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Nr. IAO (N. 87). Leipzig, Dienstag den 9. Juni 1931. 98. Jahrgang. Redaktioneller TA Entscheidungen höherer Gerichte. Berichtet und besprochen von Or. Alexander Elster. (Zuletzt Ml. Nr. 74.) Nachahmung von Verlagsunternchmungcn? Ein Verlag A. gibt seit längerer Zeit hauswirtschaftliche Hefte heraus. Ein anderer Verlag B. begann später eine ähn liche Serie, dehnte diese aber auch auf andere Gebiete aus. Dieser Ausdehnung folgte dann A. ebenfalls. Liegt Urheber rechts- oder Wettbewerbsrechts-Verletzung vor? Das RG. (18. Nov. 1930, Gew.Rsch. u. Urh.R. 1931 S. 407 ff.) entschied, daß eine Rechtsverletzung nicht vorliege. Die Begründung, die sehr interessant und für die Verlagspraxis wichtig ist, enthält u. a. folgende Ausführungen: »Zweierlei begehrt die Klägerin mit ihrer Klage: einmal ein Verbot der Verbreitung der von ihr angeführten 14 Hefte durch die Beklagte, ferner aber ein allgemeines Verbot an sie, gerichtet auf Herausgabe und Verbreitung Gebiete des täglichen Lebens wie der Kochkunst, der Bekleidung und dergleichen be handelnder, mit bunten, auf den Inhalt bezüglichen Titelbil dern nach Art der klägerischen versehenen Sonderhefte über haupt. Von diesen Anträgen ist nun der zweite ohne weiteres unbegründet. Die Klägerin bescheidct sich selbst, daß sie für ihre Hefte weder irgendwelchen Urheberrechts- noch Ausstat tungsschutz nach K IS WZG. in Anspruch nehmen könne. Der Gedanke 'der Herausgabe populärer Hefte, die in die Haus wirtschaft oder sonstige Gegenstände des bürgerlichen Lebens einschlagen und die Anleitungen des Textes bildlich anschaulich machen, ist gemeinfrei und ihre Ausstattung mit farbigen, dem Inhalt entnommenen Titelbildern entspricht einer auch sonst im Buchgewerbe nach den Feststellungen des Berufungsurteils vielfach geübten Gepflogenheit. Es geht daher nicht an, der Beklagten, wie die Klägerin mit dem zweiten Teil ihres Klag antrages erstrebt, schlechthin zu verbieten, derartige mit bunten Titelbildern nach Art der klägerischen versehene Hefte heraus zugeben. Die Beklagte würde durch ein solches Verbot gehin dert werden können, Neuschöpfungen zu veröffentlichen, die — wenn auch vielleicht auf freier Benutzung klägerischer Gedanken beruhend — in ihrer Art selbständigen und eigentümlichen Wert besäßen und daher entsprechend den auch für Unterlas- sungsklagen aus anderen Rechtsgründen jedenfalls einzuhal tenden Grundsätzen des Urheberrechts nicht verboten werden dürften (vgl. RG. in GRUR. 1929 S. 238). Nur wo die Ver öffentlichung sittenwidrige Merkmale an sich trägt, wäre die Möglichkeit der Untersagung auch unter solchen Umständen gegeben. Die Feststellung ihres Vorhandenseins aber wäre jeweils durch die Prüfung des Einzelfalles bedingt, sodaß ein im voraus erlassenes Verbot auf eine Wiederholung gesetzlicher Vorschriften hinauslausen und des für eine Verurteilung wesentlichen konkreten Inhalts ermangeln würde. Die Klag- abweisung ist mithin insoweit zu Recht erfolgt.