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458 Nichtamtlicher Theil. ^5 29, 5. Februar. er in Bezug auf die jetzigen immensen Forderungen der Setzer- und Druckergchilfen und Maschinenmeister seinen Drucker, Hrn. Wiede, beauftragt hat, alles zuzugestehen, da er beabsichtige, „die Hälfte der aus der Preiserhöhung resultirenden Mehreinnahmc für diesen Zweck zu opfern". In Nr. 1 des neuen Jahrganges der „Gartenlaube" sagt nun Hr. Keil ausdrücklich, daß et mit der Erhöhung des Preises um 1 Ngr. vierteljährlich nur der Nothwendigkeit weiche und kein „Ge schäft" beachsichtige, sodann in den Ruf ausbrechcnd: „Wird das unsere Liebe stören?" — Wenn nun Hr. Keil nach seinen eigenen Worten kein Geschäft mit dem Preisaufschlag macht, weshalb ver- I weist er dann die Wiede'schen Setzer- und Druckergchilfen, deren Liebe er gleichfalls nicht stören will, auf die Mehreinnahme, die aus dem Aufschlag erwachsen soll? Und wie hoch soll sich dieser Gewinn belaufen, angenommen, daß ein solcher sich überhaupt ergibt, daß also Hr. Keil in jener an das Publicum gerichteten Anzeige sich ge irrt hat. Oder meint etwa Hr. Keil die Hälfte der Brutto-Mehr- cinnahme, d. h. 2 Ngr. jährlich pro Exemplar, resp. bei der von ihm selbst auf 310,000 Exemplare angegebenen Auflage, 20,666 Thlr. 20 Ngr. jährlich den Verbands-Gehilfen der Wiede'schen Druckerei opfern zu wollen? Die meisten jener Zeitschriften, welche mit ihrem Preise in die Höhe gegangen sind, haben bekanntlich in gerechter Würdigung des Satzes, daß Ein Recht für Alle gilt, einen angemessenen Theil des Preisaufschlags zur Aufbesserung des Buchhändler-Rabatts ver wandt. Hr. Keil aber spricht in seiner dem Buchhandel gewidmeten, sehr lakonischen Preiserhöhungs-Anzeige vom 27. Dccember v. I. überhaupt nicht von „Rabatt". Er überläßt es dem Buchhändler, auch fernerhin für den kärglichen Betrag von 4—5 Ngr. vierteljähr lich die dreizehn Nummern der „Gartenlaube" zu expedircn und aus tragen zu lassen, die Abonnements-Gelder einzucassiren und noch die Fracht- und Emballage-Gebühren zu bezahlen von fast fünf Pfund jährlich pro Exemplar, denn soviel beträgt das Gewicht eines Jahr gangs der „Gartenlaube". Der deutsche Sortimcntsbuchhändler hat nun also nach Hrn. Keil's Auffassung sich nicht an den „erhöhten Lohnforderungen der Arbeiter aller Art" (Hrn. Keil's eigene Worte in der betreffenden Anzeige in Nr. 1 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube") zu betheiligen, ebenso wenig wie Hr. Keil es für angemessen erachtet, Angesichts der gegenwärtigen Sachlage dem einmüthigen Zusammen gehen der Buchdrucker sich anzuschließcn. Ob Hr. Keil aber der Ar beit der deutschen Sortimentsbuchhändler, oder der Arbeit der Sctzer- und Druckergchilfen mehr zu verdanken hat, wollen wir hier nicht weiter beleuchten. Hr.-Keil scheint sich zum mindesten keine Gedan ken darüber gemacht zu haben; aber jetzt will er vor allem die Liebe der Setzer- und Druckergehilfen nicht stören. Von der Arbeiterpartei veröffentlicht, wird übrigens Hrn. Keil's jetziges Vorgehen zu einer prächtigen Reclame für die nach ihrem neuesten Prospect „zum Aufschwungs des Nationalsinncs, zur Kräftigung der Freiheitsbestrebungcn und der Aufklärung nach allen Seiten hin so mächtig beitragende »Gartenlaube«", und Hr. Keil wird unter der strikelustigen „Arbeiter"-Bevölkerung gewiß manchen neuen Abonnenten finden. X. Erfahrungen eines Büchcrkäufcrs. Jemand, der die Bücher liebt, dem sie Gesellschafter und Freunde sind in heiteren und trüben Stunden, hat uns jüngst Klage über arges Unrecht geführt, das seit den letzten Jahren den Zierden der deutschen Literatur in immer steigenden! Maße zugefügt wird. Die Toilette, in welcher sich uns die Werke präscntiren, welche den Stolz der Nation bilden, wird