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Redaktioneller Teil. 219, 2l. September 1915. alle Anregungen willkommen wären, durch die der Blichcrabsab gegenwärtig und nach dem Kriege gefördert werden könnte. Indem wir usw. Wir beginnen, eine Kritik der hier gegebenen Anregungen den Lesern überlassend, zwanglos in der Reihe des Eingangs mit dem Abdruck der uns übermittelten Antworten, dem sich aus gleichem Anlaß hervorgegangene selbständige Artikel über verwandte Themen anschließen sollen, die wir der Übersichtlichkeit wegen unter die von den Autoren gewählten Überschriften stellen werden. Obwohl nicht verwöhnt durch allzu großes Entgegen kommen in der Erfüllung von Wünschen um Mitarbeit, möchten wir doch die Bemerkung nicht unterlassen, daß in diesem Falle eine Rücksichtnahme auf die Bitte der Redaktion, sich zu diesem Thema zu äußern, auch ein Akt der Höflichkeit gegen die Schrift steller wäre, die sich der Mühe einer Antwort unterzogen haben. I. Ich glaube, daß es keiner besonderen Veranstaltungen be darf, um gerade zu Weihnachten in diesem Kriegsjahre ein gutes Buch unserem Volke als das schönste und beste Weihnachts geschenk erscheinen zu lassen. Denn mehr als je sehnt sich unser Volk draußen im Felde und zu Hause, mitten aus dem immer schwerer werdenden Wirtschastskampfe heraus nach Einkehr und Sammlung, nach Trost und Erhebung, wie sie nichts so sehr wie ein gutes Buch zu gewähren vermag. Daß dem so ist, könnte vielleicht durch eine Erklärung aus den Reihen derer öffentlich gesagt werden, die an ernsten Tagen ihres Lebens diese Erfah rung selbst gemacht haben, und ein möglichst gemeinverständlicher Inhalt einer solchen Erklärung könnte vielleicht von berufener Seite entworfen oder durch ein (kurzfristiges) Preisausschreiben gewonnen werden. Für eine Reihe von Büchern wird aber auch während und nach Ablauf dieses Krieges, trotz noch so erheblicher Verschlechte rungen der wirtschaftlichen Lage, das Interesse nicht nur bestehen bleiben, sondern vielleicht erheblich wachsen. So für unsere Klassiker und diejenigen Dichter, Schriftsteller, Philosophen und sonstigen Vertreter des deutschen Idealismus, die besonders zum Herzen oder zum nationalen Empfinden des deutschen Volkes sprechen, wie, neben Lessing, Schiller und Goethe, auch Kleist, Körner und Wildenbruch, Fichte, Schleiermacher und von Neueren Eucken. Aber auch alle die Geschichtschreiber und sonstigen Schrift steller, aus deren Schriften sich unser Volk, das heute so groß dasteht, über seinen Werdegang, seine besondere Stellung unter den Nationen, seine Kulturmission, seine großen Männer, Führer und Helden unterrichten kann, werden gerade in dieser Zeit seinem Herzen besonders nahestehen, so neben Ranke, Shbel, Trcitschke Gustav Frehtag in seinen Bildern aus der deutschen Vergangen heit und Bismarck in seinen Reden und in seinen Erinnerungen. Auch die Roman- und Memoiren-Literatur aus Deutschlands Kultur-, Entwicklungs- und Kriegsgeschichte wird ebenso leben digem Interesse begegnen wie eine Reihe von Schriften aus der deutschen Kunst- und Literaturgeschichte und von neuen Auflagen deutscher Heldensagen, so des Nibelungenlieds u. a. m. Endlich werden auch Schilderungen dessen, was unser Volk in diesem Kriege nicht nur im Schützengraben, sondern auch in feiner wirtschaftlichen Organisation geleistet hat, einen großen Kreis dankbarer Leser finden, und dem gleichen Interesse dürften auch die Schriften begegnen, die sich über die Leistungen un serer Gesamtwirtschaft in der Vergangenheit, über ihre zukünftige Entwicklung und ihre Aufgaben und über die notwendigen Wege, wie den Inhalt, Zweck und Ziel künftiger Handelsverträge, sowie über die bisherige und zukünftige Entwicklung unseres Heeres und unserer Kriegs- und Handels-Flotte aussprechen. Sich in dieser Weise dem lebhaft gesteigerten Interesse unse res Volkes an seinem Werdegang und seinen zukünftigen Auf gaben anzupasfen, wird eine dankbare Aufgabe für den deutschen Buchhandel und die deutsche Verlegerwelt sein, die sie sicherlich in glänzender Weise lösen wird. Berlin. 