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vvrsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. >55. 7. Juli 1916. Gott hat mir wenigstens i» solchen Dingen, die auch mein ewig Heil berührten, immer befohlen, zu streiten, wenn ich litt! So werde ich Wohl nach dem Krieg noch ein letztes Mal für den geliebten Berufsstand streiten, vielleicht erwächst dann wenig stens D i r ein Nutzen daraus, wenn Tu gesund wiederkonunst. Immer aufs neue: »Glück aus!« Tein Vater. Schattenrisse deutscher Antiquare. Persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1870—1915. Von Max Zieger t. (Schluß z» Nr. ISA 154.) Aus Süddeutschland nach Norddeutschland! Auf Stuttgart — Berlin! — Und doch nicht ohne Übergang, denn die beiden älteren Gebrüder Meder, die die Berliner Kunsthandlung Amsler L Rut Hardt erwarben, stammten aus Heidelberg, ans dem gleichnamigen dortigen Geschäft. Charakteristisch für den Kunsthandel ist. daß die Gründer der Geschäfte mehrfach aus Künstlcrkreisen hervorgegangen sind. So war Amslers Vater ein geschätzter Linien-Stecher. ebenso Sagcrl in Berlin. Ter Onkel der beiden Meder, Carl Meder, war der erste Verleger von Menzels »Mit Pinsel und Schabeisen«. Von den älteren Brüdern Meder habe ich nur den noch lebenden Louis kennengelernt, jetzt der Seniorches des Hauses und Preußischer Hof-Kunst händler. Er verbindet süddeutsches Wesen mit Berliner Schärfe; Klarheit der Anschauung und Treffsicherheit des Urteils zeichnen seine stets anregende Unterhaltung aus. Ein hochragender Mann. Ende der Sechzig, bedeutende Züge mit feurigen Augen unter buschigen Brauen, durch die Hornbrille den Sprecher scharf fixierend. Er liebt ein Wort zu sagen, das den Nagel auf den Kopf trifft, und einen sitzenden Hiob auszuteilen, macht ihm Freude. Er erinnerte mich immer an den grimmen Hagen. Na mentlich damals, als er am Spätabend in der Halle des Hotels Marquardt in Stuttgart stand, di« Zigarre rauchend, und dem Ausgang der Gutekunstschen Gäste sarkastisch zusah. er der einzige, der wegen einer damals eingetretenen Spannung zwischen Direktoren und Händlern, die Festfeier betreffend, der Einladung nicht gefolgt war; der Hecht im friedlichen Karpfen teich der Kunslantiquare. Und doch ist er beim Wein, hierin ebenso Fachmann wie bei den Stichen, anregend plaudernd und unterhalllich. — Das umfangreiche, moderne Geschäft von Amsler L Ruthardt umfaßt im eigenen Hause die Parterre-Räume für das Ladengeschäft, während der erste Stock mit seinen Zimmerfronten dem Antiquariat und den Auktionsräumen dient. Meist finden jährlich zwei bis drei Versteigerungen in diesen Räumen statt, die sowohl alte wie moderne Graphik und ebenso Handzeichnungen umfassen. Ten Berliner Künstlern und na mentlich auch Klingers Werken wird besonderes Interesse ge widmet. Louis Meder ist eng befreundet mit dem großen Leipziger Künstler, beider Weinberge -bei Naum burg stoßen aneinander. Louis Meder hat sich dort hin zurückgezogen auf seinen Alterssiy. An einem be wölkten Abend, als ich mit ihm auf den Hasenberg bei Stuttgart ging, gestand er, daß er wenig Interesse mehr an Kupferstichen habe, das Einzige, was ihn noch ergreif«, sei die Natur in all ihrer herrlichen Erscheinung und eine gute Musik. Er hatte den Franz Schubert-Roman »Schwammerl« von Bartsch gelesen, und ich war überrascht, wie warm er davon sprach. — Sein Neffe Carl Meder, aus des Onkels Schule hervorge gangen, führt jetzt das Kunst-Antiquariat; dessen Bruder, der bis herige Leiter des Sortiments, starb im jetzigen Krieg den Hel dentod ; ein Sohn ist ebenfalls im Geschäft. Ist bei Amsler L Ruthardt Großbetrieb nach allen Rich tungen, so war das bei Joachim Sagerl in Berlin nicht der Fall. Der Vater Sagerts, ursprünglich ein tüchtiger Kupferstecher, hatte später eine Kunsthandlung gegründet in der Leipziger Straße; der Sohn verkaufte die moderne Handlung nach der Übernahme, um sich seiner Neigung entsprechend nur dem An tiquariat zu widmen, und auch das trieb er von amore, allein, ohne jede Hilfe, besuchte Auktionen, hatte eine treue Kundschaft 8S4 und gab in ziemlichen Zwischenräumen Preis-Kataloge heraus. Lagert hatte bei den Garde-Grenadieren in Berlin gedient, und etwas Soldatisches lag über dem