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^ 20S, 3. September >912. Amtlicher Teil. vvrs«nblall f. d. Ltschn. Buchhandel. 10131 noch erhaltene und sich auf ihn beziehende Material sammeln soll. Ob es für die Literaturwissenschaft die Bedeutung haben wird wie das Tolstoi-Museum in Moskau, scheint mir zweifelhaft, denn dazu liegt es viel zu abseits. Ein Turgenjew-Museum dürfte nur in einer der beiden Residenzen Moskau oder Petersburg errichtet werden. Vor nicht allzu langer Zeit ist in Petersburg mit dem üblichen Zeremoniell ein interessantes anthropologisches Museum Peters des Großen eröffnet worden. Das außer ordentlich sehenswerte Unternehmen, das sehr seltene, besonders alte Sammlungen und Unika enthält, verdankt seine Ent stehung dem Akademiker W. Radloff, der rastlos und auf opfernd dafür gearbeitet hat. In sechs zum Teil sehr großen Sälen hat das Museum Platz gefunden. Es ist durch die alte Peter-Galerie der k. Eremitage, sowie das alte Admira litäts-Museum vervollständigt worden und weist alte, äußerst wertvolle Sammlungen, so z. B. einen Teil der Sammlungen des berühmten Cook auf. Neben Ozeanien enthält die reiche Abteilung für Sibirien — die Schamanensammlung — Unika. Für Afrika kommt die vielseitige Sammlung des Afrikaforschers Juncker in erster Reihe in Betracht. Andere Gebiete sind weniger gut vertreten, doch dürften hier die reichen Pholo- graphiesammlungen zum Teil die Lücken füllen. Ende Juli wurde hier die »Internationale Lehrindustrie- Ausstellung« geschlossen, und es ist mir heute möglich, einiges Abschließende darüber zu sagen. Der Hauptzweck der Aus stellung, Anregung zur besseren Einrichtung und Ausstattung der russischen Volks-, Mittel- und Spezialschulen zu bringen, ist sicher voll erreicht worden. Mit Staunen durchwanderte man die Ausstellung und bewunderte die große Zahl von Hilfsmitteln, die heute dem Lehrer einer gut eingerichteten Schule zur Verfügung stehen, um die Schüler über die Worte hinaus unmittelbar zu den Dingen zu führen. Wo Begriffe in der Schule fehlen, da darf sich nicht das Wort einstellen, sondern da muß die Anschauung erfolgreich in Tätigkeit treten. In der Mathematik ist bei schwierigen geometrischen Figuren die Anschauung unumgänglich not wendig, und im Geographie-, Geschichts- und Literaturunter richt gibt das Bild erst den Worten Leben und Farbe. Wandtafeln und Skulpturen, die im Kunstunterricht die Urquelle der Anschauung bilden, sind bei allen Fächern der Naturwissenschaft nur eine unvollkommene Aus hilfe. Hier ist das eigentliche Feld der Anschauung und demgemäß auch das meiste Material gesammelt und be arbeitet worden. Was auf dem Gebiete der Lehrmittel industrie geleistet worden ist, zeigte am deutlichsten der im Mittelpunkt der Ausstellung stehende Pavillon des »Päda gogischen Museums der Militärlchranstalt«. Das im Jahre 1864 gegründete Museum ist gewissermaßen eine ständige Ausstellung von Lehrmitteln und Sammlungen, für die das Neueste des In- und Auslandes angeschafsl und geprüft wird. Wichtig sind auch die seit 1900 vom Museum all jährlich veranstalteten Kurse für Lehrer, die allgemeinen Vorlesungen sürs Volk, sowie die pädagogischen Kongreffe und das Geographische Bureau. Dieses für Rußland einzig artige Institut hatte einen großen Teil seiner Lehrmittel ausgestellt und einen Katalog von 324 Seiten Umsang herausgegeben, in dem kein Zweig des Unterrichts fehlte. Ganz vorzüglich war das Kabinett für russische Sprache mit zahlreichen Tabellen, Bildern, Tafeln und reichen Biblio theken der Einzeldisziplinen. Sehr reichhaltig vertreten waren Geographie und Kosmographie: Karten, Atlanten, Reliefs, Wandbilder, Alben geographischer Bilder, stereoskopische An sichten, die die Gesellschaft Underwood in ungezählten Samm- tungen gleichfalls ausgestellt hatte, Proben von Produkten und Waren, ethnographische