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4530 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. vH 07, 20. April 1913. verwischt. Mit Beifallsklatschen empfangen, gab er seinem Dante für die ihm gewordene Ehrung in nachstehender Rede Ausdruck: Hochanschnlichc Kcstvcrsammiung! »Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund Uber«, heißt es bei mir Heutes und daß mein Herz voll ist der Freude und des Tankes, das, glaube ich, sind Sic von mir versichert. Ich kau» Ihnen gestehen, daß der Beschluß, der mir vorhin von Ihrem verehrten Herr» Vor steher kundgegeben wurde, wonach der Börsenvcrcin der Deutschen Buch händler mir die Ehre erwiesen hat, mich zum Ehrenmitglied zu ernen nen, mich tief bewegt hat, und diese Freude ist eine um so tiefer empfun dene, als ich sa weiß, daß diese Ehrung in erster Linie der amtlichen Stellung gilt, die ich zu bekleiden den Vorzug habe, ich weiß, daß sic in erster Linie unserer Stadt Leipzig gilt, deren städtische Körperschaften z» allen Zeiten und auch in der jüngsten Zeit wieder ihr vollstes Ver ständnis bewiesen haben für die Interessen des Buchhandels. Aber wer wie ich den Vorzug genossen hat, fast 1)4 Jahrzehnt in immer nähere Beziehungen zu treten zu dem Börsenverein, seinem Vor stand und seinen einzelnen Mitgliedern, der weiß, was diese Ehre bedeutet; der weiß, was es heißt, Ehrenmitglied des Börsenvereins Deutscher Buchhändler zu sein, dieser einzigartigen Korporation. Ich habe ja von dieser Stelle aus gar manchmal schon der Bewunderung über diesen Zusammenschluß der deutschen Buchhändler Ausdruck ge geben, und Se. E;z. der Herr Staatsmintster hat soeben auch daraus hingewiesen, daß um diese Institution uns die ganze Welt beneidet. Darum wird die Freude, Ehrenmitglied dieser Korporation zu sein, nie in meinem Leben erlöschen und mein herzlichster und wärmster Dank ist für alle Zeit dem Börsenverein und seinen Mitgliedern sicher. Aber, meine verehrten Herren, wenn Ihr Herr Vorsteher, als er -mir diesen Beschluß crösfnetc, so freundlich war, ihn mit meiner Tätig keit im Interesse des deutschen Buchhandels zu begründen, so hat er, wie das bei der ihm eigenen Liebenswürdigkeit nicht wunder nehmen kann, cs in Worten zum Ausdruck gebracht, die mehr enthielte», als ich verdient habe. Ich kann nur das eine für mich in Anspruch nehme», daß ich in klarer Erkenntnis der Verhältnisse dafür cingctrcten bin, solange ich überhaupt in Leipzig tätig bi», daß die Beziehungen zwischen unserer Stadt und dem deutschen Buchhandel immer enger und immer intimer und immer fester werben, und in neuester Zeit insbeson dere dafür, baß die Bücherei unter den Schutz und Schirm des Börscn- vereins gestellt wurde. Ich bin dafür eingetreten aus der Erkenntnis heraus, daß nirgends tiefere Sachkunde vorhanden ist, nirgends Männer vorhanden sind, die mit größerer Begeisterung und mit prak tischerem Blick die Idee einer deutschen Bücherei, die, wie cs Se. Ex zellenz der Herr Minister vorhin erwähnte, innerhalb des Buch handels schon seit Jahrzehnten ventiliert wird, zur Durch führung zu bringen vermögen. Und in dieser Überzeugung bin ich durch die Erfahrung bestärkt worden, daß der Börsen verein in geradezu idealer Reise cs verstanden hat, immer seine beste» Kräfte an die Spitze zu stellen, immer seine besten Leute das Steuer führen zu lasten. Ich brauche nur zu erinnern n. a. an die Namen