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plL 238, 13. Oktober lSIO. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel 11967 alle besseren Buchhandlungen eigentliche Schmutzliteratur nicht führen, daß also hier, abgesehen von den Zeitschriften, der Vorwurf zu weit geht. Allerdings geben ja auch die soge nannten Liebhaberdrucke — meist ein Wiederabdruck porno graphischer Literatur älterer Zeiten, für die dann das »kultur historische Interesse- in Anspruch genommen wird — Veran lassung zur Klage, und ich für meine Person kann nicht umhin, dieser Art der Literatur die Existenzberechtigung ab zusprechen. Eigentlich verderblich wirkt sie aber auch erst dann, wenn sie vom Sortimenter an Hinz und Kunz, sogar Damen angebolen wird. Das darf natürlich nicht Vorkom men, und dagegen muß der anständige Buchhandel zu Felde ziehen, ganz abgesehen davon, daß sich solche Sortimenter durch diese Art »Rührigkeit- recht empfindlich schädigen können, nämlich wenn sie mit ihrem Angebot an den Un rechten kommen. Die Orts- und Kreisoereine halten es deshalb für ihre Pflicht, ihre Mitglieder zum Kampfe gegen diese Auswüchse aufzufordern. Gegen den Schund kämpst man am besten, indem man ähnlich aussehende, aber einwandfreie Lite ratur durch Auslegen und Empfehlung bekannt gibt — z. B. Hillgers Jugendbücherei, Enßlin L Laiblins bunte Bücher, Adler-Bibliothek, Wiesbadener Volksbücher, gegen den Schmutz, indem man sich von dem Vertriebe desselben sern- hält. Bestellt aber eine geistig reife Persönlichkeit irgendeinen »Liebhaberdruck-, so hat nach meinem Empfinden der Sorti menter nicht das Recht, ihn geistig bevormunden zu sollen. In diesem Falle mag er ruhig das betreffende Werk zu beschaffen suchen. Der Hamburg-Altonaer Verein schreibt darüber: »Wir haben als Sortimentsbuchhändler nicht die Aufgabe berufsmäßiger Kritiker, wir sollen noch nicht einmal Bücher, die als solche ernsthaft zu nehmen sind, grundsätzlich vom Verkehr ausschließen, weil sie, dem unglücklichen Zuge der Zeit folgend, erotische und sexuelle Probleme stack hervortreten lassen. Aber wir haben das Recht, sie von unserer Verwendung auszuschließen.» Sogenannte .Dirnen literatur' wird aber wohl kein anständiger Buchhändler auf Lager haben und besorgen. Wenn dagegen der Schrei nach neuen, schärferen Gesetzen ertönt, so bitte ich dringend, nicht mit in diesen Ruf einzustimmen, sondern Wasser in den Wein zu schütten, soweit es in Ihrer Macht steht. Ich meine, die ZK 184 und 184a des Strafgesetzbuches genügen vollkommen. Werden noch schärfere Bestimmungen erlassen, so muß un zweifelhaft die Freiheit der Wissenschaft und der Kunst darunter leiden, und mit diesen wir, die wir diese beiden verbreiten wollen. Der Börsenverein hatte in seinem den Kampf gegen die Schund- und Schmutzliteratur betreffenden Schreiben vom 30. März an die Kreis- und Ortsoereine — das denselben übrigens auch noch in größerer Anzahl behuss Verteilung zur Verfügung gestellt war — die Vereine ersucht, ihm so bald als möglich über die unternommenen Schritte zu berichten. Unser Vorstand übersandte ihm bereits unterm 20. Mai die Rückäußerungen der einzelnen Vorstandsmitglieder darüber, die ein viel erfreulicheres Bild von der Betätigung des Buch handels an dem Kampfe gegen Schund und Schmutz zeigen, als in jenem Schreiben des Börsenvsreins vorausgesetzt wird. Zugleich wies er den Vorwurf, daß der zünftige Buchhandel sich zu wenig einer positiven Förderung guter Jugend- und Volksschichten angelegen sein lasse, als nicht zutreffend zurück. Die Adrstzbuchreinigung ist für mich eine Frage von größter Bedeutung. Es handelt sich meines Erachtens keineswegs nur darum, das Adreßbuch von einer Menge un nötigen Ballastes zu befreien, sondern ich erwarte von der Lösung dieser Frage eine festere Umgrenzung des Begriffes -Buchhändler« und daran anschließend die Rückkehr des Verlegers zur früheren Gewohnheit, nur an Voll-Buch- händler mit vollem Rabatt zu liefern. (Referent führt hier Stellen aus Aufsatz III von »Reformerund Reformen- in der Allg. Buchhändlerztg. 