Volltext Seite (XML)
104, 9. Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 5499 Anwachsen seines Verlages und der damit verbundenen Tätig keit gezwungen, bereits am 31. Dezember 1884 aus dieser Firma auszuscheidcn. Er erwarb sich das bereits vorher er wähnte Grundstück Hermannstraße 29, das er sich lediglich für den Betrieb seines wachsenden Verlagsgeschäfts und die Bedürfnisse seiner Familie praktisch und behaglich einrichtete. Durch den Einfluß des ihm befreundeten Betzschlag und der evangelischen Mittelpartei gewann er denn auch die anderen führenden Geister der Hallenser theologischen Fakultät zu seinen Autoren: Jacobi, Schlottmann u. a. m., wie er damals überhaupt als »offiziöser» Verleger dieser Partei galt. Als solchem wurden ihm auch die ersten Flugschriften des »Evangelischen Bundes- zum Vertriebe übergeben, die gerade unter seiner Geschäftsführung eine ungeheure Ver breitung erfuhren. Die zuerst monatlich, später wöchentlich erscheinende »Korrespondenz des Evangelischen Bundes-, die »Flugschriften- und andere Artikelserien verdanken Strien die Festlegung der äußeren Form, die dann auch später zumeist beibehalten wurde, als die Strienschen Räumlich keiten für den Vertrieb nicht mehr ausreichten und der »Evangelische Bund« in Leipzig eine eigene Vertriebsstätte einrichtete. Als Vorläufer der eben erwähnten »Flugschristen waren bei Strien schon früher die sogenannten »Grünen Mitteilungen« über die konfessionellen Verhältnisse in Württem berg erschienen, die seinerzeit dort großen Eindruck machten und derer sich mancher unsrer süddeutschen Kollegen, die damals das Wort prägten »Strien-grün-, noch erinnern werden. Das in seinem Verlage erschienene Andachtsbuch von Müllensiefen war ein unabwendbarer Lagerartikel eines jeden besseren Sortiments und auch die Palmiöschen Schriften dürften bleibenden Wert besitzen. Mit dem Tode Beyschlags und dem Rückzug der Mittel partei von den »Deutsch-evangelischen Blättern» schien auch Strien die Lust am Verlage der protestantischen Theologie verloren zu haben. Vielleicht war auch die Wahrnehmung nicht ohne Einfluß darauf, daß die jetzigen Zeitläufte zweifel los weniger günstig für den Absatz derselben waren; kurz, er wandte sich mit besonderem Eifer dem Vertriebe der mit dem Rauhschen Verlage erworbenen Gaußschen Logarithmen tafeln zu, die er immer weiter ausbaute und in der letzten Zeit alljährlich in zirka 10 000 Exemplaren verbreitete. Ebenso widmete er sich dem Vertriebs der französischen Unterrichts werke seines Bruders, des Direktors Professor vr. Strien in Halle, die ebenfalls eine bedeutende Ver breitung erfuhren. Seit 1887 war Strien in zweiter Ehe mit der Tochter des inzwischen ebenfalls verstorbenen Buchdruckereibesitzers Fr. Richter aus Leipzig vermählt, aus welcher Ehe ihm drei Kinder nachtrauern. In seiner Heimatstadt Halle war er hochangesehen und bei allen, die ihn kannten, hochgeschätzt. Entsprach es auch nicht seinem Charakter, in der Öffentlichkeit besonders her- oorzutreten, so hat er doch im stillen zu wirken verstanden und sich auf diese Art den Dank vieler erworben. Er gehörte u. a. der Halleschen I I-Loae -Zu den drei Degen« an, in der er auch ein Ehrenamt im Vorstande bekleidete. Seinen Hallenser Kollegen hat er stets in uneigennütziger Weise mit Rat und Tat zur Seite gestanden. In der Allgemeinheit des Buchhandels ist er als langjähriger, zielbewußter Vor sitzender des Sächsisch-Thüringischen Buchhändler-Verbandes bekannt geworden, der in hervorragender Objektivität die Sortiments- nnd Verlagsinteressen der Vereinsmitglieder paritätisch wahrzunehmen wußte. Noch im Jahre 1908 übernahm er in Halle die Festrede