- .... »Wenn das angesochtene Urteil die Gefahr der Ver wechslung mit Heften der Klägerin verneint, so ist für diese Auffassung des Berufungsgerichts nur maßgebend die ins ein zelne gehende Vergleichung der Eigentümlichkeiten in der Ge staltung des Titelblattes der sich ihrem Inhalt nach entspre chenden beiderseitigen Hefte, womit aber picht ausgeschlossen wäre, daß selbst bei einem der Beklagten günstigen Ergebnis dieser Vergleichung doch der Gesamteindruck der Ausstattung derartig sein könnte, daß sich darüber beim flüchtigen, die beiderseitigen Hefte in der Regel nicht nebeneinander fehenden Beschauer die Unterscheidungsmerkmale verwischen, das Erinnerungsbild nur die Grundzüge der Ausstattung umfaßte, und so die Möglichkeit von Verwechslungen in der Käuferschast entstände. Daß eine gewisse Berwechslungsfähigkeit der im Tatbestand aufgesührten Hefte besteht, nimmt schon das landgerichtliche Urteil an und könnte für die Entscheidung unbedenklich unterstellt werden. Sie wäre aber allein nach den Umständen des Streitfalls nicht aus reichend, das erbetene Verbot zu rechtfertigen.- .... »Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr kann und wird vielfach als Anzeichen einer solchen Sittenwidrigkeit zu deuten sein, insofern es auf absichtliche Verwertung fremder Gedan ken durch den Nachahmer schließen läßt, muß es aber nicht. Ist einmal, wie im Streitfall, der Gegenstand der fraglichen Hefte in an sich nicht zu beanstandender Weise den verschiedenen Ge bieten des täglichen Lebens entnommen, so ist seine Behand lung im Rahmen volkstümlicher Einzeldarstellungen schon an sich vom Stosse weitgehend gegeben, und sind Anklänge eben sowenig zu vermeiden, wie sie z. B. in dem Aussehen heutiger illustrierter Familienzeitschriften (Daheim; Gartenlaube u. dgl.) fehlen.- .... »Es handelt sich bei den Heften der Beklagten, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellen kann, um nach Inhalt und Ausstattung jedenfalls in hohem Maße selbständige Leistun gen.« .... »Mit Recht weist auch das Berufungsgericht die Annahme zurück, daß sich die Beklagte mit ihren beanstandeten Veröffent lichungen systematisch das mit Mühe und Kosten errungene Ar beitsergebnis der Klägerin in unlauterer Weise zu deren Nach teil zu eigen gemacht habe (vgl. RGZ. Bd. 115 S. 180, Bd. 11 S. 254). Schon angesichts der von der Beklagten an ihre Hefte gewendeten selbständigen geistigen Arbeit scheidet dieser Gedanke aus.» Diese Entscheidung beruht auf dem richtigen urheberrecht lichen Grundsatz, daß eine Idee nicht geschützt ist, sondern daß ein Schutz nur gegen Wiedergabe eines geformten Werkes gegeben ist. Damit hängt es zusammen, daß das verlegerische Unternehmen, die Idee, etwas zu machen, gemeinfrei ist, wie ja das RG. in einem (im Bbl. 1930, Nr. 177 berichteten) Urteil auch die Lilipüt-Ausgabe von Gesetzen nicht für Monopol- und schutzfähig erklärt hat. Auf solchen Gebieten kann also freie Konkurrenz bestehen, wenn nicht etwa besondere Momente wett bewerblicher Unlauterkeit mitspielen. Diese können z. B. in der Nachahmung der Ausstattung, etwa des Titelblatts, in Aufbau und Art der Bearbeitung, namentlich auch in der Anlehnung und Berwechselungssähigkeit der Titel bestehen. Diesen letzteren Ge sichtspunkt, den das RG.-Urteil am Schluß erwähnt, scheint es ein wenig zu leicht genommen zu haben. Handelt es sich um generelle, um Gattungstitel, die man gar nicht gut umgehen kann — etwa »Süße Speisen und Torten- oder »Wild und Ge flügel- od. dgl. —, so liegt es klar, daß jeder, auch der spezielle Konkurrent, diesen Titel benutzen darf. Das ist aber nicht der Fall, wenn es sich um Titel von Eigenart, um »besondere Be zeichnungen« im Sinne des K 16 UWG. handelt; und da er-