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5646 «Irl-»«»» I. d. Dtschn. V»ch;»nr-I. Nichtamtlicher Teil. ^ 105, 7 Mai 1912. und Fach gebracht worden ist, auch die daran ge knüpften Erwartungen in Erfüllung gehen werden. Denn wenn auch der äußere Anlaß: der Rückgang in den Erträgnissen des Börsenblattes im Jahre 1910, von dem die Reform ihren Ausgangspunkt genommen hat, durch das Ergebnis des darauffolgenden Jahres gewisser maßen gegenstandslos geworden ist, so ist doch der Vorstand des Börsenvereins vor so viele Aufgaben gestellt, daß die Vorsicht ihn den Rat Jagos: Tue Geld in deinen Beutel, als einen für seine Verhältnisse ungemein praktischen be folgen heißt. In engster Verbindung mit der Reform des Börsen blattes stand der Antrag des Vorstandes auf Festsetzung eines Mitgliedsbeitrags von 24 über den die Versamm lung noch hinausging, indem sie einem Vorschläge des Herrn Otto Meißner zustimmte, nach dem unter gleichzeitiger Er mäßigung des Eintrittsgeldes von ^ 80.— auf 15.— der Mitgliedsbeitrag in Zukunft ^ 25.— betragen soll. Be gründet wurde dieser Antrag mit dem Hinweis auf das gegenwärtige hohe Eintrittsgeld, das namentlich kleinere Buchhändler von dem Eintritt fern halte, während es doch im Interesse des Börsenvereins liegen müsse, besonders auch den jungen Nachwuchs zu sich und seiner Organisation herüberzuziehen. Optimistisch veranlagte Naturen könnten versucht sein, von der Durchführung der Reform des Börsenblattes zu dem Anträge desVorstandes: »DieHauptversammlung wolle ihre Zustimmung erteilen zu einem Erweiterungsbau des Buchhändlerhauses, der einen Kostenaufwand von etwa 160000 erfordern wird« eine Brücke zu schlagen, wenn nicht zu berücksichtigen wäre, daß dieser Neubau sich schon seit einigen Jahren als dringende Notwendigkeit erweist und nicht erst im Hinblick auf die durch die Reform des Börsenblatts in Aussicht stehenden Mehraufträge in Angriff genommen wird. Vom Vorstands tische aus durch Herrn Fernau eingehend begründet, wurde dieser Antrag debattelos einstimmig angenommen und dadurch auch der jetzt in Mietsräumen untergebrachten Redaktion ein neues Heim geschaffen. Der Bericht des Rechnungsausschusses über das ab gelaufene Geschäftsjahr und der Voranschlag für 1912, die Herr Opitz vortrug, gaben zu Beanstandungen ebensowenig Anlaß wie der Antrag des Vorstandes auf Genehmigung der »Vor schriften über die Aufstellung von Bildnissen im Hauptsaal des Buchhändlerhauses». Dagegen zeitigte der abschnittweise vom 1. Vorsteher zur Diskussion gestellte Geschäftsbericht eine Reihe interessanter Debatten über die in Aussicht ge- nommeneDeutsche Reichsbibliothek, denLcipzigerZwischenhandel und das unerschöpfliche Thema Schmutz- und Schundliteratur, an denen sich außer dem 1. Vorsteher besonders dis Herren vr. de Grupter, Prager, Geheimrat vr. von Hase, Meiner und Nitschmann beteiligten. Da es sich bei aller Bedeutung, die diesen Erörterungen beigemessen werden muß, doch nicht um Dringlichkeitsfragen handelt und von ihrer Lösung ohnehin nicht gesprochen werden kann, so werden wir darauf im Zusammenhang mit den Verhandlungen des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine zurückkommen, die den weitesten Überblick über alles, was den Buchhandel der Gegenwart beschäftigt, ge statten, wenn sie auch nicht immer die größte Aussicht in praktischer Beziehung beanspruchen können. Aus den Wahlen, deren Ergebnis ja schon vor der Hauptversammlung von den betreffenden Aus schüssen verbucht werden kann, gingen hervor als 1. Vorsteher sin Wiederwahl) Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin, während an Stelle des aus scheidenden 2. Schatzmeisters Herr Oscar Schmorl- Hannover gewählt