zur Feier des 25jährigen Jubiläums des Verbandes in vorzüglicher Frische und Warm herzigkeit. Er hatte sich das Leben nicht leicht gestaltet, denn er hatte sich vorgenommen — und auch durchgeführt —, sein Geschäft nur mit eignen Mitteln allmählich auszubauen und keine Kredite, die ihm allseitig zur Verfügung gestanden haben würden, in Anspruch zu nehmen. So hat er denn fort dauernd bis zu seinem Lebensende mit großem Eifer und enormer Hingebung gearbeitet und Stein aus Stein gefügt, allerdings mit dem Gefühl der Genugtuung darüber, den Seinigen dermaleinst ein wohlfundiertes, ertragreiches Ge schäft zu hinterlassen. — Ec war ein Vorbild seinen Freunden und ein Buchhändler von echtem Schrot und Korn, der stolz auf seinen Berus war, aber auch die sittlichen Kon sequenzen daraus zog. Niemals hatte er ein Buch verlegt, mit dem er nicht »konform- ging, niemals ein solches, nur weil es vielleicht ein sogenannter »Schlager« hätte werden können. Ihm war das Buch mehr; er betrachtete es als Erziehungs mittel ersten Ranges. — In seinem bescheidenen Sinn hatte er es stets abgelehnt, mehr hervorzutreten, und stets andere solcher Ehren für würdiger erachtet. Mit ihm geht dem Buchhandel eine Type des alten, soliden Buchhändlers ver loren, der noch den Zusammenhalt des Sortiments und Verlags für eine »unerläßliche Notwendigkeit« hielt. — »Treue- war der Grundzug seines Charakters, und wem es vergönnt war, ihm jemals im Leben näheczutreten, wird ihm diese auch über das Grab hinaus bewahren. — Möge er nach arbeitsreichem Leben sanft ruhen I Ä. ll. Rußlands Bücherproduktion im Jahre 1909. <Vgl. Nr. 86 d. Bl., S. 4S54.) II. Aus N. G. Martynows statistischen Verzeichnissen über Ruß lands Bücherproduktion im verflossenen Jahre sind noch folgende Mitteilungen und Zahlen erwähnenswert. Um Wiederholungen zu vermeiden, bemerken wir ein- für allemal, daß die erste Ziffer die Zahl der Drucksachen — Werke Bücher, Broschüren, Musi kalien mit Text usw., — die zweite die Zahl der gedruckten Exemplare und die dritte den angegebenen Wert (Ladenpreis) sämtlicher Exemplare angibt. Ferner sind nur die Rubel ange geben, alle Kopeken weggelassen. Es handelt sich hier nur um Drucksachen in russischer Sprache; das Großfürstentum Finn land ist nicht inbegriffen. Im ersten Artikel wurden bereits die das ganze russische Reich betreffenden Zahlen mitgeteilt und zwar als Gesamtproduktion: 20 698 — 86 957 814 — 26 836 819. Wir können hier nicht alles wiederholen, was Herr Martynow in seinen statistischen Tabellen anführt, beschränken uns daher auf die wichtigsten Zahlen und Tatsachen. An der russischen Bücher produktion sind folgende Gouvernements am stärksten beteiligt: St. Petersburg 8819 — 38 985 365 — 13 978 147 Moskau 4 862 — 34 079 856 — 9 528 295 Kijew 1 296 — 3 374 599 — 917 931 Chersson (mit Odessa) 671 — 2 217 927 — 467 479 Charkow 638 — 744 330 — 217 766 Kasan 698 — 740 012 — 118 488 Warschau 370 — 1 632 699 — 211222 Livland (mit Dorpat) 362 — 1 299 745 — 356 764 Wilna 261 — 369 170 — 102 869 Nishnij Nowgorod 218 — 292 330 — 64 432 Ssaratow 201 — 286 675 — 59 987 Twer 139 — 79 260 — 20 427 Tschernigow 135 — 47 290 — 7 877 Poltawa 127 — 118 480 — 24 093 Land d. dänischen Kosaken 124 — 223 116 — 53 144 Jaroslaw 122 — 27 992 — 4 716 Tiflis 102 — 98 834 — 39 709 Weniger als je hundert Drucksachen sind in den übrigen 61 Gouvernements des russischen Reichs erschienen; in sieben der selben (Lomsha, Plotzk, Radom, Sjedlzy, Jelisawetpol, Karsk, Transkaspien) erschien nur je eine Drucksache und in vierzehn (Kalisch, Batum, Sakataly, Ssuchum, Daghestan, Schwarzmeer, gebiet, Ssachalin, Amurgebiet, Samarkand, Ssemipalatinsk, 709*