börsenverein 45 derartiger Gesuche zur Nach. Prüfung vorgelegt worden. Sie betrafen 32 Firmen, die einen Sortimentsbetrieb angemeldet hatten, und von denen wir II als den Anforderungen entsprechend bezeichnen konnten, sowie 13 Firmen, die sich mit Verlag abgaben, von denen 8 zur Zulassung geeignet erschienen. Die Prüfung und Berichterstattung über diese Gesuche erfordert eine erhebliche Arbeit, und ich möchte an dieser Stelle denjenigen unserer Mitglieder danken, die mich mit Gutachten in den einzelnen Fällen unterstützt haben. Schon aus den genannten Zahlen geht hervor, daß unsererseits die Entscheidung nicht nach dem Gesichtspunkte: »Zuzug fernhal len!« erfolgt, sondern daß wir in allen Fällen, wo ein wirk- licher Buchhandelsbetrieb, wenn auch erst in seinen Anfängen, vorliegt, gern bereit sind, ihm den Weg zum Buchhandel zu ebnen. Eine Hauptaufgabe der Verbände bildete in früheren Jahren die Prüfung und Verfolgung der Verstöße gegen die V e r k a u f s o r d n u n g. Es ist in hohem Maße erfreulich, daß diese Tätigkeit so gut wie keine Rolle mehr spielt. In den beiden Berichtsjahren haben uns nur 0 solcher Fälle beschäftigt, darunter kein Fall von Verlegerschleuderei. Eine Magdeburger Firma, die unserm Verbände nicht angehört, wurde in 50 ,/l Buße genommen und mutzte «inen Sicherheitswechsel hinter- lcgcn, eine andere Firma in derselben Stadt, die uns in jedem Jahre wieder Gelegenheit zum Einschreiten gegeben hat und die deshalb vor einigen Jahren gesperrt wurde, versuchte ge legentlich der Einführung des Teuerungszuschlags uns zur Aus hebung der Sperre dadurch zu bewegen, daß sie uns androhle, sie werde sonst den Zuschlag nicht nur nicht erheben, sondern i» den Tageszeitungen ausdrücklich dagegen Stellung nehmen. Im Einverständnis mit der Vereinigung Magdeburger Buchhändler habe ich diesen Versuch in energischer Weise zurückgewiesen. Die Firma hat sich denn auch veranlaßt gesehen, den von ihr ange drohten Schritt zu unterlassen. Wegen Verstoßes gegen das Zu- gabenverbot brauchte nur in einem Falle eingeschritten zu werden. Fragen, die jahrzehntelang den Gegenstand leidenschaftlicher Auseinandersetzungen im Buchhandel und zwischen dem Buch handel und seinen Abnehmern gebildet haben, sind in den letz ten beiden Jahren unter dem Drucke der Kriegsverhältnisse säst ohne jede Schwierigkeit ihrer Lösung zugeführt worden. Wun derlich mutet es uns heute an, wenn wir bedenken, daß viele unserer Bcrufsgenossen früher ihre Existenz ernstlich gefährdet glaubten, im Falle der Rabatt an das Publikum abgeschasft würde, während man sich im Buchhandel doch andererseits dar über einig war, daß die Wirtschaftslage des Sortiments durch- greifende Maßnahmen erfordere. In der Hauptversammlung vor zwei Jahren haben wir auch den letzten Rest des Kunden rabatts beseitigt, und es ist mir nicht bekannt geworden, daß irgendwelche der Schwierigkeiten dadurch eingetreten seien, die von manchen Seiten immer noch befürchtet wurden. Durch die Abschaffung des Kundenrabatts erst wurde cs möglich, auch mit den Behörden wegen Verzichts auf den 5pro- zentigcn Behörden- und Bibliotheken-Rabatt zu verhandeln. Diese mit ausgezeichneter Umsicht und Tatkraft vornehmlich von Herrn Geheimrat Sicgismund vorbereitete Aktion führte dazu, in der außerordentlichen Hauptversammlung am 18. März 1917 zu Halle unsere Verkaufsbcstimmungen abzuändern. Damit war auch der Bibliothekenrabatt beseitigt, und es bleibt als eine letzte Säule aus den Zeiten freigebiger Rabatt-Gewährung der Nachlaß von 7!4°/» an die nur wenig zahlreichen Bibliotheken mit einem Vermehrungsetat von mehr als 10 000 übrig. Doch auch diese — »schon geborsten, kann fallen über Nacht« —, bei Ablauf des mit dem Börsenverein abgeschlossenen Ver trages im Jahre 1920 kann dieser Rabatt nicht mehr gewährt werden. Es ist außerdem nicht unmöglich, daß auch diese großen Bibliotheken bereits jetzt schon mit dem lOprozentigen Teue- rungszuschlag belegt werden. Damit ist eine Bewegung zur