llr. Eduard Brockhaus, Alfred von Kröncr, Kommerzienrat Engel- Horn, Albert Brockhaus, Or. Bollert und für die Gegenwart Kom merzienrat Siegismund, um mich jeder weiteren Begründung über- hobcn zu sehen. Meine verehrten Herren, was insbesondere Herr Kommerzienrat Siegismund in den letzten Jahren siir die Durchführung der nach meiner Überzeugung für Deutschland, aber insbesondere für den deutschen Buchhandel bedeutungsvollen Idee getan hat, das kennen vielleicht nur wenige so, wie ich es weiß: daß er die Nächte dazu benutzt hat, um von Stadt zu Stadt zu reisen, und die Tage, um Propaganda zu machen, und alles hat er getan beherrscht von dem Wunsche, damit unscrm deutschen Volk und dem deutsche» Buchhandel einen Dienst erweisen. Von diesem Gesichts punkt aus hat er alles unternommen, und er ist dabei unterstützt worden von Männern wie dem Vorsitzenden des Deutschen Vcrlcgervercins, Herrn Arthur Meiner, er ist unter stützt worden auch von Herrn Albert Brockhans und von dem Vater der jüngsten Idee, Herrn vr. Ehlermann, und, meine Herren, seine Ideen und seine Anregungen haben eine kräftige Resonanz gefunden unter den Mitgliedern des Vorstandes. Ich weiß, wie schwer der Vorstand die Verantwortlichkeit seiner Entschließung em- pfnndcü hat. Der Vorstand war sich klar bewußt, daß er durch seinen Beschluß, der ja, wie die Verhältnisse lagen, bindend sein mußte, eine Verantwortung ans sich lud, die er eben nur ans sich laden konnte, weil er fest davon überzeugt war, daß im deutschen Buchhandel, sobald es sich »m große Ideen handelt, stets die erforder liche, tatkräftige Unterstützung vorhanden sein wird. Und in diesem Vertrauen ist ja der Vorstand zu unser aller großen Freude auch dies Mal nicht getäuscht worden. Er hat die Zustimmung des ge samten Börsenvercins gesunden, und, meine verehrten Herren, für das alles sind wir, die Stadt Leipzig, und ich darf auch persönlich sprechen, bin ich Ihrem Vorstand und seinem Vorsitzenden und Ihnen allen aufrichtig dankbar. Die Stadt Leipzig und ihre Vertretung er blickt in dem jüngsten Kinde des Börsenvereins ein »cncs wich tiges Band, das uns, wie in der Gegenwart, so siir alle Zukunst, ich vertraue, unauslöslich verbindet. Und nm diesem Dank besonderen Ausdruck zu verleihen, hat der Rat beschlossen, die Straße, die an der Deutschen Bücherei vorbeiftihrt, parallel zur Reitzenhaincrstraße, und hinaussiihrt nach dem Völkerschlachtdenkmal »Karl Siegismundstraßc« zu nennen. sAnhaltender, lebhafter Beifall.) Es solle», meine Herren, auch zukünftige Generationen, wenn sie zur Deutschen Bücherei wandern, sich des Mannes erinnern und dankbar erinnern, der seine ganze Persönlichkeit siir diese Idee eingesetzt hat. Und so lasten Sic mich mit dem herzlichen Wunsche in Ihre Reihen eintreten, daß Börsenverein und Stadt Leipzig alle Zeit als treue Kameraden zusammenstchcn für das Gedeihen des deutschen Buchhandels, und aus baß für dieses Gedeihen stets der Boden wohl zubereitet ist, mögen stets dem deutschen Buchhandel die rechten Männer an der rechten Stelle beschickten sein. Diesem Wunsch lassen Sic mich Ausdruck geben in dem Rufe: Der Vorstand des Deutschen Börsenvercins und sein verehrter Vorsitzender, Herr Kommerzienrat Siegismund, sie leben hoch! (Drei- maiiges Hoch.) Es hieße Wasser in den Wein gießen, wenn wir die humoristischen Ausführungen des Herrn Artur Seemann, zweiten Vorsitzenden des Börsenvereins, der als nächster Redner die Tribüne betrat, mit einem Kommentar begleiten wollten. Auch könnte ein Unterstreichen der leisen, feinen Ironie, mit der er, ausgehend von den Errungenschaften des Börsenvereins in jüngster Zeit, allerhand waghalsige Zukunft?