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213, 13. September 1899. Nichtamtlicher Teil 6527 Nichtamtlicher Teil. Urheberrecht als Bestandteil und Ausstich des Eigentumsrechtes an Geisteswerken. Zugleich als Erwiderung auf die in Nr. 205 des Börsenbl. gebrachten Einwendungen. (Vgl. auch Börsenblatt Nr. 162, 163, 165, 168, 171, 172, 175, 176, 177, 179, 180, 181, 182, 185, 187, 189, 190, 192, 193, 195, 198, 19», 201, 2«5.) Die in Nr. 205 des Börsenblattes enthaltenen Aus führungen G. Hölschers lassen erkennen, daß der Verfasser sich mit einem nachhaltigeren Schutz von Geisteswerken, als er seit 1870 bei uns gegolten hat, nicht befreunden kann. Verfasser führt hierfür die übergroße Zahl der neueren Rechts- lehrer an, die der Anerkennung des Eigentnmsbegriffes und des Eigentumsschutzes an nicht greifbaren Sachen ab lehnend gegenüberstehe, fügt aber hinzu, daß die Jurisprudenz des ganzen 18. Jahrhunderts den Schutz von Geisteswerken aus dem Begriff des Eigentums an solchen Werken ab geleitet habe. Der Umstand, daß man gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Anschauung verworfen hat, an der man ein volles Jahrhundert vorher unentwegt festhielt, spricht aber nicht unbedingt dafür, daß der frühere Standpunkt an sich unhaltbar sei, und läßt es auch nicht als Unmöglichkeit erscheinen, daß man im 20. Jahrhundert wieder einen anderen Standpunkt zu dieser Frage einnimmt. Bekanntlich hat die Wechselhaft zahlungssäumiger Wechselschuldner noch bis in unsere Tage hinein als Rechtsinstitut bestanden, bis sie einer- neueren Anschauung Platz machend wieder beseitigt wurde; die Berechnung eines höheren Zinssatzes für ausgeliehene Gelder, die bisher als ungesetzlich galt und eventuell als Wucher bestraft wurde, wird im kommenden Jahrhundert an der Hand unserer neuesten Gesetzgebung (Art. 39 und 47 Einführungs- gcsetz und Z 247 bürgerl. Gesetzbuchs) eine andere Beurteilung erfahren. Unzweifelhaft ist das Urheberrecht in dem Augen blicke, in dem es zur Existenz gelangt, mit dem Eigentum an einer greifbaren Sache aufs engste verknüpft; es ist dies das Manuskript, in dem das Geisteswerk in substan tieller Verkörperung für jeden erkennbar zum Ausdruck ge langt. Ohne diese materielle Unterlage könnte von einem Eigentumsrecht und von einem Schutz von Geisteswerken überhaupt nicht gesprochen werden. Der Begriff »geistiges Eigentum« (besser ist Eigentum an Geisteswerken) hat somit auch nach außen einen in die Erscheinung tretenden körper lichen Gegenstand von bestimmter Form und Gestalt zur Unterlage, er schwebt nicht als etwas nicht Greifbares in der Luft. Rechte, die mit dem Eigentum an einem Gegenstände seiner Substanz nach verbunden werden, können aber nicht anders denn als Bestandteile dieses Gegenstandes gelten. In dieser intimen sachlichen Beziehung zum Manuskript als substantiell verkörpertem Geisteswerk erscheint denn auch das, was man heute als »Urheberrecht- bezeichnet, als der par tielle Ausfluß einer Befugnis, die sich aus dem geschaffenen, für jedermann erkennbar in die Erscheinung tretenden greif baren Sachgegenstande, dem Geisteswerke selbst herleitet. Es sei auch bemerkt, daß in unserer deutschen Reichsverfassung noch von einem »geistigen Eigentum« die Rede ist, daß der Eigentumsbegriff an Geisteswerken bis in die siebziger Jahre hinein in Deutschland (wie zur Zeit noch in anderen Ländern) gang und gäbe war, daß, wenn auch das Gesetz vom 11. Juni 1870 an Stelle des »Eigentümers- eines Geisteswerkes den »Urheber« setzte, trotzdem bis auf den heutigen Tag vom Eigentum an Geisteswerken im Volke gesprochen und darunter mehr als ein bloßes Abdrucks und Vervielfältigungsrecht verstanden wird. Wenn G. Hölscher auf Seite 6289 des Börsenblattes erklärt: »Das sogenannte geistige Eigentum ist infolgedessen rein persön licher Natur, ein Recht, das nur durch den Willen des Ur hebers zu einem Vermögensrecht gemacht werden könne«, so giebt er damit wörtlich die auf Seite 56 Note 7 zu tz 3 des Urheberrechtsgesetzes von Professor Allfeld in dessen Kom mentar niedergelegte Ansicht wieder, der an anderer Stelle (Seite 40 Note 4 seines Kommentars) wiederum selbst zu- giebt, daß »der Inhalt des Urheberrechtes im Gesetz selbst nicht erschöpfend bezeichnet werde, daß das Recht der aus schließlichen Vervielfältigung, das dem Urheber im Gesetz zu gesprochen werde, nur eine der Funktionen sei, in der das Urheberrecht sich äußere«. Ungeachtet des von Allfeld ver tretenen Standpunktes, daß das Urheberrecht kein Vermögens recht, sondern ein an die Person geknüpftes Recht sei (andere neuere Rechtslehrer stehen auf anderem Standpunkte, so z. B. Köhler, der das Recht des Eigentümers am Geisteswerke ein Jmmaterialgüterrecht nennt, Kowalzig und Schuster, die es als ein dem Eigentum gleiches Recht bezeichnen), er kennt aber auch Allfeld (Seite 12 Einleitung) an, daß erst unsere neuere Gesetzgebung an die Stelle des geistigen Eigen tums (besser: des Eigentumsbegriffes an Geisteswerken) das Urheberrecht gesetzt hat, »über dessen rechtliche Natur die Meinungen gewaltig auseinandergehen«, daß ferner: »die aus dem Widerstreite der verschiedenen Ansichten sich ergebende Schwierigkeit einer endgil- tigen Lösung dahin geführt habe, daß die natürliche Grundlage des Urheberrechts über haupt geleugnet und behauptet wurde, es existiere ein Urheberrecht nur insoweit, als der Gesetzgeber den Autor eines Geisteswerkes gegen Nachdruck schütze; an und für sich und aus allgemeinen Grundsätzen lasse sich ein Schutz an Geisteswerken überhaupt nicht konstruieren«. Lediglich als Ergebnis jenes Widerstreites der bis heute vertretenen verschiedenen Ansichten über die Natur des Rechtes an Geisteswerken stellt sich die von G. Hölscher fälschlich als Standpunkt der übergroßen Zahl der Rechtslehrer bezeichnte Auffassung dar, das Urheberrecht sei seinem Inhalte nach nichts weiter als ein reines Verbietungsrecht. Dabei wird indes die positive Wirkung, die das Recht an einem Geisteswerk für dessen Schöpfer äußert, vollständig übersehen, bestehend in der eigentumsgleichen ausschließlichen Behandlung und Verfügung über den Gegenstand, die Zulässigkeit der Einräumung von Nutzungsrechten am Werke an dritte, sei es mit oder ohne vollständige Ausgabe der im Urhebereigentum liegenden Befugnisse. Auch Allfeld muß trotz des von ihm vertretenen Standpunktes, daß das Urheberrecht (nach der zur Zeit bestehenden Gesetzgebung) nur ein absolutes Verbietungs recht und nichts weiter sei, dennoch zugeben (Seite 18, Ein leitung), »daß die praktische Bedeutung des Urheber rechtes« — und auf diese kommt es bei Fassung neuer Gesetzentwürfe hauptsächlich an — wesentlich nach der ver mögensrechtlichen Seite hinneigt, und »daß die in dieser Materie ergangenen und ergehenden Gesetze vorwiegend die Aufgabe haben, der geistigen Produktion den verdienten Lohn zu sichern«. Es ist also die von G. Hölscher in Widerspruch mit den vom Unterzeichneten gebrachten Ausführungen über die rechtliche Natur des Rechtes an Geisteswerken gebrachte Behauptung: »Das sog. geistige Eigentum sei uach dem Standpunkt der übergroßen Zahl der Rechtslehrer nichts anderes als ein Verbietungsrecht« an sich unrichtig. Hölscher hätte, wenn er korrekt sich ausdrücken wollte, sich nur dahin äußern können: Die Meinungen über Natur, Inhalt und Umfang des Rechtes an Geisteswerken gehen noch heute in den Kreisen der Rechtslehrer weit auseinander. Insoweit in unserer zur Zeit bestehenden Gesetzgebung ein Recht an 869»