wurde. Von dem persönlichen Ver hältnis der Vorstandsmitglieder zueinander, dem Gemein samen ihres Wollens und Wirkens legte der Dank des 1. Vorstehers an seinen bisherigen Vorstandskollegen Herrn Seippel und dessen Scheidegruß an die zurück- bleibenden Zeugnis dahin ab, daß diese ehrenamtlich über nommene und oft recht mühevolle Arbeit doch Schätze fürs Leben in sich birgt, die weder Rost noch Motten fressen können. Daß eine solche Auffassung der Vorstandspflichten nicht ohne Einfluß auf den Geist des Vereins selbst bleiben kann, bewies die diesjährige Haupt versammlung durch die Einmütigkeit der von ihr gefaßten Beschlüsse und den Beifall, mit dem sie die Mahnung des 1. Vorstehers begleitete, über dem Sonderinteresse nicht das Allgemeininteresse, über Verlag und Sortiment nicht den Gesamtbuchhandei zu vergessen, damit das, was unsere Stärke gewesen, nicht einst unsere Schwäche werde. Stuttgarter Briefe. ii. Mit einer für uns Stuttgarter höchst bedeutsamen Neuigkeit kann ich meinen heutigen Brief einleitend Seit dem I. April haben wir eine Sonntags-Ausgabe einer Stutt garter Tageszeitung. Das »Neue Tagblatl» ist es, das seinen Lesern diese Überraschung gebracht und damit einer gewissen Rückständigkeit ein Ende bereitet hat, von der sich unsere norddeutschen Vettern schwerlich einen Begriff machen lönnen. »Fast alle Zeitungsleser in Württemberg» — so schrieb das Tagblatt bei Ankündigung der neuen Ausgabe — »blieben vom Samstag Mittag bis Montag Mittag ohne jede Beziehungen mit den Ereignissen in der Welt und ohne Nachrichten über sie, wenn sie nicht in der Lage waren, teure auswärtige Zeitungen zu halten, die übrigens nach Einrichtung der Sonntags-Ausgabe des Neuen Tagblatts später als diese nach Stuttgart gelangen.» Diesen Fortschritt muß man loben und dabei außerdem anerkennen, daß er nur mit einem geringen Aufschlag bezahlt werden muß. Wir können also, falls wir Abonnenten des »Neuen Tag blatts» sind, jetzt auch das beruhigende Gefühl haben, daß wir den Fiühkaffee am Sonntag nicht ohne unsere Sonntags zeitung zu trinken brauchen und es in dieser Beziehung jetzt auch gerade so gut haben wie die zeilungsgesegneten Nord deutschen. Die schwäbische Eigenart macht sich insofern auch bei dieser Sonntags-Ausgabe geltend, als sie einen geringeren Umfang als die übrigen Wochcnnummern hat. Das Sams tag-Blatt bleibt das Hauptblatt auch fernerhin, während die norddeutschen Blätter am Sonntag den größten Umfang, besonders den größten Anzeigenteil zu haben pflegen. Beim Stuttgarter Adreßbuch ist dagegen ein Rückschritt zu verzeichnen. Es erscheint im Verlage der Stadtgcmeinde und wird von der Union Deutschen Verlagsgesellschaft gedruckt. Bis zum Jahrgang 1911 wurde es nebst Nachträgen den Beziehern durch Schutzleute zugestellt, die diesen Teil ihres Dienstes gern versehen haben sollen, da dabei mancher Zehner Trinkgeld abfisl. Beim Jahrgang 1912 ist es anders geworden. Stuttgart hat seit Dezember v. I. einen neuen Polizeidirektor, der solche Botengänge und die Annahme von Trinkgeldern als der braven Schutzleute unwürdig erklärte und dekretierte, daß das Publikum das Adreßbuch von der Polizei abzuholen habe. So ist es gekommen, daß zur Abwechslung auch einmal dieser Teil des Buchhandels der Stadt in dem von der Karneval- gesellschaft »Möbelwagen» veranstalteten Fastnachtsumzug figurierte. Ein »Adreßbuch-Wagen« zeigte säuberlich gemalt einen Stoß liegen gebliebener, nicht abgeholter Adreßbücher, obenauf war ein Geldbeutel gemalt, der 10 000 ^ den Hütern der öffentlichen Ordnung entgangene Trinkgelder versinnbildlichen sollte. Als Schutzleute vermummte Vereins mitglieder wischten fleißig die thränenüberströmten Wangen ab.