- Unternehmungen auf dessen Konto setzte, leicht den Gedanken auskommen lassen, daß er an dem Zustandekommen der Deutschen Bücherei rc., dem »hohen Fluge« des Börsenvereins, keinerlei Schuld trage. Damit wäre der Wahrheit nicht ge dient, und so wird er es sich gefallen lassen müssen, daß ein Teil seiner witzigen Ausführungen sich gegen ihn selbst kehrt: Meine hochgeehrte» Herren! Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Lebe» schon einmal geträumt haben, daß Sic fliegen können. Das war bis zur Erfindung der Flug apparate ein angenehmer Traum. Seit aber diese Flugapparate er funden worden sind, mischen sich in derartige Träume, wo die Schwer kraft ausgehobcn wird, allerlei satale Reminiszenzen an gelesene Zei tungsartikel, die aus den Leser einen bestürzenden Eindruck machen. Ähnliche Träume hat man dann immer, wenn man sich außer gewöhnlich angestrengt, körperlich ober geistig abgemüht hat, und so geht cs denn auch einem arme» Mitglied des Vorstandes des Börsen vereins, wenn es zu einer jener denkwürdigen Sitzungen eingeladen wird, die meistens morgens um 9 Uhr, manchmal schon um 8 Uhr beginnen und am späten Abend beendigt sind, mit einer kärglichen Stunde Mittagspause. Man hat dann gewöhnlich die halbe Tages ordnung erledigt, und die andere Hälfte pflegt einem beim Einschlafen als ein oder mehrere Dutzend dunkler Punkte vor den Augen herum- zutanzcn. So ging es mir unlängst, als in diesem Hause die China-Konfe renz iagte und wir spät nach Hause kamen, um über die Eroberung des chinesischen Kaiserreichs »achzudenken. Ich befand mich plötzlich hoch in der Lust, saß auf einem schmalen Brettchen, hatte zu Füßen ein gleiches schmales Brettchen, zu beiden Seiten waren riesige Tragflächen und unter mir gähnte eine ungeheure Tiefe. Vor mir aber saß eine dunkle Gestalt, die ich vergeblich ins Auge zu fasten suchte; es war nämlich kein Auge da, weil die Figur mir Len Rücken zudrehte. (Hei terkeit.) Der Herr, der vor mir saß in dieser exponierten Stellung — ich will ihn kurz den Vorsitzenden nennen — schien mir einen allzu kühnen Flug zu tun, und ich fragte ihn, zu welchem Zweck er mich so hoch erhoben hätte, ob er denn wüßte, daß ich ein Sköpsiger Familien vater sei. Er schüttelte den Kops. Auf meine Frage, wohin cs denn gehe, sagte er: Zur Geschäftsstelle. Ach sage: Was? Seit wann per Acroplan? Ich bin zwar zu einer planmäßigen Tätigkeit verpflichtet, aber nicht zu einer acroplanmäßigen. Ich war also etwas verwundert, so hochgesticgcn zu sein und fragte, wo wir denn eigentlich unsern Ausgang genommen hätten. Daraus sagte er wieder mit dumpfer Stimme: Von der Geschäftsstelle. Da sagte ich: Das hat ja gar keinen Sinn, von der Geschäftsstelle nach der Geschäftsstelle; da fliegt man ja sozusagen von Orth zu Orth. (Große Heiterkeit.) Endlich ließ sich mein Vorsitzender herbei, eine Erklärung über die ungewöhnliche Situa tion zu geben, in der ich mich befand. Er sagte: Der Gesichtskreis des Börsenvercins hat sich so sehr erweitert, er reicht jetzt von San Fran cisco bis nach Tsingtau; wenn er das beides im Auge behalten wolle, (Fortsetzung aus Seite <571.1