von Tag zu Tag ihrer Bestimmung weniger würdig. Die bnchhändlerische Speculation, der Wetteifer, Wohlfeiles zu bieten, scheint sich jeder künstlerischen Rücksicht, jeder Pietät zu entäußcrn. Nicht als ob etwa schlichte, aber lesbare Aus gaben veranstaltet würden. Vielmehr täuscht der Band den flüch tigen Blick durch ordinäre Pracht, während die innere Ausstattung von höchster Dürftigkeit ist. Wer auf Schönheit des Druckes, Weiße des Papiers und Freigebigkeit des Baumes Anspruch macht, mag Wanderungen anstellen, um durch einen Zufall eine ältere Auflage zu finden. Es geht ein brutal geschäftlicher Zug durch diesen Zweig des deutschen Buchhandels, der nur auf den Massenverkauf berechnet ist, während doch selbst dem minder Bemittelten Besseres geboten I werden könnte, wenn dafür auf die gleißende Außenseite verzichtet würde. Wir entnehmen den Aufzeichnungen des Bücherfreundes, von dem wir gesprochen, folgende beim Ankäufe einer Bibliothek gesam melten Erfahrungen: Uhland: Dramen und Gedichte in Einem Bande. Die herr lichen Verse befinden sich auf faserigem, gelblichen!, durchschlagendem Holzpapiere. Dagegen sind Rücken und Seiten des Einbandes mit Gold überladen, wozu sich noch Goldschnitt gesellt. Die Ausgabe ist ein Muster typographischer Häßlichkeit. Einen wohlthuenden Kon trast hierzu bilden übrigens Uhland's Dichtungen selbst. Goethe: Die frühere schöne Ausgabe in 30 Bänden fehlt bereits gänzlich. Von den übrigen Ausgaben hat die eine große, dicke Bände mit kleinem, engen Druck. Wer das Werk für ein Ge schenk kaufen wollte, müßte für die unhandliche Form ein Lesepult und für den unleserlichen Text eine Loupe beifügen. Die andere Ausgabe hat zwar großen Druck und hübsches Papier, aber unver- hältnißmäßig schmale Ränder; überdies sind aus Ersparungsrück sichten zwei Bände zusammengebunden, was sich unglaublich plump macht. Man kann sich Geschmackloseres kaum denken. Schiller: Hat einige bessere Ausgaben, die aber wieder theuer geworden sind. Die lesbaren sind nicht billig, die billigen nicht les bar. Der Verleger der letzteren scheint von Augenärzten subven- tionirt zu werden. Börne, als Miniatur-Ausgabe angekündigt. In Mini atur-Ausgaben ist man gewöhnt prachtvolles weißes Papier zu finden, breite Ränder, schönen Druck — kurz, angenehme Ausstat tung. Hier ist wohl der Einband bestechend, inwendig aber findet man kleinen, engen Druck, den Raum zwischen den Zeilen gleich Null und schmalen Rand. Die Gesammt-Ausgaben von Heine, Freiligrath, Körner, Hebbel, Spielhagcn u. s. w. werden immer armseliger, während die schönen Original-Ausgaben nicht mehr zu haben sind. Diese charakterisirenden Daten legen zur Genüge das Schick sal dar, dessen sich unsere literarischen Meisterwerke seitens des Buchhandels erfreuen. Wie ein Blick auf die Ausgabe französischer und englischer Classikcr zeigt, unterscheidet sich der deutsche Bücher markt neuester Zeit sehr ungünstig von dem der erwähnten Nationen. Der Buchhandel, der den geistigen Verkehr des Autors mit dem Publicum vermittelt und durch seine Verleger zuweilen fördernden Einfluß ans die Schaffenslust der Schriftsteller nimmt, legt sich ja eine exceptionellc, vornehmere Stellung im Reiche des Handels bei. Um so größer sind die Anforderungen, die an ihn gestellt werden können, und man darf die Erwartung hegen, daß eine wohlthätigc Reaction sich einstellcn und der deutschen Lesewelt die Blüthcn ihrer hervorragenden literarischen Geister wieder in nicht prunkender, aber edler und würdiger Form bringen werde. Ist ja doch auch das geschäftliche Interesse des Buchhandels dabei engagirt, denn ans die Dauer wird die Vernachlässigung der Büchertoilette die Kauflust des Publicums nicht aneifern, sondern ganz entschieden ab- schrecken. — cku. (N. Freie Presse.)