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Großenhainer Unterhaltung- L Anzeigeblatt. Riilt8ffatt lter Römgl. Aliä8^llHtulUim^u^, lies Roiügf Amkgenctlts unl! lies 8tllätmt^8 zu Gro^enüm». Erscheinen: Dienslag, Donnerstag, Sonnabend. Vierteljährliches Abonnement: am Schalter l M., durch den Boten ins Haus l M. 2b Ps., durch die Post l M. 2b Pf., durch die Post ins Haus l M. 50 Pf. Druck und Verlag von Herrmann Starke in Großenhain. Verantwort!. Redacteur: Herrmann Starke sen. Inserate für die am Abend auszugebende Nummer werden bis früh 9 Uhr angenommen und Gebühren für solche von auswärts, wenn dies der Einsender nicht anders bestimmt, durch Postnachnahme erhoben. Nr. 24. Donnerstag, den 2S Februar 188«. 74. Jahrgang. Erbtheilungshalber und auf Antrag der Erben soll das zum Nachlasse Johanenn Carolinen verw. Rohrbeck geb. Kühns gehörige Hausgrundstück in Berbisdorf Neuer Anbau Fol. 125 des Grundbuchs für Berbisdorf bestehend in einem Wohn gebäude No. 80 L, Brandkassentaxe 2340 M., in welchem seither Schänkwirthschaft be trieben worden, mit Hofraum und Feld No. 706 und Wiese No. 686 des Flurbuchs für Berbisdorf, Gesammtfläche 2 ll 39,1 a (4 Acker 96 m-R.) mit 43,85 Steuereinheiten, nach Befinden nebst allem Haus- und Wirthschaftsgeräthe, 1 Kuh und Futtervorrath, wie Alles steht und liegt, an hiesiger Gerichtsstelle Sonnabend, den 6. März 1886 Vormittags 11 Uhr versteigert werden. Die Kaufsbedingungen sind in dem am Gerichtsbret aushängenden Anschläge er sichtlich. Radeburg, den 23. Februar 1886. Königliches Amtsgericht. Obenaus. hat sich die für 26. dieses Monats angesetzte Versteigerung im Gast- Hofe zu Roda Großenhain, am 24. Februar 1886. Dxx Gerichtsvollzieher. Höpfner. Vobrabach-Verband I zn Kalkreuth. Genossenschafts-Versammlung Mittwoch, den 3. Märze., Nachmittags ! 3 Uhr im Gasthofe zu Schönfeld. — T.- O.: Neuwahl von 2 Ausschußmitgliedern und deren ! Stellvertretern. Es scheiden aus Herr Gutsbes. Heinrich Johne aus Schönfeld als ! stellvertr. Vorsitzender und sein Ersatzmann Herr Gutsbes. Wilhelm Richter aus Schön feld, ferner Herr Gutsbesitzer Traugott Wiedemann aus Quersa und sein Ersatz mann Herr Karl Opitz, Gutsbesitzer in Quersa. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Schönfeld, den 21. Februar 1886. Der Vorstand des Dobrabach-Verbandes I zu Kalkreuth. IV. Stviiuboru. Vic Sociaiislen - Malle. Am Freitag stand auf der Tagesordnung des Reichs tages die erste Bexathung des Gesetzentwurfs betreffend die Verlängerung des Socialistengesetzes in Verbindung mit der Berathung der Darlegung über die von der preußischen, sächsischen und hamburgischen Regierung auf Grund jenes Gesetzes getroffenen Anordnungen. Aus der Verbindung wurde nichts, denn der Antrag Hasenclever's, über den Belagerungszustand und über die Verlängerung des Gesetzes getrennt zu debattiren, fand nach längerer Discussion Annahme. Nun begann der große Tag für die Socialdemokraten. Nickt weniger als vier ihrer General redner schickten sie ins Felo, die über das Socialistengesetz und den Minister v. Puttkamer herfielen. Letzterer hatte wahrlich einen schweren Stand und Niemand eilte ihm zu Hilfe, während den Socialdemokraten der Abgeordnete Mayer von der Volkspartei nach Kräften secuudirle. Von den Socialdemokraten sprachen Viereck am vornehmsten, Frohme am zügellosesten, Singer am malittösesteu und Bebel am bedeutendsten. Im Allgemeinen waren es ver brauchte, wirkungslos gewordene