großen, prachtvoll gewachsenen Mann. Dabei war er von ritterlicher Höflichkeit und von dank bar fröhlichem Gemüt. Er starb, Wohl kaum ein hoher Fünf ziger, von allen die ihn kannten, geschätzt und betrauert. Als ebenbürtiger Dritter im Bunde, neben Gaiser und Meder, ist H a n s B o c r n e r in Leipzig zu nennen, der Jüngste von ihnen, auf den (mit Carl Meder) deshalb vielleicht die Zu kunft am meisten zu setzen hat. In dem neuen schönen Geschäfts lokal an der Universitätsstraße kommt Boerners künstlerische Art der Aufmachung ganz anders zur Geltung als im früheren Geschästshause in der Nürnberger Straße; eine der letzten Boer- nerschcn Versteigerungen, die der Mcycrschcn Handzeichnungcn- Sammlung aus Hamburg, hatte einen Riesenerfolg — jetzt haust seit einem Jahre die Kriegsfürsorge i» diesen künstlerischen Räu men. Über die mir so sehr shmpathische Persönlichkeit des Chefs habe ich mich oben schon geäußert. Von Leipzig nach Dresden fährt man nur zwei Stunden, also bitte »einsleigen« — ein kurzer Besuch. Ich lernte den Dresdener Kunstantiquar Franz Meyer, glaube ich, gele gentlich eines Besuches in Loschwitz kennen, schickte ihm dann einen kleinen Aufsatz über Ludwig Richter, und er besuchte mich später auf einige Tage in Wllrzburg. Dann sah ich ihn häufiger während einiger Wochen in Dresden. Geschäft und Junggesellen wohnung Meyers befanden sich in der abgelegenen Seminar- straße im ersten Stock. Vor dort führte mich Meyer bisweilen in eine italienische Weinstube, die er gern besuchte. Bei dieserGelegen- legenheit möchte ich die Anmerkung entflechten, daß ich gefunden habe, daß alle Kunslantiquare, mit Ausnahme Hans Boerners, einen guten Tropsen lieben, während dieses liebenswürdige Laster bei den Buchantiquaren weniger verbreitet ist. Ob es damit zusammenhängt, daß wir im Buchantiquariat viele jüdische Kollegen haben, während sie im Kunstautiquariat spärlicher ver treten sind? Franz Meyer war früher Kaufmann in Magdeburg (glaube ich) gewesen, hatte gesammelt und war erst als ein Vier ziger in den Kunsthandel eingetrete». Vorübergehend war er einige Jahre mit Heinrich Richter, dem Sohne Ludwig Richters, ge schäftlich verbunden gewesen und hatte sich dann auf das Kunst- antiquariat beschränkt. Jährlich gab er zwei sauber ausgestal tete Preis-Kataloge heraus und hielt «in gewähltes Lager alter Blätter. Auf den Auktionen war er seiner Aufträge halber und seiner herzlichen Art wegen ein gern gesehener Gast. Eine schlanke, etwas vornübergebeugte Gestalt, mit hängenden rosigen Backen, grauem Schnurrbart und ergrautem, langem gelockten Haar, etwas pielistisch angehaucht, weshalb man ihn in Stuttgart »den Aposchtel Meyer« hieß. Er verstand Richtersche Aquarelle täu schend zu kopieren, natürlich nicht um sie zu verkaufen, sondern sie zu seiner Freude schaffend. Nach seinem Tode kaufte Boerner das Geschäft und führte es in Gesellschaft mit Pöhle weiter, den moderneren Verhältnissen entsprechend, mit -dem alten Erfolg. Jetzt ist auch Pöhle, erst vierzigjährig, vom Schauplatz abge treten. Er war ein aus Boernerscher Schule herborgegangener Kunstantiquar mit einer seltene» Begabung für Qualitäten und ein persönlich liebenswürdiger Mensch. Auf seiner Villa, Schweizerstraße, beschaulich hausend sei im Vorllbergehen noch ein jüngerer Kollege genannt, Walter Gasch, der Schwiegersohn des alten Dresdener Kunsthändlers Clautz. Eine fidele sächsische Natur, deren Tätigkeit sich drei Seiten gleichzeitig zuwendet, der Gartenkunst, -der Tauben- und Hühnerzucht und dem Kunstantiquariat. — Auch Heinzel- mann, in Firma Sachse L Heinzclmann in Hannover, darf nicht unerwähnt bleiben. Er gibt zwar keine Kataloge heraus und veranstaltet keine Auktionen, aber er besuchte, in früheren Jahren wenigstens, die Kunst-Versteigerungen desto eifriger, und sein Absatzgebiet erstreckte sich Uber ganz Niederdeutschland, auch war er einer der ersten, die sich mit dem antiquarischen Verkauf moderner Graphik befaßten, eine sehr syurpathische nord deutsche Natur geruhigen Wesens und starker Spazierläufer. Auch Wien muß ich auf einen Sprung nochmals streifen. Man kann nicht von Kupferstichen und Kunsthändlern reden, ohne des Hauses Artaria L Co. zu gedenken. In Mannheim