Modelle, ein astronomisches Schulobservatorium usw. Imponierend waren auch die naturwissenschaftlichen Sammlungen und Präparate, mit starker Betonung der biologischen Seite der Tiere und Pflanzen. Eine Mustersammlung von Lehrmitteln enthielt ferner der Pavillon der »Hauptverwaltung für Landorgani sation und Landwirtschaft». Die in dieses Gebiet ein- schlagendcn Sammlungen waren zum Teil ganz ausgezeichnet vertreten. Da waren von Sokolow und W. K. Arentow hergestellte Präparate aus dem Leben der Insekten, Spirituspräparate für Anatomie, Zoologie und Embryo logie der St. Petersburger Firma »2ootoum», die alle inneren Organe säuberlich offenbaren und durch Färbung der Venen und Arterien den Blutkreislauf im ausgeschnittenen Tier vor Augen führen, u. a. m. Lriroä» i Leblcol» in Moskau, Jesteftwennik in Kiew, Nikiforow in Ligowo und andere leisten ebenfalls auf diesem Gebiete Gutes. Doch ist an vielen russischen biologischen Bildern zu tadeln, daß der Zu sammensteller sich oft nicht streng genug an die Natur hält. In verschiedenen Gouvernements werden Lehrmittel auf dem Wege der Hausindustrie, zum Teil unter Leitung von Spezialisten, hergestellt, so im Moskauischen, in Wjatka u. v. a. O. Die Ausstellungen der betreffenden Landschaften hatten hauptsächlich den Zweck, die Fortschritte der Hausarbeit unter Anleitung geschulter Kräfte zu zeigen. Es wird nicht nur auf dem Gebiete traditioneller Bauernarbeiten, wie z. B. auf dem der Holzschnitzerei, Ausgezeichnetes ge leistet, sondern wie die Werkstatt für Anschauungs- unterrichtsgcgenstände der Moskauer Landschaft bewies, sind neben künstlerischen, äußerst billigen Holzschnitze reien die verschiedensten Anschauungsmittel hergestellt worden: Modelle aus Papiermache, Sammlungen von Insekten u. a. Billig und von erstaunlicher Naturtreus waren auch die aus einer elastischen Masse hergestellten Gemüsemodelle. Deutsche Lehrmittel waren hauptsächlich von der Firma »Kultur« in St. Petersburg sF. Volckmar, Leipzig?) ausgestellt. Besonders interessierten hier die für Rußland noch unbekannten liatura äocot-Präparate von Pro fessor vr. Spalteholz, die mit Hilfe bestimmter Säuren die Muskeln, ja selbst die Knochen der Objekte durchsichtig machen, während die Adern durch Injektionen bis in die kleinsten Verästelungen deutlich hervortreten. Die russischen Zeitungen bezeichnen die kiatura äoevt-Präparate als den Gipfel des auf diesem Gebiete Erreichten. Aus obiger Ausführung kann man ersehen, daß Rußland fleißig bemüht ist, seinen Bedarf an Lehrmitteln im Lande selbst herzustellen, um die ausländischen Konkurrenten, und da namentlich Deutschland, ganz zu verdrängen. Der neu zu schließende Handelsvertrag bietet eine willkommene Gelegenheit, die Zölle auf Lehrmittel zu erhöhen und somit die heimische Lehrmittelindustrie in größerem Maße zu schützen als bisher. Es wird bei der Abfassung des neuen Handelsvertrags von der Geschicklichkeit der deutschen Regierungsvertreter abhängen, ob Deutschland für Rußland noch weiter ein Hauptlieferant bleibt oder nicht. (Vgl. Bbl. Nr. 181.) Kaum zeigen sich die ersten Herbstwolken am Sommer himmel, und schon lesen wir von neuen Ausstellungen, von denen uns im Herbst und Winter sicher wieder eine lange Reihe beschert werden. Die erste Ausstellung, die im November dieses Jahres hier stattfindet, wird bei unserer Damenwelt sicher eine begeisterte Aufnahme finden, denn sie ist der Mode gewidmet. Die ungekrönten Könige auf dem Gebiete der Mode aus London und Paris, wie Worth, Douce, Paquin, Redsers usw., haben ihre Beteiligung zugesagt, so daß die Veranstaltung Gutes verspricht. In Verbindung mit dieser Ausstellung werden auch Vorlesungen über die Mode mit Demonstrierung lebender Mannequins gehalten werden, etwas ganz Neues für Petersburg. Er freulich wäre es, wenn sich auch der Buchhandel an dieser 1320»