Geschosse, die dieselben gegen das Gesetz schleuderten. Dasselbe habe nichts genützt, im Gegentheil hätten sich die socialdemokratischen Stimmen seitdem verdoppelt. Daß Gesetz habe nur den Haß gegen die bestehenden staatlichen Einrichtungen geschürt, die Anar chisten seien ein Product desselben, es werde willkürlich und inhuman gehandhabt. Im Besonderen sucht der Abgeordnete Viereck in einer langathmigen Auseinandersetzung die Genesis dieser „französischen Erfindung" und ihr allmähliches Ein dringen in die preußische Gesetzgebung nachzuweisen, bemühte sich dann das iunerpolitische System des Kanzlers als einen permanenten Kriegszustand hinzustellen, denn dem Kanzler sei der Kampf mit politischen Gegnern ein noth- wendiges Lebenselement und verflieg sich schließlich zu der originellen Behauptung, daß wir Deutschen es nur unserer ausgezeichneten Sccialdemokratie zu verdanken hätten, wenn bei uns bis jetzt noch kein Grubendirector massacrirt, kein Londoner Straßentumult inscenirt worden sei: „Wenn Sie diesen werthvollen Vorzug der deutschen Socialdemokratie, so sagte der Redner, für die Culturentwickelung unserer Zeit nicht anerkennen, dann verdienen Sie gar nicht, daß Sie eine so gute socialdemokratische Bewegung haben, wie Sie thatsächlich haben." Der Abgeordnete Singer, ebenso wie der Abgeordnete Frohme suchten das Gesetz und den dasselbe vertretenden Minister besonders dadurch zu discreditiren, daß sie einzelne Beispiele zusammentrugen, welche darthun sollten, daß das Gesetz seitens der Unterbeamten mit brutaler Härte und Immoralität gehandhabt werde. Seit der Polendebatte ist man freilich gegen solche vor gebrachte Einzelfälle mißtrauisch geworden. Dieselben, mit höchster Bestimmtheit vorgetragen, verblüfften damals förm lich die Gemüther und erregten im Volke das größte Auf sehen. Dann kam der Minister mit der actenmäßigen Darstellung der fraglichen Vorkommnisse und von dem ganzen romanhaften Ausputz blieb nichts übrig. Die armen edlen, unschuldig gemißhandelten Florestane entpuppten sich als höchst gefährliche oder zum mindesten sehr verkommene Existenzen. Dasselbe Schauspiel wiederholte sich in der Socialistendebatte; Stück für Stück riß der Minister dem Frohme und Genossen den Boden für ihre Anklagen unter den Füßen weg. So hatte beispielsweise Herr Singer einen aus Berlin ausgewiesenen Apotheker Vogel aus dem Dunkel hervorgezogen. Demselben sei ein eintägiger Auf enthalt in Berlin verweigert worden, obwohl er schon fünf Jahre fern von Berlin gelebt und den Aufenthalt nur zum Zwecke ter Eincassirung alter Schulden erbeten hätte, die für den durch die Ausweisung in seinen Vermögens-Ver hältnissen zurückgekommenen Vogel eine Lebensfrage seien. Das klang barbarisch. Aber Minister v. Puttkamer wies sofort aus den Acten nach, daß dieser Vogel einen bereits früher ihm ertheilten Urlaub dazu verwendet hatte, um aufs Neue zu agitiren und daß, durch diese Erfahrung klug geworden, die Regierung es doch vorgezogen hatte, den be treffenden Herrn nicht zum zweiten Male einer derartigen Versuchung auszusetzen. Wie harmlos wußte Herr Singer weiterhin den bekannten Berliner Ausflug darzustellen: Tausende von Berliner Parteigenossen, Herr Singer an der Spitze, mit Frau und Kind friedsam zu einer Land partie ausgerückt, waren Plötzlich meuchlings von 20 Gen darmen förmlich überritten worden und nur seinem, Singer's, besonnenem Eingreifen sei es zu danken gewesen, daß blutige Scenen vermieden wurden. In