128H II. Es wird allgemein geklagt, daß gute Bücher sich schlechter als geringe verkaufen, und die literarische Kritik geht oft mit Er scheinungen, die hohe Auflagen haben, recht grimmig ins Gericht. Auch das Publikum ist manchmal nachträglich über den Schund enttäuscht, den es gekauft hat. Meines Erachtens liegt dies zum großenOLeil daran, daß Schriftsteller und Verleger sich schlecht aufs Reklamemachen verstehen. Sie sollten bei den Modegeschäs- ten in die Schule gehen und gleiche Mühe für das Beste verwenden, das sie erzeugten. Die Tageszeitungen sollten ferner — nament lich die Lokalpresse — urteilsfähiger Vorgehen und nicht für die Dinge wirken, die für das sogenannte »große Publikum« sich eig nen, also Schund sind, auch nicht Feuilletonisten Gelegenheit geben, über gute Sachen schlechte Witze zu reißen oder ein ernstes Werk anzuschnoddern, sondern sich für die Verbreitung gediegener Schriften ins Zeug legen. Drittens aber müßte der Sortimenter so weit herangezogen werden, daß er sein Geschäft nicht nur als Kaufmann, sondern als Berater seiner Klienten auffaßt und auf fassen muß. Jeder Delikatessenhändler weiß über seine Eßwaren Bescheid, jeder bessere Antiquar über seine Altertümer, es ist ge schäftlich grundfalsch, daß der Buchhändler nur selten Bescheid weiß über die Waren, die er verkauft. Auf Kataloge gebe ich nicht viel, man blättert sie kaum durch. Die Zeitung und der münd liche Rat des Buchhändlers sind es, auf die das Publikum meist angewiesen ist. Diese richtig zu beeinflussen, scheint mir für jedes Werk die notwendige Aufgabe, deren sich Verleger wie Autor (wenn auch letzterer in beschränkterem Matze) unterziehen müssen. Dabei müßte ein besonderes Augenmerk auf die Auslagen der Buch händler gerichtet werden. Die ausländischen Mittelmäßigkeiten sind Wohl zum großen Teil verschwunden, aber von der eigenen Literatur wird Kitsch und Mittelware mit besonderer Liebe in den Vordergrund gerückt. Auch ältere Literatur — die ja an sich bekannt ist — erhält zu viel Platz. Um diesen wichtigen, allzu wichtigen Raum müssen Dichter und Verleger kämpfen. Nament lich in kleinen und kleinsten Städten, besonders jetzt, wo es gilt, einen Weihnachtsmarkt unter besonders schwierigen Verhältnissen zu erobern. Alexander von Gleich en-Rutzwurm. III. Ihre freundliche Anfrage weiß ich wohl zu würdigen; geht sie doch auf die geistige Zukunft des deutschen Volkes, die durch die Verbreitung des Buches so wesentlich gefördert werden kann. Einen »Artikel« darüber kann ich allerdings nicht schreiben, nicht nur weil meine Zeit jetzt bedrängt ist, sondern weil ich über die praktischen Fragen kein kompetentes Urteil habe, z. B. auch dar über, ob nicht durch billigen Massenvertrieb das Buch häufiger die Konkurrenz anderer Angebote und auch der Zeitungen zurück- drängcn könnte. Die Organisation des Bücher Vertriebs scheint mir wichtiger als die der Bücherproduktion durch Verleger, Herausgeber, Redakteure, die in den letzten Jahren vielleicht schon zu weit sich ausgedehnt hat. Die beste Schrift floß immer frei aus der Seele des Autors ohne fremde Anregung und Anpassung, und cs will mir scheinen, als ob das Seelen weckende und reini gende Kriegsgewitter auch hier gebessert und der freien Produk tion wieder mehr Bahn gebrochen hat. Dringend nötig aber finde ich eine neue Form der Bücherkritik; denn sicherlich haben jetzt Verleger und Sortimenter viel mehr zum Erfolg eines Buches beigetragen als die Besprechungen, deren Gunst und Ungunst, ja deren Erscheinen von allerlei Zufällen, Aufträgen, Beziehungen usw. abhängt! Vielleicht sollte hier das Beispiel von Pfarrer Traub Nachahmung finden, der einige namhafte Persönlichkeiten aufforderte, in seiner Zeitschrift einfach die Bücher zn nennen, die ihnen Eindruck gemacht oder empfehlenswert scheinen — ohne zeitraubende Besprechung und Begründung, die wahrscheinlich abgelehnt worden wäre. Wilmersdorf. Prof. Karl Joel. IV. Meines Erachtens müßte gegenwärtig die Propaganda für jene Bücher in den Vordergrund treten, die das Volk, den Sol daten, den Bürger und die Jugend auf die nahe große Zeit des Friedens vorbereiten könnten. Wir alle haben »ns zu wenig mit Justizrat Prof. vr. Rießer.