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Ein Beiblatt zur sächsischen Dorfzeitung. Redigirt unter Verantwortlichkeit der Verleger Heinrich und Walther. 1846 Freitag, den 19. Juni stand. Alö jedoch gleich nachher wieder eine Ver schlimmerung eintritt, so geht man dem Patienten noch ernster zu Leibe, indem man ihm die Offen barung Johannis (!) auf die Stirn legt. Da wird der Kranke still und sein Zustand bald so Besorgniß erregend, daß man nun doch von den. bis jetzt gebrauchten seltsamen Heilmitteln abstebt und nach dem im Orte wohnhaften Arzte D. sendet, der den Zustand des Leidenden bereits so verschlimmert findet, daß seiner Erklärung zufolge bei längerer Behandlung des Kranken mit der Bibel es in 5 Minuten mit ihm aus gewesen sein würde. Der Arzt erklärte, nachdem er von dem Zu stande des Mannes sich überzeugt, sein Leiden für Säuferwahnsinn, und der Herr Pfarrer hatte insofern nicht Unrecht, als er diesen für Zeinen „bösen Geist" erklärte; allein daran muffen nur billig zweifeln, daß sein Heilverfahren von irgend einem medirinischen Collegium gutgeheißen werden möchte, abgesehen davon, daß, wenn seine Proce dur scheinbar geglückt, dem Aberglauben Bieler wesentlicher Vorschub geleistet worden wäre. Ein Wort über den Dresdener Annen kirchhof. - * - zuvörderst hin aus die Zuratheziehung eines tüch tigen Arzte-, sondern erklärt vielmehr denselben für vom bösen Geiste besessen.— Er schrei tet hierauf selbst ärztlich ein und verordnet ^Got tes Wort und Warmhalten. — Seiner An weisung zufolge schaffen die Angehörigen eine Menge Blbeln herbei und legen dieselben um den.—,. Kraoken her.^ Da bessert sich scheinbar der Zu- * gegangenen seine Achtung und Liebe noch dadurch Leider nur zu oft sind schon Klagen über Un gebührnisse auf unseren Gottesäckern geführt wor den, die sich zum größten Leidwesen der Betbei- ligten immer wiederholen, für deren Abhilfe aber^ auch zu wenig Rücksicht genommen zu werden scheint. Erst vor Kurzem forderte man im hiesi gen Anzeiger auf, den Thäter auSzumitteln, der von einem Grabe auf dem Annenkirchhofe sämmt- liche Gaben der Liebe — die Blumen — abge rissen und muthwillia umhergestreut hatte, und diese Llnart trifft so Manchen, der feinen Boran- Eiue Seltsamkeit aus der Lausitz. Unter dieser Ueberschrift berichtet der Löbauer Postillon Folgendes: AlS man seiner Zeit von allen Seiten her ernst tadelnd sich aussprach gegen jene pomphafte Rock ausstellung zu Trier, that man recht daran, weil jenes Schauspiel auf die Verbreitung einer grob- sinnlichen Werkheiligkeit im Volke zu wirken ge eignet war, einer Werkheiligkeit, welche leider noch immer bei so vielen Ungebildeten jenes wohlbe dachte Thun vertritt, dessen Quelle ein wahrhaft religiöses, für Gott und göttliche Dinge begeistertes und vom Verstände durchhelltes Gefühl sein sollte. Großes Unrecht würde man aber begehen, wollte man den Bekeunern einer Kirche ausschließlich den Anbau jener, in ihren Wirkungen stets un heilvollen Werkheiligkeit in die Schuhe schieben; finden wir sie doch überall da und von denen ge predigt und in Schutz genommen, wo man um jeden Prew die Vernunft und daS Denken dem Glauben unterworfen sehen will, mag immerhin der Aberglaube im Volke dadurch verewigt werden oder nicht. Unser Gewährsmann erzählt unS Folgendes über einen Vorfall, den wir und unsere Leser wohl nicht mit Unrecht zu den Seltsamkeiten zählen dürfen. Ein protestantischer Pfarrer — der Name ist uns bekannt — wird zu einem Kranken gerufen. Nachdem er denselben gesehen, weist er nicht etwa