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^ obereren 'Raum kostet 30 >pf. söc-t^igenen Anzeigen zahlen « Mitglieder für die Aeile 1L> 1)f.. für >/, 6. 32 M. statt 3S M.. « —eller ' Zr-. 155 MlAMamd^MrstW'erÄrMerSMNenD'W Leipzig, Freitag den 7. Juli 1916. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Der Krieg und die Zukunft des christlich nationalen Buchhandels. Kriegsbrief eitles katholischen Laienbuchhändlers. Lieber Sohn! »Arbeiten — nicht verzweifeln!«, das ist also Deine gegen wärtige Kriegslesung?! Er schreibt nicht ganz leicht verständ lich, der große Schotte, der ein einflußreicher Verbreiter deutschen Geistes in England war, aber packend wie der Titel der Auswahl von Langewiesche, aufwärts- und vorwärtsreitzend empfand ich alles, was ich bisher von ihm flüchtig las. Es sind heute just zwanzig Jahre, daß ich meiire letzte Ge hilfenstelle in der Schweiz verließ, um mich selbständig zu machen. Als treuer Katholik erzogen, konnte es nicht anders sein, daß ich mit dem Eintritt in die selbständige Verantwortlichkeit auch dem katholischen Buchhandel nähertrat, nachdem ich fast ein ganzes Jahrzehnt im allgemeinen Gelehrtenbuchhandel zuge bracht hatte. Ich trat mit so kindlicher Unbefangenheit in das katholische Leben «iii, daß es nicht ausbleiben konnte, daß mich anfangs die Schatten, die auch hier neben strahlendem Licht bestanden, erschreckten und verwirrten; und wie ein reiner tumber Tor glaubte ich gleich — soweit die Mängel den Büchervertrieb be trafen — das Schwert gegen sie ziehen zu müssen. Denn wir Menschen, besonders wir Deutschen, sehen am Gegenstand unserer Liebe alles Störende besonders scharf. Zäh wie eine Katze Lin ich nun einmal, und so habe ich als einsamer Kämpfer zwanzig Jahre um Ziele und Wege ge kämpft, die ich für notwendig hielt, damit wir katholischen Buch händler unsere Aufgabe besser und ehrlicher erfüllen konnten. Manch einer hat mir in aller Heimlichkeit dankbar die Hand ge drückt, aber im Grunde stand ich doch ganz allein itr den bitter sten Stunden; da biß ich die Zähne aufeinander, stellte meine Entschließungen ganz vor Gottes Angesicht, und so fühlte ich mich denn am stärksten allein mit dem, der die Reinheit meiner Absichten am besten zu durchschauen vermochte. Gewisse Kriegserlebnisse haben nun aber doch eine gar nicht zu meinem Wesen passende Gleichgültigkeit in allen diesen Din gen in mir übermächtig werden lassen, aus denen mich erst Dein »Arbeiten — nicht verzweifeln« wieder geweckt hat. Und das zur guten Stunde! Denn ich sage Dir, wenn es seit der Glaubensspaltung in Deutschland je einen Augenblick gab, in dem die Stunde des christlich-nationalen Buchhandels wieder kommen könnte, so ist es heute! Du weißt, daß ich in den ersten zwölf Jahren meiner Selbst ständigkeit keinen männlichen Lehrling erzog, um keinen in diese unerquicklichen und unlohnenden Verhältnisse zu stürzen; Du weißt auch, daß wir uns mit Händen und Füßen wehrten, in einem von euch drei Knaben den Gedanken groß werden zu lassen, es solle einer das Geschäft übernehmen, aber jetzt beginne ich anders zu denken. Soll es aber wirklich anders werden im neuen Deutschland, so mutz noch hart an hart sich reiben! Und hart gegen uns, hart aus Unkenntnis und Selbst sucht, waren in den letzten Jahrzehnten jene Machthaber, in deren Dienst wir gern Gutes gewirkt hätten, wenn man uns nur ehrlich den nötigen Nährboden gegönnt hätte: Staat und Kirche! Ich habe schon gegen diese Dinge angekämpft, als ich sie noch nicht so eindringlich am eigenen Leib« verspürte, als jener »einäugige« Gelehrte noch nicht sein Buch geschrieben hatte, in dem er den tragischen Tod meines einen Lehrchefs zu Unrecht als wirkungsvolles Kampfmittel gegen den Buchhandel benutzte. Damals begannen auch meine besonderen Leiden. Schmunzelnd hatten gewisse werdend« geistliche Massenführer jenes Buch gegen den Buchhandel gelesen, und es gab ihnen Mut, die Skla venpeitsche des modernen Wettbewerbs uns klatschend um die Ohren zu hauen! Die Überanstrengung warf mich nieder, aber noch in meine Krankenstube, die nach dem Universitätshof lag, drang der schrille Ruf: »Gewerbefreiheit! Gewerbefreiheit! Ausschaltung des verteuernden Zwischenhandels I« Ich kam im Jahre 1903 in eine Versammlung des Windthorst- bundes, da hörte ich mit an, wie ein »sozialer« Geistlicher einen Teil auch meines Arbeitsfeldes an das Großkapital gegen das Versprechen einer Entschädigung in Geld vergeben wollte, da mit man später mit diesen Silberlingen selbst ein Bücherunter nehmen beginnen könne. Damals trat der Versucher oft mit der Frage an mich heran: »Wie kann man nur so viele Kinder haben, wo der Staat den kleiiren sicheren Gewinn als Bücher-Rabatt verlangt und christ liche Vereine ihre Macht benutzen, den Buchhandel wie eine Zitrone auszuquetschen?!« Auch der Krieg hat es uns gelehrt, daß ein wahrer Kern in jenem neu ans Licht gestellten Gesetz des modernen Philosophen ist: »Diese neue Tafel, o meine Brüder, stelle ich über euch: Werdet hart! — hart gegen euch selbst, hart auch gegen andere, aus Liebe! Du sollst den Nächsten lieben als dich selbst — darum auch ihn opfern, wie dich selbst, für die gute, große Sache!« Ich habe auch Geistliche sagen hören: »Unsere Sache ist so groß, so wichtig, daß wir ruhig über ein Dutzend von euch Kleinen hinwegschreiten dürfen!« Haben sich diese aber nicht auch oft getäuscht?! Haben sie nicht mehr als einmal trotz bester Absicht Wohltätigkeits- und Vereinsgelder nutzlos verpulvert und Existenzen gefährdet, aus denen mehr Blüte und Frucht aufgegangen wäre als aus ihren Gründungen?! Der moderne Philosoph ist schon manchem zu einem Anti christen geworden, schon weil man ihn oft falsch verstand, wo er es recht meinte! Es ist jetzt noch nicht Zeit -für uns, ans Werk zu gehen, aber gerade die Kriegszcit droht dem Laienbuchhandel wieder mit neuen Gefahren in der angedeuteien Richtung. Allerhand Neu bildungen sind durch ihn bereits wieder im Worden. Darum sei es heute schon ausgesprochen: Wir werden nach dem Kriege vor Staat und Kirche stehen und sagen: Wir wollen im neuen Deutschland selber besser, ehrlicher, reiner werden, als wir im alten es waren, wir konnten esja oftnicht sein, wollt ihr uns dazu helfen — ehrlich und treu?! Lieber Sohn! Wenn man bald fünfzig ist, lebt man nicht mehr für sich, sondern für die kommenden Geschlechter. Für uns selbst haben die meisten von uns sich mit den Verhältnissen inner lich abgefunden. Ein jedes Schicksal kommt von Gott, aber der 893