Wahrheit hat, wie der Minister sofort darlegte, die Sache so gestanden, daß die Arbeiter mit rothm Fahnen unter Absingung der Arbeiter- malseillaise auSgezogeu sind und im kgl. Forst Unfug ge trieben habet?. Ein gewisser Kreutz hat dann unter der rothen Fahne ein Hoch auf die Socialdemokcatie ausgebracht. Erst daraufhin haben nicht zwanzig, sondern vier Gen darmen die rothe Fahne, das Symbol der Revolution, ent fernen wollen, worauf sich die Menge mit Bierflaschen und Seideln bewaffnet, unter dem Rufe „Blut muß fließen" drohend um dasselbe geschaart hat. Wir könnten diese Glumenlese socialdemokratischer Wahr heitsliebe noch forlsetzeu, wollen aber nur noch den Fall Mahlow heranziehen, welcher am meisten Sensation machte. Singer behauptete, dieser Mahlow, eigentlich ein Beamter der politischen Polizei, namens Jhring, habe sich in die Arbeitervereine gedrängt und die Arbeiter zu Excessen ver führen, ihnen sclbstgefertigte Dynamitbomben auszwingen wollen, sie aufgereizt, nicht hinter den Nihilisten zurück zustehen rc. rc., alles nur, damit die Regierung Material zur Verlängerung des Socialistengesetzes bekäme. Minister v. Puttkamer wies diese maßlose Verdächtigung der Regierung energisch zurück: Ist außer den Social- demokraten noch ein Mitglied hier, welches die Negierung einer solchen Schandthat fähig hält? fragte er mit Ent rüstung. Jhring ist sofort amtlich vernommen worden und hat mit Bestimmtheit erklärt, daß alle diese Behauptungen Singer's rein aus der Luft gegriffen seien. Uebrig geblieben ist nur, daß er sich zu besserer Ueberwachung gefährlicher Elemente in einen Bezirksverein hat aufnehmeu lassen. Noch stehen ja Behauptung gegen Behauptung. Aber, daß ein Beamter die Dreistigkeit haben sollte, bei amtlicher Vernehmung Unwahrheiten zu Protokoll zu geben, wird jedem, der nur einigermaßen den Beamtenorganismuö kennt, als fast undenkbar erscheinen. Es wird wohl in Bälde völliges Licht in diese peinliche Angelegenheit gebracht werden, und Herr Singer wird das Nachsehen haben. Es ist ein wahres Glück für unseren Staat, daß er in Herrn von Puttkamer einen so schneidigen Parlamentarier besitzt, der außerdem sein Ressort so beherrscht, daß er alle derartigen unvermutheten Ueberfälle stehenden Fußes zurück- weisen kann. Denn solche Angriffe sind gemeingefährlich; sie reizen das Volk zum Hasse und zur Widerhaarigkeit gegen die Beamten auf. Wenn sie aber so treffend wider legt werden, schlagen sie allerdings auf die Opposition selbst zurück. Wie soll man diesen Volksvertretern fernerhin Glauben schenken, wenn man sieht, wie sie in ihrem leiden schaftlichen Haß gegen die bestehende Negierung suchen und hasten, um jeden Preis Waffen gegen dieselbe in die Hand zu bekommen, wie sie gierig zugreifen, wenn ihnen von irgend einer Seite irgendwelches Material für ihre Zwecke angeboten wird. Mit unverantwortlicher Leichtfertigkeit werden dann solche Histörchen vom Reichötagösaale aus unter das Volk gebracht, ohne daß zuvor die Zuverlässigkeit der Gewährsmänner und die Glaubwürdigkeit der von ihnen gebrachten Thatsachen geprüft worden wäre. Man muß sich nur über eins wundern, daß nämlich die Socialdemokraten, obwohl sie mitsammt ihren Genossen vom Freisinn der Regierung wie Spürhunde auf den Fersen sitzen, nicht mehr dergleichen Antlagematerial gegen dieselbe zusammengebracht haben. Das ist der beste Beweis dafür, daß das Gesetz auch seitens der Unterbeamten correct und human gehandhabt