1910 Nr. 30 an über die Leichtigkeit, mit der sich der Buchhandel jedem, der an seine Pforten klopft, erschließt, und über die Schädigung, die sich das ordentliche Sortiment dieser Konkurrenz wegen gefallen lassen muß). Wie Sie sich erinnern werden, bin ich häufig in diesem Sinne in allgemeinen wie in speziellen Fällen beim BSrsen- vereins-Vorstand vorstellig geworden, und ich habe auch den Eindruck, als ob dieser wohl den besten Willen habe, zu helfen, daß aber die Leipziger Einflüsse zurzeit noch zu stark find, um ihn die ganze Frage mit unseren Augen anschauen zu lassen. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß nicht nur die so genannten Buchbinder-Kommissionäre gegen unsere Reinigungs bestrebungen ankämpfen, sondern auch namhafte und große Kom missionsgeschäfte, die ebenfalls Auchbuchhändler versorgen. In den -Mitteilungen« Nr. 8 habe ich eine längere, ausführliche Darlegung unserer Wünsche erscheinen lassen, die Sie gelesen haben werden. Mit diefem Aufsatz hat sich denn auch Herr Redakteur Thomas in der Allgemeinen Buchhändler-Zeitung Nr. 25 beschäftigt und u. a. gesagt: »um so wohltuender berührt es, wenn unter Ausschaltung aller kleinlichen und persönlichen Gesichtspunkte in einer immerhin wichtigen Frage der Weg der Verständigung gezeigt wird, der mit einigem guten Willen von allen beschritten werden kann. Das ist wenigstens im großen und ganzen der Fall mit den Grundsätzen, die Max Kretschmarin für die Aufnahme ins Adreßbuch aufstellt.« Diese Anerkennung meiner Grundsätze hat mich aufrichtig erfreut; ersehe ich doch daraus, daß ich mit meinen Wünschen nicht in ein falsches Gleis geraten bin. Der Berichterstatter gedenkt noch des Briefwechsels, den er in der Adreßbuchfrage mit der Geschäftsstelle des Börsen vereins gehabt hat, teilt einzelnes daraus mit und stellt fest, daß hier die Anschauungen vielfach auseinandergehen, cs sei aber zu hoffen, daß die seinige bei Unterstützung seitens der übrigen Kreis- und Ortsvereine durchdringen iverde. Gelegent lich der am 23./24. September stattftndenden Versammlung der Abgeordneten der Kreis- und Ortsvereine wird der von Ihnen neu zu wählende Vorstand unseres Verbandes Fühlung mit den anderen Delegierten auch nach dieser Richtung hm nehmen. Jedenfalls wird die Sache in dem jetzigen Stadium nicht mehr einschlafen können, wennschon ich für die Lösung derselben bei dem Widerstreite Leipziger Interessen kein sehr schnelles Tempo erwarte. — Als unmittelbaren Gewinn würde ich schon den Druck der Firmen der Auchbuchhändler mit kleinerer Schrift im Adreßbuch ansehen, wie es uns ja durch den Ausschuß in Aussicht gestellt worden ist. Als eine große Schädigung betrachte ich das Erscheinen von Otto Maiers Anzeiger für den Buchhandel, der, wie Herr O- Maier sich sehr vorsichtig ausdriickt, -nicht an Firmen, die Mitglieder des Börsenvereins sind-, versandt werden soll, sondern an 5000 »Sortimenter- — so schreibt Herr O. Maier — die außerhalb dieser Vereinigung stehen! — Meine Herren, das sind eben mit anderen Worten die »Auchbuchhändler«, die nun durch ein wöchentliches Gratis fachblatt zu der Nebenbeschäftigung des Bücherverkaufs dauernd angeregt werden sollen. Die Kosten des Blattes soll natürlich der deutsche Verlagsbuchhandel tragen. Die Werbung neuer Mitglieder haben wir uns nach dem Beschluß der vorigen Versammlung angelegen sein lassen. Wir hatten einen ausführlichen Prospekt ausgearbeitet und ihn im Februar 1910, zugleich mit einem Separat abzug unseres im Börsenblatt 1909 Nr. 230 veröffentlichten Protokolls, unserer Verbandsversammlung an alle diejenigen Firmen des Verbandes versandt, die uns als Zuwachs für ihn wünschenswert erschienen. Einen nennenswerten Erfolg 1SS2«