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Ein Beiblatt zur sächsischen Dorfzeitung. Redigirt unter Verantwortlichkeit der Verleger Heinrich und Walther. 43. Freitag, den 23. Oetober 1846. _ - ! ' Aus Freiberg. Freiberg bietet in seiner äußeren Einfassung ein treues Bild von dem inneren Geiste seiner Be wohner dar. Einen großen Lheil der Stadt sieht man noch eingeschlossen von jenen Mauem uyd Zinnen, welche, im Mittelalter erbaut, die Stadt von der Umgegend abschlossen und drohend dem Feinde-die Stirn boten. Aber immer mehr sinkt dieses veraltete Bollwerk zusammen, und schon kann die freiere Luft an einer ziemlichen Strecke nicht blos hineinlugen, sondern frank und frei die Stadt durchstreichen. Auf gleiche Weife erinnert auch die Denkart eines großen Theiles seiner Be wohner noch an vergangene Zeiten, und mancher Zopf sitzt hier so fest, daß man ihn möchte für einen unentwirrbaren Weichselzopf halten, aber bei einem anderen, wenn auch kleineren Theile regt sich doch auch ein freieres Streben zum Bes seren. Den Beweis dafür liefert der vor zwei Jahren durch den MathematikuS Hofmann gegrün dete Gewerbverein, welcher in dresen Lagen (11. Octbr.) sein zweites Stiftungsfest feierte. Zählt derselbe doch bereits über 150 ordentliche Mitglie der, eine Zahl, welche zwar im Verhältniß zur Zahl der Gewerbtreibenden allhier gering, für den Geist eines Theiles derselben aber immer bezeich nend genug ist. Auch hat er des Guten schon viel gewirkt. Er hat zwei Mal in der Woche seine Mitglieder zu Zusammenkünften veranlaßt, um theils Vortrage auS dem Gebiete der popu lären Physik, Chemie und Vaterlandßkunde anzu hören, theils über gewisse das Gewerböleben be rührende Gegenstände in freier Rede und Gegen rede sich auszusprechen; er hat durch Zeitungen und Anlegung einer Bibliothek so manche Kennt- nM verbreitet, in diesen Tagen endlich eine Aus stellung von Freiberger GewerbSerzeugniffen ver anstaltet und eine Fortbildungsanstalt für Gesellen gegründet. Von allen diesen Verdiensten gab unS der Rechenschaftsbericht seines obengedachten Grün, ders und Vorstehers am vergangenen Sonntag bei dem Stiftungsfeste Kunde. Nicht minder in teressant war aber am Abend die gemeinschaftliche Tafel, welche durch die verschiedenartigsten Toaste, deren Zusammenstellung uns hier zu weit führen würde, auch ihre geistige Würze erhielt. Von den gesungenen Liedern möge folgendes hier Platz finden: Mel.r Al- Noak au- dem Kasten war rc. Als Lamech hatt' sein Weib erkannt, Stellt' sich von Kindern allerhand, Bon Hirten, Geigern, Pfeiferlein, Zuletzt auch Lubaltain ein, Und fing als erster HandwerkSmann Die edle Zunft der Schmiede an. Die schmiedeten nun für und für Des Mannes und des Weibes Zier, Das Eisen zu des Mannes Wehr, . Das Gold zu edler Frauen Ehe, Und Ketten zu des Halses Schmuck, Doch auch zu freier Männer Druck. Und was des Menschen Witz erfand, Er nimmt dabei den Stahl zur Hand; Er fädelt nichts so feine ein, Ein Nadelöhr dabei muß sein. So braucht der Diplomaten Dunst Wohl ost des LubalkainS Kunst. 2a, selbst der Schreiber große Schaar Führt jetzo ihren Stahl fürwahr, Und schreibt damit, bald grob, bald fein, Daß ihr sollt hübsch geschmeidig sein. Und wenn ihr dennoch räsvnnirt, Der Cenfor seine Scheere führt. D rum nehmt ihr Schmiede euch in Acht, Und nicht zu scharf das Eisen macht Für jene Herren, groß und klein; Doch stellt ein Handwerksmann sich ein, Dem stählt und schärfet ohn' Beschwer' Den Hammer, 's »eil, die Feil' und Scheer. Denn unser Hammer hämmert blos Auf dummes Zeug mit Kräften los, Und unsre Feite fettet nur Hinweg, was rotz ist von Natur, Und unsre Scheer zerschneidet nicht, Was frei ein Freund des Volkes spricht.