wird. Was aus dem Gesetz werden wird, läßt sich mit ziem licher Sicherheit voraus sagen. Einstweilen ist es auf den Antrag Windthorst's einer Commission von 21 Mann über wiesen worden. Der schlane Parlamentssuchs wollte wieder einmal Zeit gewinnen. Es ist ihm unbequem, gerade jetzt mit Rücksicht auf die neuesten kirchenpolitischen Vorgänge das Centrum offen vor die Entscheidung über das Gesetz gestellt zu sehen. Da hat er denn schleunigst seine bekannten Abänderungsanträge wieder hervorgesucht, von denen die hauptsächlichsten sind: Beschränkung des kleinen Belage rungszustandes auf Berlin, Verlängerung des Gesetzes nicht um fünf, sondern um zwei Jahre. Voraussichtlich wird das Gesetz auf weitere zwei Jahre verlängert werden, denn gegen die fünfjährige Dauer haben sich auch die National liberalen durch Marquardsen ausgesprochen. Wir würden unbedenklich auch einer fünfjährigen Verlängerung zustimmen. Denn wir haben die Ueberzeugung, daß wir ohne dies Ge setz am Rande eines Abgrundes ständen. Darum auch können wir es nicht als ein gegen das Gesetz zeugendes Argument ansehen, daß notorisch die Zahl der für die socialdemokratischen Candidaten abgegebenen Stimmen seit dem Bestehen des Gesetzes zugenommen hat. Wie würde das Verhältniß sich erst stellen ohne das Gesetz? Von diesem Standpunkt aus darf die Frage, ob das Gesetz von Nöthen oder vom Uebel ist, aber schon um deswillen nicht entschieden werden, weil ja Niemand weiß, wie es um un sere innere politische Lage stände, wenn wir das Gesetz nicht hätten. Man wird vielmehr die Frage so zu stellen haben: Bestehen die Voraussetzungen noch, welche seinerzeit das Ausnahmegesetz zur Folge hatten, oder haben sich unter dessen die politischen und socialen Verhältnisse derartig ge ändert, daß es überflüssig oder gar unzweckmäßig geworden ist ? Da wird man sagen müssen, wir brauchen das Gesetz auch fernerhin. Es wurde erlassen, um den socialdemo kratischen Aposteln in der Ausbreitung ihrer Irrlehren in den Weg treten zu können, die, ohne daß unser ganzes Staats wesen aus den Fugen ginge, einfach unrealisirbar sind, die aber auf den in drückenden materiellen Umständen lebenden Arbeiter, eben weil er nicht übersehen kann, daß dieselben Utopien sind, einen aufreizenden Lauber ausüben. Und die Agitationswuth der socialdemokratischen Führer hat nicht nachgelassen, ihre Theorieen sind keine anderen geworden. Die socialen Verhältnisse haben sich nicht derartig aufge- beffert, daß jene Lehren keinen geeigneten Boden mehr fänden. Wollte der Staat aber der agitatorischen Ausbreitung derartiger Anschauungen ruhig zusehen, so würde er geradezu einen Selbstmord begehen. Denn was sind die Ziele der Socialdemokratie? Minister v. Puttkamer hat dieselben scharf herausgehoben und keiner der secialdemokratischen Vorfechter hat ihm darin widersprochen. Erst gilt eö die Monarchie zu beseitigen und die Republik aufzuführen, dann beginnt der Umsturz aller bestehenden wirthschaftlichen, socialen und politischen Verhältnisse, d. h. der ganze ge ordnete Staatsorganismus krackt dröhnend zusammen. Daß wir zur Stunde auf diesem Wege noch nickt weiter vor geschritten sind, danken wir dem Socialistengesetz. Noch ist dasselbe unentbehrlich. (Dr. T.) Tagesnachrichten. Sachsen. Die erste Kammer nahm am 22. -Februar den bereits von der jenseitigen Kammer genehmigten, mit Zustimmung der königl. Staatsregierung aufgestellten Ge setzentwurf, demzufolge vom 1. April 1886 ab der Urkunden-